Unterirdisches Österreich. Johannes Sachslehner

Unterirdisches Österreich - Johannes Sachslehner


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keinesfalls „Deutsches Eigentum“ darstellen können. Das OGH-Urteil von 1997 könne daher eindeutig nicht darauf angewendet werden.

      Besonders bemerkenswerte Fälle dieser Art sind etwa acht im Stadtgebiet von Linz gelegene Keller, deren Anlegung zumeist auf das späte 19. Jahrhundert zurückgeht und in den sogenannten „Linzer Sanden“ besonders einfach war. Diese Keller westlich der Linzer Altstadt, die sich kilometerlang im Untergrund erstrecken, stehen auch heute oftmals noch im Eigentum von Nachfahren der seinerzeitigen Errichter, wie etwa der traditionsreiche Cembrankeller in der Kellergasse im Eigentum der Weinhändlerfamilie Cembran – es gelingt sogar, ein Foto von der Eröffnung des Kellers im Jahre 191 aufzutreiben. Weiters kann die BIG zeigen, dass der Kapuzinerkeller im Eigentum des Kapuzinerstiftes steht und der Aktienkeller im Eigentum der Brau AG. Auch der „Lieblingsbunker“ der Linzer im Zweiten Weltkrieg, der Limonikeller, in dem an die 10.000 Menschen Platz finden konnten, ist älteren Ursprungs.

      Luftschutzstollen in Linz: Diverse Funde vermitteln einen authentischen Eindruck von der Realität des Krieges.

      Mit der ersten Novelle zum Bundesimmobiliengesetz 2003 werden daher 34 der ursprünglich übertragenen Stollen wieder aus dem Gesetz und damit aus dem Verantwortungsbereich der BIG herausgenommen, darunter auch solche Kaliber wie der Rosenmayrstollen in Hallein. Neben den Stollen, die schon von der Errichtungszeit her nichts mit dem Dritten Reich zu tun haben können, werden auch nachweislich „ersessene“ Stollen aus dem Gesetz entfernt, weiters auch Stollenanlagen, die während des Zweiten Weltkriegs „eigenverantwortlich“ durch Städte und Gemeinden angelegt worden sind und in deren Eigentum stehen.

      Auch die erwähnte riesige Stollenanlage A in Ebensee (siehe dazu das Kapitel „Das unterirdische Amphitheater“) wird nach mehrmonatiger Korrespondenz mit dem Firmenanwalt des Zementwerkes, der der BIG historische Unterlagen zum Rückstellungsvergleich sendet und so nachweist, dass die Stollen dem Zementwerk gehören, aus dem Gesetz gestrichen.

      Eliminiert werden nicht zuletzt ehemalige Bergwerksstollen und – als Kuriosum – auch einige Stollen, die von Kraftwerksbetreibern errichtet worden sind.

      Gleichzeitig geht es bei anderen Stollenanlagen bereits mit den Befundungen los und prompt zeichnen sich erste Schwierigkeiten ab. So auch beim Objekt OÖ 020, dem gewaltigen unterirdischen Labyrinth in St. Georgen an der Gusen, von dem man weiß, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht – noch ahnt niemand, dass es zum größten und schwierigsten Fall des BIG-Underground-Teams werden wird.

      Der einzige Zugang zum Stollensystem befindet sich auf der Liegenschaft des St. Georgener Hausbesitzers und „Ortskaisers“ Rudolf P. im südwestlichen Teil des Ortes, etwa 150 Meter vom Anwesen des Herrn P. entfernt, der über die neugierigen Besucher, die da plötzlich vor seiner Tür stehen, wenig erfreut ist: Er verweigert Projektleiter Karl Lehner und seinen Begleitern den Zutritt, sein Argument: Der Stollen liege unter seinem Grund und sei daher „bis zum Erdmittelpunkt“ auch sein Eigentum – ein Irrtum, den der streitbare Mann mit anderen Grundstückseigentümern teilt. Für den gefinkelten Begriff „Superädifikat“ und die damit verbundene Rechtslage hat Herr P. wenig Verständnis. Mit dem Hinweis auf die Eigentümerhaftung der BIG gelingt es schließlich im September 2001, ihm die Zustimmung zu ersten Erkundungen des Stollensystems abzuringen; am 8. November 2001 ist es so weit: Es erfolgt die erstmalige Befahrung des Bauwerks, das von seinen Dimensionen her alle anderen Anlagen in den Schatten stellt.

      Rudolf P., der von der „Nachnutzung“ des Nazi-Bauwerks – durch den Abbau von Quarzsand 1947 bis 1985 sowie durch Verpachtung dieser Quarzsandgewinnung bis 1997 an eine St. Georgener Firma – nicht wenig profitiert hat, will indes doch nicht so schnell klein beigeben: Über seinen Linzer Anwalt erhebt er Anspruch auf das „uneingeschränkte Eigentum“ an den Stollen, dieser Rechtstitel sei durch „Ersitzung“ gegeben. Die Argumentationslinie des Anwalts: „Dass die Republik Österreich das gegenständliche Stollensystem ab dem Jahre 1945 in keinster Weise genutzt oder gar nur in Anspruch genommen hätte, dass die Republik Österreich als Gewerbebehörde meinem Mandanten mehrfach gewerberechtliche Bewilligungen in Bezug auf die Nutzung des Stollensystems einräumte, lässt wohl unzweifelhaft darauf schließen, dass die Republik Österreich ihre (wie auch immer gearteten) Rechte an diesem Stollensystem nie in Anspruch genommen, sondern erkennbar aufgegeben und damit derelinquiert (sic!) hat.“ Für eine entsprechende rechtsverbindliche Erklärung, die „einzig sinnvolle Lösung des Problems“, räumt er der BIG eine Frist von einem Monat ein, anderenfalls sei er bereit, seinen Anspruch auch gerichtlich zu verfolgen; eventuell würde er sogar Anspruch auf die „gänzliche Entfernung“ des Superädifikates erheben.

      Die BIG – inzwischen hat Karl Lehner in Begleitung von Konsulenten am 8. November 2001 das ca. 7,3 km lange System erstmals befahren – stimmt dieser Rückführung prompt zu und stellt die Erkundungsarbeiten ein. Jetzt wird Rudolf P. jedoch klar, was es hieße, Eigentümer des gesamten Stollensystems zu sein und dafür zu haften – er schränkt seine Eigentumsansprüche auf jene unter seiner Liegenschaft gelegenen Stollenabschnitte ein, also einen Bereich von etwa 250 Metern Länge. Da eine „Teilersitzung“ und damit geteiltes Eigentum jedoch nicht möglich ist, muss die BIG diesen Vorschlag ablehnen; schließlich einigt man sich mit Rudolf P. darauf, dass er das zeitlich unbefristete Nutzungsrecht für die Stollenbereiche unter seinen Liegenschaften behält, dafür der BIG allerdings das Wegerecht für einen direkten Zugang zur Stollenanlage eingeräumt wird.

      Im April 2002 werden in St. Georgen die Erkundungsarbeiten wieder aufgenommen, die Zeit drängt, denn es drohen neue Verbrüche – so ereignet sich Mitte Mai 2002 in der Stollenstrecke Aa – A0 ein Nachbruch, der den einzigen Zugang zur Anlage gefährdet. Und die mit Rudolf P. getroffene Nutzungsvereinbarung hält nicht lange: Als ihm von der BIG mitgeteilt wird, dass die Kosten für Sicherungsarbeiten an den Stollenbereichen unter seinen Liegenschaften etwa 110.000,- Euro betragen würden, tritt er von der Nutzungsvereinbarung zurück; das Wegerecht bleibt bei der BIG, die im Juni 2002 auf Grundlage der Empfehlungen von Leopold Weber mit umfangreichen Sicherungsarbeiten beginnt. Das Maßnahmenbündel sieht u. a. die vollständige Verfüllung von Streckenabschnitten und die Errichtung eines zweiten Tagzuganges vor – geplant und schließlich auch errichtet wird ein schachtförmiger neuer Zugang. In einer ersten Phase werden sowohl obertage als auch untertage Bohrkerne entnommen, um die statischen Verhältnisse in den Röhren der von den Nazis mit dem Codenamen „Bergkristall“ bezeichneten Stollenanlage zu klären. Dann gilt es den einzigen Zugang zum Stollensystem zu sichern, Karl Lehner findet eine perfekte technische Lösung: Aus Einzelelementen verschraubte Wellstahlröhren, die im Winter 2002/​03 montiert werden, gewährleisten von nun an ein sicheres Betreten des Systems. Mit leicht spöttischem Unterton als „Lehnersche Röhren“ bezeichnet, werden sie zu einem running gag in der Underground-Szene, ihre Effizienz zweifelt bald niemand mehr an.

      Für immer sicher verschlossen: „Geobarriers“ in St. Georgen an der Gusen.

      In einem nächsten Schritt werden jene Bereiche gesichert, die besonders gefährdet sind, vor allem die Abschnitte unter der Wohnsiedlung Hasenfeld. Hier bleibt nur die vollständige Verfüllung, wobei man an den beiden Enden der zu verfüllenden Stollenstrecke so genannte „Geobarriers“ zum Einsatz bringt: Dabei werden Kunststoffschläuche von obertage über eine Schlauchleitung unter Druck mit einer Zementsuspension aufgefüllt; die Suspension härtet aus und bildet nun im Zusammenwirken mit der außen liegenden Kunststoffarmierung des Geobarriers einen absolut dichten Verschluss, sodass die Stollenstrecke bis zum oberen Rand des Geobarriers mit Beton aufgefüllt werden kann – dann folgen der nächste Geobarrier und die nächste Schicht Beton, bis der Stollen bis zum First „vollständig und kraftschlüssig“, wie es im Jargon der Tiefbauer heißt, verfüllt ist. Bis zum Juni 2005 werden so 73.000 m3 Beton verarbeitet, weitere 55.200 m3 folgen in einer nächsten Phase bis zum November 2009, in der auch die gefährdeten Stollenbereiche unter landwirtschaftlich genützten Flächen gesichert werden, vor allem dort, wo die „Überlagerung“ nur 15 bis 25 Meter


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