Der Bote aus Frankreich. Ludwig Harig

Der Bote aus Frankreich - Ludwig Harig


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zu können. Und wenn Lionel Ritter wird, will ich Bohort behalten.« Als Lancelot hörte, daß sie seine Vettern seien, wurde er wunderbar froh. »Vielliebe Herrin, wie gut habt Ihr getan, daß Ihr es mir gesagt habt, ehe ich von Euch ging, ich werde nun viel unbeschwerter leben.« Sie nahm einen goldenen Ring und steckte ihm den an den Finger. »Dieser Ring hat die Kraft«, sagte sie, »jede Art Zauber und Gaukelei aufzudecken und sichtbar zu machen.« Sie befahl ihn in Gottes Hand und küßte ihn liebevoll auf den Mund. »Viellieber Königssohn, ich will Euch noch etwas sagen, ehe ich von Euch scheide: Wenn Euch viele gefährliche Aventüren begegnen und Ihr die gut besteht, werdet Ihr die anderen um soviel mutiger bestehen; strebt danach, sie in großen Ehren zu vollenden, wie schwer und wie schrecklich sie auch sein mögen. Ich weiß auch ganz sicher: Was Ihr nicht zuendebringen könnt, das vollendet kein Ritter, der jetzt lebt. Ich würde Euch noch mehr sagen, aber mein Herz tut mir so weh, daß ich nicht mehr sprechen kann. Zieht hin, der ganzen Welt sollt Ihr vor allen anderen Rittern wert und lieb sein, alle edlen Frauen sollen Euch liebhaben und Euch zugetan sein vor allen Geschöpfen. Das alles wird sich erfüllen, das weiß ich wohl.« Sie umarmte ihn und küßte ihn liebevoll auf Mund und Augen. Dann wandte sie sich von ihm ab und war so traurig, daß sie kein Wort mehr hervorbrachte.

       Von der Jagd zurückgekehrt, ritt Lancelot hinter dem König und seinen Begleitern her und holte sie ein. Sie ritten langsam, weil sie ihn betrachten wollten. Der König nahm ihn beim Kinn, und er erschien ihm so schön, daß nichts auf der Welt an ihm zu bessern wäre. »Betrachtet ihn genau, Herr«, sagte Iwein, »ich glaube, daß man nie ein solches Bild von einem Menschen gesehen hat. Wahrhaftig, wenn Gott ihm so gute Eigenschaften verliehen hat, wie er ihm Schönheit und Wohlgestalt geschenkt hat, hat er ihn nicht vernachlässigt!«

       Iwein und seine Gefährten sprachen so lange von dem Knappen, daß er sich schämte. Der König bemerkte es und wollte keine Fragen mehr an ihn richten; er nahm sich vor, damit auf ein anderes Mal zu warten. »Iwein«, sagte der König, »ich vertraue Euch den Knappen an. Hier ist niemand, der sich besser als Lehrmeister für ihn eignet, als wenn Ihr ihm zeigt, wie er sich verhalten soll.« Er übergab ihn in seine Hand, und Iwein nahm ihn mit sich. So kamen sie nach Camelot, und das Gedränge der Stadtbewohner, die den Knappen sehen wollten, wurde so groß, daß sich niemand mehr drehen und wenden konnte. Iwein brachte ihn und seine Knappen dorthin, wo er Unterkunft genommen hatte. Alle, die ihn sahen, sagten, sie hätten nie einen schöneren Knaben gesehen. Am nächsten Tag, dem Samstag, sagte der Knappe zu Iwein: »Herr, sagt dem König, er solle mich morgen zum Ritter machen, wie er es meiner Herrin versprochen hat. Ich möchte nicht länger warten.«

       »Habt Ihr es so eilig, Ritter zu werden?« fragte Iwein. »Ja«, sagte er. »Nun sagt mir, lieber Freund, wäre es nicht besser für Euch, noch so lange zu warten, bis Ihr mit den Waffen umgehen könnt?« »Freiwillig bleibe ich nicht länger Knappe. Deshalb bittet meinen Herrn, mich morgen zum Ritter zu machen, ich wolle keinesfalls länger warten.« »Ich will es gern tun«, sagte Iwein. Er ging an den Hof und sprach mit dem König. »Herr«, sagte er, »Euer Knappe läßt Euch durch mich ausrichten, Ihr möchtet ihn morgen zum Ritter machen.« »Welcher Knappe?« fragte der König. »Der Knappe, den Euch die edle Frau gestern abend gebracht hat und den ich auf Euren Wunsch einweisen und unterrichten sollte.«

      Darüber kam die Königin mit Gawan herzu. Der König sah Iwein an und sagte: »Meint Ihr den hübschen Knappen in dem weißen Aufzug?« »Eben den meine ich.« »Will er jetzt gleich Ritter werden?« »Ja, Herr, morgen am Tag.« »Hört Ihr das, Gawan«, sagte der König, »daß unser Knappe, den die edle Frau uns gestern abend anvertraut hat, jetzt gleich Ritter werden möchte?« »Herr«, sagte Gawan, »er hat recht damit; ich glaube, wenn er lange genug lebt, wird er ein Meisterritter. Er ist sehr schön und hat das Auftreten eines Edelmannns, ich bin überzeugt, daß er aus sehr hohem Geschlecht stammt.« »Wer ist der Knappe?« fragte die Königin. »Er ist der schönste Knappe, Königin, den Ihr je mit Augen gesehen habt«, sagte Iwein und erzählte ihr, wie ihn die vornehmste Dame gebracht hatte, die er je gesehen habe. »Wie«, sagte die Königin, »er kam erst gestern abend an den Hof und will morgen schon Ritter werden?« »Ja«, sagte er, »ich glaube, nichts anderes wünscht er.« »Ich würde ihn gern sehen«, sagte die Königin. »Ihr habt nie einen so hübschen und wohlgestalten Knappen gesehen«, sagte der König. »Geht zu ihm, Iwein, laßt ihn reich kleiden, sagt ihm, er solle sich schmücken – er hat genug dafür mit, denke ich –, und bringt ihn mir in festlichem Zug an den Hof.« Er selbst erzählte der Königin, wie die Herrin des Knappen zu ihm gekommen war und ihn gebeten hatte, ihn nur in seiner eigenen Rüstung zum Ritter zu machen, die er mitgebracht habe, und in seinen eigenen Kleidern, und wie sie sich die Frau vom See genannt hatte. Darüber staunte die Königin, und sie war ungeduldig, den Knappen zu sehen. Iwein ging zu ihm und ließ ihn sich so schön zurechtmachen, wie er nur konnte: »Der König befiehlt Euch, an den Hof zu kommen.« Er kleidete sich so, daß nichts daran zu verbessern war, bestieg sein großes kräftiges Pferd und ritt mit Iwein. Alle Straßen waren voller Menschen, die den Knappen sehen wollten, und die Nachricht verbreitete sich in der Stadt, daß der hübsche Knappe am nächsten Tag Ritter werden wolle und jetzt in seiner ritterlichen Ausstattung an den Hof gehe. Da liefen die Bewohner der Stadt und ihre Frauen an die Fenster und sagten, sie hätten nie einen schöneren Knappen gesehen. – Als sie vor den Palas kamen, saß er ab. Überall in der Burg verbreitete sich die Nachricht, der hübsche Knappe sei an den Hof gekommen. Alle Ritter und Knappen, alle Damen und jungen Mädchen am Hof liefen heraus, sogar der König und die Königin gingen ihm entgegen. Iwein nahm den Knappen bei der Hand und geleitete ihn in den Saal. Der König und die Königin nahmen ihn jeder bei einer Hand und führten ihn zwischen sich zu den Plätzen, die ihnen selbst vorbehalten waren. Sie setzten sich, und der Knappe setzte sich vor ihnen auf das Gras nieder, mit dem der Saal bestreut war. Der König betrachtete ihn wohlgefällig, weil er so vollendet aufgetreten war. Er war jetzt noch dreimal schöner, und alle meinten, er sei auch noch stattlicher und vollkommener, als er vorher schon gewesen war. Die Königin sah ihn an und sagte, Gott wolle ihn gewiß zu einem vortrefflichen Manne machen, da er ihm soviel Schönheit geschenkt habe. Sie betrachtete ihn lange und eindringlich, und er betrachtete sie, wenn es niemand beobachten konnte, und staunte, wie sie so schön sein könne. Ihm schien, daß die Frau vom See und alle Frauen, die er kannte, der Königin an Schönheit nicht gleichkamen. Damit hatte er recht, denn es gab keine Frau auf der Welt, die sich mit ihr an Schönheit und Adel messen konnte. Daher übertraf sie alle Frauen auf Erden. »Wie heißt der Knappe?« fragte die Königin. »Ich weiß es nicht«, sagte Iwein. »Wißt Ihr denn, wer sein Vater war und wo er herstammt?« »Ich weiß nur, daß er aus Gallien kommt, und auch das weiß ich nur, weil er die Sprache so gut beherrscht.« Die Königin nahm ihn bei der Hand und fragte ihn, wo er her sei. Als er ihre Hand spürte, erschrak er, als ob er aus einem Traum erwachte. Seine Gedanken waren so an sie verloren, daß er nicht wußte, was sie gesagt hatte. Sie sah sogleich, daß er verwirrt war, und fragte ihn noch einmal. »Sagt mir, wo kommt Ihr her?« Er sah sie ganz einfältig an und sagte seufzend: »Königin, ich bin ein Knappe, und eine edle Frau hat mich bisher aufgezogen.« »Und wie heißt Ihr?« fragte sie. »Das weiß ich nicht«, sagte er. Sie bemerkte, daß er tief in Gedanken verloren und seiner selbst nicht mächtig war. Sie wagte nicht wirklich daran zu glauben, daß es ihretwegen war, aber ein wenig dachte sie dahin und fragte nicht weiter, um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen. Sie stand auf und wollte in ihr Zimmer gehen, weil sie nicht wünschte, daß es jemand bemerkte. Es kam ihr vor, als sei er nicht bei Sinnen, und sie glaubte, daß er schlecht unterwiesen worden war, mochte er nun bei Verstand sein oder nicht. »Wir wissen nicht, wie ihm zumute ist oder wie es mit ihm steht, Königin«, sagte Iwein. »Vielleicht ist es ihm nicht erlaubt, Euch oder irgend jemandem zu sagen, wie er heißt und wo er herkommt.« »So mag es wohl sein«, sagte sie. Der Knappe hörte nichts von alledem.

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