Die Anti-Aging Revolution. Johannes Huber

Die Anti-Aging Revolution - Johannes Huber


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      Johannes Huber,

      Bernd Österle:

      Die Anti-Aging Revolution

      Alle Rechte vorbehalten

      © 2020 edition a, Wien

      www.edition-a.at

      Cover: Isabella Starowicz

      Satz: Lucas Reisigl

      ISBN 978-3-99001-412-7

      E-Book-Herstellung und Auslieferung:

      Brockhaus Commission, Kornwestheim

       www.brocom.de

      INHALT

       TEIL I

       NEUNZIG JAHRE LEICHTIGKEIT

      DAS SCHÖNE GESICHT DES VERZICHTS

       DIE FALLEN DER EVOLUTION

      ÜBERLEBENSWICHTIGE VERFÜHRER

       ESSEN IST GESUND, HUNGER HÄLT UNS AM LEBEN

      IMMER DIESER VERDAMMTE APPETIT

       ESSEN IST GESUND, HUNGER SCHÜTZT VOR ALTER

      WAS DEN EMBRYO SCHNELL WACHSEN LÄSST,

      LÄSST UNS LANGSAMER ALTERN

       ESSEN IST GESUND, HUNGER SCHÜTZT VOR KREBS

      DER JUNGZELLENEFFEKT DER AUTOPHAGIE

       DAS GEWICHT DER WEIBLICHKEIT

      DIE UNGERECHTIGKEIT DER HORMONE

       DAS GEWICHT DES ALTERNS

      DIE NORADRENO-PAUSE

       TEIL II

       SPIELEND SCHLANK

      LÄNGER JUNG

      NEUNZIG JAHRE LEICHTIGKEIT

      DAS SCHÖNE GESICHT DES VERZICHTS

      In ihrem Blick lag etwas Hungriges. »Wellness?«, fragte sie. »Was ist das, Herr Doktor?«

      Edwin Albrich legte seine goldene Füllfeder beiseite. »Ein neues Konzept, müssen Sie wissen. Ich habe es in Amerika studiert. Wellness ist eine Gesundheitslehre.«

      »Ach.« Annelie Leichtfried hob die Augenbrauen.

      Doktor Albrich nickte, während ein Bündel Sonnenstrahlen durchs Fenster auf den Obstkorb fiel, der auf seinem Mahagonitisch stand. Ein Korb voll rotgelber Äpfel mit ein paar Orangen aus Jaffa. »Ja. Wellness beinhaltet Heilgymnastik. Saunagänge. Wasser-, Bäder- und Wärmekuren. Massagen, Ultraschall- und Elektrotherapien, dazu Wanderungen. Auch Holzhacken. Kann ich Ihnen nur raten.«

      »Holzhacken hilft gegen meine Gelbsucht?«, fragte Annelie, sie litt daran seit der Geburt ihres ersten Sohnes.

      »Aus einer gesamtgesundheitlichen Betrachtung, ja«, sagte der Arzt und faltete die Hände. »Ich würde es eher als naturnahe Heilkunst sehen. Wellness basiert auf einer gesunden Ernährung, kombiniert mit ausreichend Schlaf und viel Bewegung, am besten natürlich an der frischen Luft. Das alles gepaart mit neuesten Erkenntnissen aus der Schulmedizin.«

      Edwin Albrich, Arzt aus dem Montafon, genoss in Medizinerkreisen höchstes Ansehen, war rund um den Globus bekannt und galt als Pionier mit Stethoskop. Damals, im Jahr 1950, stand sein Name für eine Art zu denken, die als ebenso revolutionär wie exotisch galt.

      »Und was soll ich jetzt tun, Herr Doktor?« Annelie Leichtfried dachte, der Mann im weißen Kittel würde ihr ein Rezept schreiben, stattdessen bekam sie einen Rat.

      »Wenn Sie wirklich etwas für sich und Ihr Leben machen wollen, dann essen Sie niemals Pommes frites und diesen ganzen ungesunden Fraß. Kein Grillfleisch, wenig Zucker. Nach Möglichkeit auch keine Wurst. Und schon gar nichts Gebackenes. Die Panade bringt Sie früher ins Grab, als Ihnen lieb ist. Dafür viel Gemüse und Obst. Wenn es geht, immer frisch kochen, und achten Sie auf die Qualität der Zutaten.«

      Die Kuranstalt Montafon, Österreichs modernster Kurbetrieb in den Fünfzigerjahren, war auf Doktor Albrichs Betreiben in Schruns in Vorarlberg erbaut worden und zog Berühmtheiten aus aller Welt an. Adelige aus Europa, New Yorker Prominenz, Politiker aus dem Nahen Osten. Letztens war da wieder dieser Geschäftsmann aus Afrika angerauscht, immer nur im Rolls Royce unterwegs und im weißen Tropenanzug zu sehen. Ein Fleischberg mit Dreifachkinn. Doktor Albrich schickte ihn auf die Viehwaage der Gemeinde, weil es die gewöhnliche Personenwaage mit hundertzwanzig Kilogramm Limit längst nicht mehr schaffte. Die Klinik kriegte den Mann wieder hin. Dank intensiver Therapien und einer eisernen Diät stieg er am Ende wieder in seinen Rolls Royce und passte sogar in den Sitz.

      Patienten reisten mit dem Zug an, kamen mit dem Chauffeur oder per Hubschrauber ins kleine Schruns in Vorarlberg, nur um Doktor Albrichs neue Wellness-Methoden am eigenen Leib zu erfahren und Anreize für ein gesünderes Leben mitzunehmen. Man fuhr auf Kur. Kam als Wrack und ging als Star.

      Jahre später erschienen Herrschaften wie Herbert von Karajan, Helmut Kohl, Franz Josef Strauß und die Hörbiger-Dynastie in diesem Luxushotel, um den müden Körper mit dem gehetzten Geist in Einklang zu bringen. Wellness entwickelte sich vom Geheimtipp zum Massenphänomen.

      Annelie Leichtfried ist heute neunzig Jahre alt.

      Schlank, silbergraues, seidig glänzendes Haar, das locker auf ihre Schultern hinabfällt. Sie schaut fantastisch aus, hat kaum Falten. Man würde ihr achtundfünfzig, höchstens sechzig geben. Was für eine Erscheinung! Eine Dame.

      Seit den Fünfzigerjahren beherzigt sie die Ratschläge des Arztes. Gerade in einer Zeit, als die Industrialisierung der Speisen aus den USA als neuer Lifestyle nach Europa schwappte. Pommes frites, Mikrowelle, heute nennt man das Junk-Food. Damals war das neu, spannend, amerikanisch. Schnell fertig und noch schneller verschlungen. Doktor Albrich aber sagte genau das Gegenteil. Lasst euch nicht beirren. Dieses Essen ist falsch. Es macht euch krank. Lebt Wellness, lasst ab vom triefenden Fett.

      Neben der richtigen Ernährung war es vor allem Bewegung, die er Annelie Leichtfried aber nicht ausdrücklich verordnen musste. Schon als Kind war sie Tag um Tag mit dem Fahrrad nach Bregenz ins Gymnasium gefahren. Ihr ganzes Leben machte sie Sport, vor allem Radfahren. Voriges Jahr kaufte sie sich einen Kilometerzähler, weil sie wissen wollte, wie viel sie jetzt, mit neunzig, noch schafft. Ergebnis: mehr als tausend Kilometer im Jahr.

      Und dann, Jahrzehnte nach dem Treffen mit Doktor Albrich, kam sie zu mir in meine Wiener Ordination, die nahe dem Schwarzenbergplatz beim Schloss Belvedere liegt. Sie nahm auf einem der bequemen alten Stühle gegenüber meinem Schreibtisch Platz und wir redeten eine Weile.

      Es war die Zeit, in der in Annelie Leichtfrieds Leben die Menopause einsetzte. Mit fünfundvierzig durchaus früh. Üblich und statistischer Durchschnitt für den Beginn des Klimakteriums


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