Die Anti-Aging Revolution. Johannes Huber
Chronobiologie hält derzeit mit Pauken und Trompeten Einzug in die Wissenschaft, die Medizin und damit letztlich in den Alltag. 2017 gab es den Nobelpreis für die Entdeckung der Mechanismen, die den circadianen Rhythmus in den Zellen steuern.
Der Vorgang ist, für den Hausgebrauch erklärt, bestechend einfach. Der Mensch ist ins Sonnensystem eingebettet. Unser Körper hat sich ein Abbild des Sonnenzyklus gemacht. Jedes Organ, jede Zelle folgt dem Wechsel von Licht und Dunkelheit.
Unsere Zellen schalten den Tag-Nacht-Rhythmus alle zwölf Stunden um, indem sie sogenannte Clock-Gene wachrütteln, und sich andere dafür aufs Ohr legen. Damit die Gene der Tag- und Nachtschicht ihre Dienste auch rechtzeitig antreten, werden sie beizeiten aufgerüttelt. Sehr beizeiten.
Die Nacht-Gene kriechen schon tagsüber aus den Federn, die Tag-Gene machen sich bereits während der Nacht bereit. Pünktlich zu Arbeitsbeginn, sobald die Sonne auf- oder untergeht, erledigen sie ihre Aufgaben im Körper. Zwölf Stunden lang, bis die neue Schicht sie ablöst und die nächsten zwölf Stunden lang ihre Aufgaben im Körper erledigt.
Diese innere Uhr des Menschen tickt im Hypothalamus, jener Drüse, die auch die vegetativen Körperfunktionen dirigiert. Die Zirbeldrüse assistiert ihm, indem sie den Vierund-zwanzigstunden-Rhythmus synchronisiert und das Melatonin beisteuert, das den Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst. Auch dazu kommen wir noch ausführlicher.
Vorerst einmal so viel: Dieser Einklang mit dem Rhythmus der Natur hat mehr Auswirkung in der täglichen Routine, als man geahnt hätte. Man vermutet zum Beispiel auch, dass es nicht egal ist, wann man welche Medikamente schluckt. Beim Essen ist es längst mehr als Vermutung. Es ist eben nicht egal, wann man isst und wann nicht.
Eine Kohorten-Studie in Frankreich, einem Land, in dem man spät zu Abend isst, zeigte nicht nur den Zusammenhang zwischen Ernährungsgewohnheit und circadianem Rhythmus, sie belegte auch ein damit verbundenes höheres Krebsrisiko. Die Arbeit erschien im International Journal of Cancer und machte einigen Wind in der wissenschaftlichen Gemeinde.
Eine spanische Forschungsgruppe und damit eine weitere Nation, die traditionsgemäß abends isst, wies nach, dass vor allem Brust- und Prostatakarzinome häufiger vorkommen, wenn man beim Abendessen völlert. Und häufiger bedeutet: Das Risiko bei Prostatakrebs ist um den Faktor 2,2, bei Brustkrebs um den Faktor 2,4 erhöht. Zum Vergleich: Das ist mehr als bei jeder Hormontherapie.
Das Ergebnis gibt also zu denken. Umso mehr, als Frankreich, vor allem aber Spanien, die mediterrane Kost dagegenhalten können. Olivenöl, Obst und Gemüse, fettreicher Fisch und Rotwein. Wenn die Franzosen und Spanier das zu Mittag essen würden, wären sie gesundheitlich unschlagbar.
Im August 2016 erschien dann in der Zeitschrift JAMA, dem Journal of American Medical Association, eine Arbeit kalifornischer Wissenschaftler, die bestätigt: Ausgedehntes nächtliches Fasten ist eine nicht-pharmakologische Strategie gegen Brust- und Prostatakarzinome. Keine Medikamente, nur Nahrungskarenz, und die Krebsrate lässt sich reduzieren. Eine simplere Methode gibt es nicht. Das ist ein völlig neuer Aspekt des Intervallfastens.
Wir leben in einer verschmutzten Umwelt, sind ständig zu viel Licht ausgesetzt, von zu viel Feinstaub geplagt und durch zu viel CO2 belastet. Aber was definitiv schwer wiegt, wird in dieser Liste oft unter den Tisch gekehrt: der pausenlose Zugang zur Nahrung.
Die amerikanische Industrialisierung hat uns das Fast-Food in den Futtertrog geschüttet, das Nahrungsangebot ist ubiquitär. Die Supermärkte und Restaurants dieser Welt haben vierundzwanzig Stunden geöffnet, rund um die Uhr können wir uns Essbares in den Schlund schieben. Der vermeintliche Genuss ist eine permanente Versuchung, die tatsächlich gesundheitsschädigend ist.
Um es einmal beim Namen zu nennen: Es ist eine Katastrophe, dass die ganze Nacht hindurch gevöllert werden kann.
Das richtige Intervall-Fasten
Das Ende der Illusion vom Breakfast-Skipping
Früher dachte man immer, Nahrung kennt keine Uhrzeit, es sei völlig egal, wann man den Körper füttert. Essen flog uns, im Gegensatz zu früher, irgendwann wie gebratene Tauben direkt in den Mund, warum sollte man dabei auf einen Uhrzeiger schielen? Man ahnte schon ein bisschen, dass es nicht die natürlichste Art, sich zu ernähren ist, mitten in der Nacht in die Küche zu schleichen, den Kühlschrank zu inspizieren und mit seinem halben Inhalt wieder ins Bett zu kriechen. Auch wenn der Genuss mit stundenlanger Hin- und Herwälzerei bezahlt wurde, dass diese Plünderungen ernsthaft der Gesundheit schaden würden, war einem nicht bewusst. Ist doch nur Essen, was sollte daran schlecht sein?
Mittlerweile wissen wir: Nein, es ist nicht nur Essen, und es ist ganz und gar nicht egal, wann man den Körper füttert.
Acht Stunden vor Mitternacht sollte die Tür zur Kantine geschlossen sein. 16:00 Uhr. Mund zu, das war’s für den Tag.
Damit sind alle kreativen Auslegungen des Intervallfastens hinfällig. Man muss es schon richtig machen, sonst nützt es nichts. Mehr noch, es schadet.
Wobei ich dazusagen muss:
Man kann ruhig den ganzen Tag über nichts essen. Auch das ist Teil des intermittierenden Fastens. Aber man kann nicht den ganzen Tag nichts essen und dafür dann am Abend in Mengen hineinschaufeln. Die große Gemeinschaft der Frühstücksmuffel, die vor Mittag keinen Hunger haben, aber ab dem späten Nachmittag gerne durchgehend essen würden, hatten gehofft, dass Fasten gleich Fasten ist. Außerdem würde es den meisten Menschen gesellschaftlich mehr in den Tagesplan passen. Es ist natürlich zwischenmenschlich heiterer, abends mit Freunden zusammensitzen, essen, trinken und sich unterhalten zu können.
Tja, es tut mir sehr leid. Aber spät zu essen und auf das Frühstück zu verzichten, ist das Schlechteste, was man sich antun kann. Fragen Sie Ihren Insulinspiegel.
In der Früh schüttet der Körper Insulin aus. Er macht das nicht mutwillig, er ist chronobiologisch darauf eingestellt und wartet auf Kohlenhydrate. Kriegt er keine, verwirrt ihn das, und er reagiert mit einer Entzündung.
Genauer gesagt:
Die Verlängerung des nächtlichen Fastens durch das sogenannte Breakfast-Skipping erhöht das Entzündungspotenzial der peripheren Blutzellen. Das richtige Intervallfasten mit einem guten Frühstück wirkt als Schutz gegen das metabolische Syndrom. Was logisch ist, denn das metabolische Syndrom ist auch ein Entzündungssyndrom.
Irrtümlich glauben viele, dass mit der Insulinausschüttung automatisch Hunger verbunden sein muss, und sie morgens nichts essen müssten, wenn der Magen nicht lautstark auf sich aufmerksam macht und knurrt, weil er kurzgehalten wird. Das stimmt nicht immer. Bei einer Insulinresistenz ist der Insulinspiegel auch hoch, und man hat trotzdem nicht unbedingt einen Appetit.
Kohlenhydrate, die der Körper in der Früh serviert haben möchte, sollten übrigens einen niedrigen glykämischen Index haben, also langsam verbrennen. Der Index misst, wie Kohlenhydrate auf den Blutzuckerspiegel wirken. Je höher der Wert ist, desto mehr Zucker zirkuliert im Blut.
Die Lieblingsspeise des Körpers ist dabei Vollkorn. Das ist das beste Frühstück, wenn man den Organismus fragt. Es muss nicht viel sein, gerade nur ein paar Bissen, um das Insulin zu belohnen.
Hält man sich an die 16:8-Regel und die Sperrstunde um vier am Nachmittag, darf erst morgens gegessen werden.
Eine deutsche Studie, die sich mit dem Breakfast-Skipping und der Entzündungsreaktion des Körpers beschäftigt hat, brachte damit etwas zutage, was derzeit in der Diskussion rund um das Intervallfasten überhaupt nicht berücksichtigt wird. Wie wichtig es ist, zur richtigen Zeit zu essen.
Punkt eins, von insgesamt dreien, ist also: das Morgen-Insulin, das man nicht arbeitslos lassen sollte.
Punkt zwei: das Wachstumshormon. In der Nacht produziert der Körper der Chronobiologie folgend kein Insulin. Wird in dieser Zeit gegessen, zwingt man ihn, das Insulin aus der Reserve zu holen. Und nicht nur das. Zwischen Mitternacht und ein Uhr Früh wird das Wachstumshormon aus der Hypophyse freigesetzt. Allerdings nur dann, wenn der Glucosespiegel