Reise zum Mittelpunkt der Erde. Jules Verne

Reise zum Mittelpunkt der Erde - Jules Verne


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gewiss! Wer würde zögern, solch einen Ruhm gewinnen zu wollen?

      Wäre dieses Dokument bekannt, so würde ein ganzes Heer von Geologen hineilen, Arne Saknussemms Spur zu verfolgen.«

      »Davon bin ich aber gar nicht überzeugt, lieber Onkel, denn die Echtheit des Dokuments ist durch nichts erwiesen.«

      »Wie? Und was ist mit dem Buch, worin wir es gefunden haben?«

      »Gut! Ich gebe zu, dass Saknussemm diese Zeilen geschrieben hat, aber folgt daraus, dass er die Reise wirklich unternommen hat, und kann das alte Pergament nicht bloß eine Fopperei sein?«

      Es tat mir fast Leid, dies letztere, etwas kecke Wort herausgesagt zu haben. Der Professor runzelte die Stirn, und ich fürchtete für die Fortsetzung unserer Unterhaltung Schlimmes. Zum Glück hatte es nichts zu bedeuten. Mein strenger Genosse entgegnete mit leichtem Lächeln:

      »Das werden wir sehen.«

      »Ach!«, sagte ich etwas verdutzt. »Aber erlauben Sie mir vorzubringen, was sich alles über das Dokument sagen lässt.«

      »Rede, lieber Junge, geniere dich nicht. Ich lasse dir alle Freiheit, deine Meinung zu sagen. Du bist nun nicht mehr mein Neffe, sondern mein Kollege. Also vorwärts.«

      »Nun, so will ich Sie erst fragen: Was sind diese Yokuls, Sneffels und Scartaris, wovon ich nie ein Wort habe reden hören?«

      »Das ist ganz leicht. Ich habe just vor kurzem von meinem Freund August Petersmann in Gotha eine Karte bekommen, die mir gerade zu rechter Zeit kam. Nimm den dreißigsten Atlas im zweiten Fach der großen Bibliothek, Reihe Z Brett 4.«

      Ich stand auf und fand in Entsprechung dieser genauen Angabe rasch den gewünschten Atlas. Mein Onkel schlug ihn auf und sagte:

      »Hier ist eine der besten Karten von Island, die Handersonsche; ich glaube, die wird uns bei allen Schwierigkeiten helfen.«

      Ich beugte mich über die Karte.

      »Sieh diese aus Vulkanen bestehende Insel«, sagte der Professor, »und beachte, dass sie alle mit dem Namen Yokul bezeichnet sind. Dies Wort bedeutet im Isländischen ›Gletscher‹, und unter dem hohen Breitengrad Islands geschehen die meisten vulkanischen Ausbrüche durch die Eisdecke.«

      »Gut«, entgegnete ich, »aber was ist dann Sneffels?«

      Ich hoffte, er könne diese Frage nicht beantworten. Wie irrte ich mich! Mein Onkel fuhr fort:

      »Folge mir auf die westliche Küste Islands. Siehst du seine Hauptstadt Reykjavik? Ja? Gut. Fahre über die unzähligen Fjorde dieser zerrissenen Seeküste, und halte etwas unter dem 65. Breitengrad an. Was siehst du da?«

      »Eine Art Halbinsel, gleich einem abgenagten Knochen.«

      »Der Vergleich ist richtig, lieber Junge; und weiter siehst du nichts auf dieser Halbinsel?« »Doch, einen Berg, der aus dem Meer emporgewachsen scheint.« »Gut! Das ist der Sneffels.«

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      »Der Sneffels?«

      »Der ist es, ein 5.000 Fuß hoher Berg, einer der merkwürdigsten auf der Insel, und gewiss der berühmteste der ganzen Welt, wenn sein Krater den Eingang zum Zentrum der Erde bildet.«

      »Aber das ist unmöglich!«, rief ich mit einem Achselzucken und mich gegen eine solche Annahme sträubend.

      »Unmöglich!«, entgegnete der Professor Lidenbrock mit strengem Ton. »Und warum?«

      »Weil dieser Krater offenbar mit Lava verstopft ist, die Felsen glühen, und dann ...«

      »Und wenn es ein verloschener Krater ist?«

      »Verloschen?«

      »Ja. Die Zahl der noch tätigen Vulkane auf der Erdoberfläche beträgt gegenwärtig nur etwa 300. Aber es gibt eine noch weit größere Anzahl verloschener Vulkane. Unter die letzteren gehört der Sneffels, der seit langen Zeiten nur einen Ausbruch gehabt hat, und zwar im Jahre 1219. Seitdem ist er allmählich stille geworden und er gehört nicht mehr zu den tätigen Vulkanen.«

      Auf diese genauen Angaben hatte ich durchaus nichts zu entgegnen; ich warf mich also auf die übrigen Schwierigkeiten, die das Dokument enthielt.

      »Was bedeutet das Wort Scartaris?«, fragte ich. »Und was hat der erste Juli damit zu tun?«

      Mein Onkel besann sich einige Augenblicke. Einen Moment lang hatte ich Hoffnung, aber auch nur einen Moment lang, denn bald antwortete er mir folgendermaßen:

      »Was du Dunkelheit nennst, ist für mich Licht. Dies beweist die sinnreiche Sorge, womit Saknussemm seine Entdeckung genau bezeichnen wollte. Der Sneffels hat mehrere Krater und es war daher erforderlich, denjenigen, welcher zum Mittelpunkt der Erde führt, anzugeben. Wie hat es nun der gelehrte Isländer gemacht? Er hat bemerkt, dass beim Herannahen des ersten Juli, also gegen Ende des Juni, eine der Bergspitzen, der Scartaris, ihren Schatten bis zu der Mündung des fraglichen Kraters wirft, und er hat diese Tatsache in dem Dokument niedergeschrieben. Dies war die genaueste Angabe, sodass man, wenn man sich einmal auf dem Gipfel des Sneffels befindet, unmöglich mehr in Zweifel sein kann, welcher Weg einzuschlagen ist.«

      Allerdings wusste mein Onkel eine Antwort auf alles. Ich sah wohl, dass ihm bei den Worten des alten Pergaments nicht beizukommen war. Ich setzte ihm daher von dieser Seite aus nicht mehr zu, und da ich ihn vor allem überzeugen musste, so ging ich zu den wissenschaftlichen Einwendungen über, welche meines Erachtens ganz andere Bedeutung hatten.

      »Nun«, sagte ich, »die Phrase Saknussemms, ich muss es zugeben, ist klar und lässt über ihren Sinn keinen Zweifel mehr. Ich gebe sogar zu, dass das Dokument denn Anschein völliger Echtheit hat. Dieser Gelehrte ist in das Innere des Sneffels hinabgestiegen, hat gesehen, wie der Schatten des Scartaris den Rand des Kraters vor dem ersten Juli bestrich; er hat sogar aus den sagenhaften Erzählungen seiner Zeit entnommen, dass dieser Krater zum Zentrum der Erde führe; aber dass er selbst dahin gedrungen, dass er von einer Reise dahin wieder zurückgekehrt sei, das glaube ich durchaus nicht!«

      »Und warum nicht?«, fragte mein Onkel mit ausnehmend spöttischem Ton.

      »Weil alle Theorien der Wissenschaft beweisen, dass eine solche Unternehmung undurchführbar ist!«

      »Alle Theorien sagen das aus?«, fragte der Professor mit gutmütiger Miene. »Ja, die schlechten Theorien! Die armseligen Theorien werden uns genieren!«

      Ich sah, dass er sich über mich lustig machte, aber ich fuhr dem ungeachtet fort:

      »Ja! Es ist eine ausgemachte Sache, dass die Wärme unter der Erdoberfläche mit 70 Fuß Tiefe um einen Grad zunimmt; nehmen wir nun dies steigende Verhältnis als sich gleich bleibend an, so muss, da der Erdradius 1.500 Meilen beträgt, im Zentrum eine Temperatur von mehr als 200.000 Grad herrschen. Die Stoffe im Innern der Erde befinden sich daher im Zustand des glühenden Gases, denn die Metalle, Gold, Platin, die härtesten Steine halten einer solchen Hitze nicht stand. Ich darf also fragen, ob es möglich sei, in eine solche Umgebung zu gelangen!«

      »Also, Axel, die Hitze macht dir zu schaffen?«

      »Allerdings. Kämen wir bis zu einer Tiefe von nur zehn Meilen, so wären wir an der Grenze der Erdrinde, denn da ist die Temperatur bereits über 1.300 Grad.« »Und du hast Angst zu zerschmelzen?« »Ich überlasse Ihnen die Entscheidung der Frage«, antwortete ich mit Humor.

      »So will ich dir meine Meinung genau sagen«, entgegnete der Professor Lidenbrock, indem er einen hohen Tonfall annahm: »Weder du noch irgendein Mensch weiß einigermaßen zuverlässig, was im Innern des Erdballs vorgeht, da man kaum erst den zwölftausendsten Teil ihres Radius’ kennt; daher ist die Wissenschaft außerordentlich vervollkommnungsfähig und jede Theorie wird von einer neuen umgestürzt. Hat man ja bis auf Fourier geglaubt, die Temperatur der Planetenräume sei stets abnehmend, und jetzt weiß man, dass die höchste Kälte der Ätherregionen nicht über 40 bis 50 Grad unter Null steigt. Warum könnte es mit der Wärme im Innern


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