TEXT + KRITIK 232 - Wolfgang Welt. Sascha Seiler

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konnte auch etwas Deutsch. Ich erinnere mich daran, wie wir am Kamin saßen, tranken und viel gelacht haben. Drogen haben wir beide nicht genommen, einem Drink waren wir aber niemals abgeneigt.

       An welche weiteren besonderen Momente erinnern Sie sich noch?

      Er hat mir Bochum nähergebracht. Besonders gerne erinnere ich mich daran, als wir bei seiner Mutter in der winzigen Küche an einem alten schwarzen Ofen im Haus an der Hauptstraße 51 saßen, sie hatte Eintopf gekocht, aß aber nicht mit, sondern saß ruhig in der Ecke, während Wolfgang in seinen Hosenträgern wie der Herr des Hauses wirkte. Das Essen war übrigens sehr lecker. Soweit ich weiß, war es ja ein Haus, das einst für Grubenarbeiter gebaut worden war, es war sehr dunkel und funktional. Wolfgang hat sich ja um seine Mutter gekümmert, bis sie starb, und zog dann in eine modernere Wohnung – nun ja, modern ist relativ – ein paar Hausnummern weiter. Immer wenn ich in Bochum war, traf ich mich mit Wolfgang, seinem Bruder Jürgen und dessen Frau sowie seiner Schwester Gabi. Wir aßen zusammen oder schauten Fußball. Von ihm lernte ich den Ausdruck »Fahrstuhlmannschaft«, mit dem er den VfL Bochum beschrieb. Auch war er ein sehr nützlicher Beifahrer. Immer wenn ich am Steuer saß, brach er in Begeisterungsstürme aus, wenn wir mehr als eine grüne Ampel nacheinander geschafft haben. Er nannte es: ›Die grüne Welle reiten‹, als wäre man am Strand in Hawaii und nicht in Köln oder sonstwo.

       War Ihnen denn bewusst, dass Sie immer wieder Teil seiner autobiografischen Romane waren? Mehr noch: Sie spielen ja eine recht große Rolle.

      Ich habe Wolfgang immer hundertprozentig vertraut, wahrhaftig über mich zu schreiben. Ich wusste, dass er meine Musik liebte, warum sollte ich also etwas dagegen haben, dass mein Name in seinen Romanen auftaucht? Während seiner Zeit in der Klinik habe ich nicht verstanden, was mit ihm los war. Richtig herausgefunden habe ich das erst, nachdem er wieder entlassen worden war, und es hat mich sehr schockiert zu erfahren, was er alles durchleben musste. In meinen Briefen ermutigte ich ihn darin, weiterzuschreiben. Ich sah es als eine mögliche Zukunftsperspektive für ihn, aber natürlich war mir nicht bewusst, dass jenes Wegsperren den jungen, hübschen Mann gebrochen hatte, den ich einst kannte.

      Als dann also sein erster Roman veröffentlicht wurde, schickte er mir ein Exemplar und wies mich auf die Stellen hin, in denen es um mich ging. Ich habe das auch immer als Dankeschön für meine Ermunterungen angesehen, die ihm in harten Zeiten Mut gemacht haben. Wie hart diese Zeiten tatsächlich gewesen sind, habe ich aber erst mitbekommen, als ich ihn wieder mal in Bochum besucht habe. Wir hatten die Idee, eine Lesung aus seinem Roman »Peggy Sue« mit Live-Musik von mir zu verbinden, vor allem natürlich mit Buddy-Holly-Songs. Ich habe später sogar ein Album mit jenen Songs produziert. Als ich ihn lange Zeit später wieder mal in Bochum traf, waren die 1990er Jahre lange vorbei. Unsere Leben hatten sich radikal geändert. Er war jetzt Schriftsteller und ich hatte die Musik größtenteils für eine Karriere als Fernsehproduzent hinter mir gelassen. Ich schrieb praktisch keine Songs mehr, aber dann kam Wolfgang und weckte wieder meine Inspiration …

       Wolfgang Welts Bücher sind nun bei Weitem keine Bestseller, aber im Segment der Pop-Literatur sind sie in Deutschland nicht nur populär, sondern werden mitunter sehr geliebt. Konnten Sie auch ein erstarktes Interesse an Ihrer Musik im Zuge seiner Texte erkennen, vor allem nachdem er zum Suhrkamp-Autor wurde?

      Ich habe da einen ganz guten Überblick, weil ich auf meiner Website alle meine Alben zwischen 1965 und 1996 anbiete. Und nach Großbritannien kommen die meisten Käufer tatsächlich aus Deutschland, deutlich mehr als etwa aus Frankreich oder den Niederlanden, wo ich in der Vergangenheit genauso präsent war. Ich könnte mir schon vorstellen, dass Wolfgangs Thematisierung meiner Person und meiner Kunst einen Publicity-Effekt für mich hatte. Das und sicherlich auch unsere gemeinsamen Performances.

       Haben Sie mitbekommen, wie seine Krankheit schlimmer wurde?

      Während seiner letzten Jahre haben wir uns noch einmal in Bochum getroffen, um gemeinsam aufzutreten. Diese Lesungen seiner Texte mit meiner Musik waren immer sehr populär und manchmal wurden sie sogar im WDR übertragen. Bisweilen konnten wir offen darüber sprechen, was mit ihm passierte. Ich glaube, dass es die Behandlung war, die ihn so zerstört hat. Er wurde in einem kleinen Raum gehalten wie in einer Gefängniszelle; die Langzeitfolge davon war, dass er nicht mehr ruhig stehen konnte. Wenn er zum Beispiel auf den Zug wartete, lief er immer in einem kleinen Quadrat auf und ab, als würde er die Wände einer kleinen Zelle ablaufen. Und da waren da noch die Medikamente, die er nehmen musste; sie waren wichtig für ihn, vertrugen sich aber nicht mit seiner Vorliebe für »Moritz-Fiege«-Bier. Es war insgesamt keine angenehme Erfahrung, den körperlichen Zerfall dieses einst so virilen Journalisten aus den 1970er Jahren zu beobachten. Aber sein Geist war stets wach und er nahm das Leben von seiner lustigen Seite, auch wenn er nun als Nachtwächter des Schauspielhauses arbeitete. Wobei das Theater das zweitwichtigste in seinem Leben war, nach dem Schreiben natürlich, und ich sah auch, wie beliebt er bei seinen Arbeitskollegen war.

       Sie erwähnten bereits, dass Sie des Deutschen nicht mächtig sind. Sicherlich würden Sie aber gerne Wolfgangs Bücher mal lesen.

      Wolfgangs Romane wurden ja nie übersetzt, das stimmt. Ich wollte ihm zu Lebzeiten allerdings bei der Suche nach einem englischen Verleger behilflich sein. Ich habe einen Übersetzer in Salisbury daraufhin damit beauftragt, ein Probekapitel aus »Peggy Sue« zu übertragen. Aber die Übersetzerin war eher hochkulturell geprägt und sie fühlte sich von dem Text regelrecht beleidigt, sodass sie sich weigerte, ihn weiter zu übersetzen. Also gab ich das Kapitel einer Bekannten, die beider Sprachen mächtig war, und fragte sie, was denn das Problem mit dem Text sein könnte. Sie musste über den Inhalt und die ganze Situation laut lachen, wollte mir aber partout nicht sagen, warum. Ich bekam den Eindruck, dass das ganze wohl für zu ›schmutzig‹ oder verwegen gehalten wurde, und gab dann auf. Erst Jahre später, in den 2000er Jahren, bat ich Wolfgang, mir seine Werke doch mal zusammenzufassen. Es war wie eine Art Interview, ich machte mir viele Notizen. Am Ende verstand ich, warum meine Übersetzerinnen da nicht so kooperativ waren. Und das war noch vor »Fischsuppe«!

      Dazu kommt sicherlich, dass die Romane ein sehr deutsches Setting haben und ich mir nicht sicher bin, ob eine Übersetzung so viel Sinn ergeben würde. Aber vielleicht würden sie ja im Kontext der britischen Kitchen-Sink-Tradition funktionieren.

      Sollte man die Werke verfilmen, nur rein spekulativ, würde ich sie weiterhin in Deutschland spielen lassen und möglicherweise englische Untertitel hinzufügen, und das Ganze würde bei uns funktionieren. Wolfgangs Humor würde in England gut verstanden werden, aber das deutsche Setting wäre natürlich trotzdem elementar. Wir hatten mal diese TV-Serie hier, »Auf Wiedersehen, Pet«, die von 1983 bis 2004 lief und sehr populär war. Es war eine englische Produktion und handelte von Leuten aus der britischen Arbeiterklasse, die in Deutschland arbeiteten.

       Nach seinem Tod haben Sie einen Song für Wolfgang Welt geschrieben, der auch auf der Ausstellung verkauft wurde …

      Davor hatte ich schon ein Lied namens »If I Had To Write The Book« geschrieben, in dem es darum geht, wie es sich anfühlt, eine Biografie zu schreiben. In dem Song geht es um einen alten Typen, im Grunde um mich, der sich an Etappen und Menschen seines Lebens erinnert und darüber, wie man die Fakten für sich neu arrangiert, damit es besser aussieht als es vielleicht war. Der Song war beeinflusst von Wolfgang, der niemals das Negative versteckte, um sich selbst in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Nicht viele Schriftsteller sind mutig genug, so ehrlich und rücksichtslos gegen sich selbst zu sein. Wolfgang hatte die Gabe, dem Unglück den Stachel zu ziehen, indem er in gewissen Situation das Humorvolle betonte – vor allem in jenen, über die er keine Kontrolle ausüben konnte. Nach »If I Had To Write The Book« schrieb ich »Wolfgang« und sang beide Stücke vor einem kleinen Publikum im Theater unter Tage. Wolfgang war auch dabei, er kommentierte sie aber nicht, obwohl ich sie ihm gewidmet hatte. Er war ja ein sehr bescheidener Mensch. Nach Wolfgangs Tod habe ich die letzte Strophe des Songs aktualisiert. Im Original wurde ja bereits unsere gemeinsame Geschichte erzählt, es brauchte nun aber ein neues Ende. Ich denke, es ist für mich einfacher, die Gedanken über meinen Freund in einem Lied auszudrücken. Letztlich sind die meisten Antworten auf Ihre Fragen in


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