Sperrgebiet!. Susanne Klein

Sperrgebiet! - Susanne Klein


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EINHUNDERTZWÖLF

       EINHUNDERTDREIZEHN

       EINHUNDERTVIERZEHN

       EINHUNDERTFÜNFZEHN

       EINHUNDERTSECHZEHN

       EINHUNDERTSIEBZEHN

       EINHUNDERTACHTZEHN

       EINHUNDERTNEUNZEHN

       EINHUNDERTZWANZIG

       Epilog

       PROLOG

      Erotik knisterte unter dem festlich eingedeckten Tisch, an dem er mit sieben weiteren angehenden Ärzten aus seinem Semester saß und das Dessert einnahm. Es war der Abschluss eines vorzüglichen Menüs, das im Rahmen des Medizinerballs kredenzt wurde. Sie alle waren in weiblicher Begleitung. Seine Tischdame saß ihm gegenüber und hatte einen ihrer High Heels diskret abgestreift. Mit dem schuhlosen Fuß suchte sie sich den Weg bis in seinen Schritt und leckte sich währenddessen imaginäre Reste der cremig geschlagenen Sahne von ihren Lippen. So kannte er sie gar nicht – aber es gefiel ihm. Sehr sogar. Ein großer Schluck seines Champagners verlagerte für Sekunden seine Erregung in den Kopf und er konnte einen Augenblick lang versuchen, den Aussagen der Professorengattin, die links neben ihm saß, zu folgen. Vergeblich, denn der Fuß hatte sein Ziel gefunden. Eine Erektion war zwangsläufig und nicht aufzuhalten. Auch nicht mit einem weiteren Glas Champagner. Er breitete eine Serviette auf seinem Schoß aus während er versuchte, Frau Professor und ihrem Monolog über die neue Satzung des ortsansässigen Reitclubs zu folgen. Leicht benommen vernahm er die scheinheilige Frage seiner Tischdame: „Schatz, geht’s Dir nicht gut?“ Zu einer Antwort war er nicht imstande. In seinem Hirn hatten sich schon zu viele Synapsen verbunden, die einen Orgasmus auf keinen Fall mehr verhindern wollten. „Komm, ich bringe Dich mal an die frische Luft“, sagte sie. Dieses Luder. Der Professor stand ebenfalls auf, als sie sich erhob und bot seine Hilfe an. Geschickt ignorierte sie das Angebot und kümmerte sich fürsorglich um das Wohlergehen ihres Freundes. So begleitete sie ihn und seinen Riesenständer in die Katakomben des Unigeländes. Nichts von seiner Lust hatte nachgelassen, ganz im Gegenteil. Er schmiegte sich an ihren tadellosen jungen Körper und versuchte, sie auf dem Weg nach unten zu küssen. Ihr Abwehrverhalten steigerte seine Erregung ins Unendliche und als er sah, was sie vorhatte, konnte er sich kaum noch zügeln. Sie hatte ihn in den Untersuchungsraum der pathologischen Abteilung gebracht und drängte ihn sanft Richtung Seziertisch, der zuvor in seine vertikale Position gefahren worden war. Sie fixierte ihn an Füßen und Händen und betätigte den Knopf, der ihn und den Tisch in die Horizontale versetzte. Sollte sie nicht besser abschließen?

      Das Licht wurde grell und die Folter begann.

       EINS

      Erika Walter hatte, wie sich im Laufe der polizeilichen Ermittlungen herausstellen sollte, ziemlich genau ihr siebenundsechzigstes Lebensjahr vollendet, als sie verschwand und in einem Bett aus Moos, Sand und Heidekraut für lange Zeit ihre vorletzte Ruhe fand. Leicht bedeckt und umgeben vom vertrockneten Laub der vielen zurückliegenden Jahre. Eingebettet in einen sogenannten Bombentrichter, einer mahnenden Hinterlassenschaft aus früheren Zeiten.

      Sie war zu Lebzeiten sage und schreibe fünfmal verheiratet gewesen und hatte, so informierte jedenfalls das Stammbuch der Stadt Rösrath, einen heute 46-jährigen Sohn, dessen Vater unbekannt bleiben sollte. Der Junge hatte in seiner Kindheit, aus Gründen des Lebenswandels seiner Mutter, unterschiedliche Einrichtungen, aber auch Pflegefamilien durchlaufen und wurde zur Adoption freigegeben, konnte jedoch trotz aller Bemühungen nie erfolgreich vermittelt werden. Beider Lebensumstände ließen sich erst nach und nach, durch die Verkettung der Ereignisse, in einem fortgeschrittenen Stadium der Recherche erahnen. Nämlich, als es schließlich und endlich gelang, Frau Walter zu identifizieren und ihren Tod zu rekonstruieren.

      Dabei stellte sich heraus, dass Erika Walter nach dem Ableben ihres letzten Ehegatten zwar sehr reich, dann aber äußerst unauffällig, zurückgezogen, mit wenig Kontakt zur Außenwelt und ohne Verbindung zu ihrer Familie gelebt hatte, sodass sie nach ihrem Abgang nicht vermisst worden war. Niemand bekam mit, dass sie ihr Haus verlassen hatte und nicht wieder dorthin zurückgekehrt war. Das Leben hatte sie eingeholt, ihr die Jahre der Missachtung seiner Güte vorgeworfen und schließlich Gerechtigkeit gefordert.

      Entdeckt hatte ihre Überreste ein unbeteiligter Fahrradtourist, beziehungsweise war sein Hund beim Stöbern und Markieren seines neuen Reviers auf das, was von Frau Walter übrig geblieben war, gestoßen. Der Rüde schnüffelte mit aufrechtstehender Rute am Boden des großen Kraters, der mitten im Gelände durch einen Bombeneinschlag bei einer Truppenübung vor vielen Jahren entstanden war. Dort, wo das Laub nicht mehr hoch genug lag, hatte der Vierbeiner die Einzelteile gefunden und sie aufgewühlt. Die Knochen waren stark verwittert, an einigen Stellen deutlich nachgedunkelt und auf Distanz – zumindest für einen Laien – nicht mehr auf Anhieb als menschliches Skelett erkennbar. Deshalb war Josef Gruber, so hieß der Mann aus Bayern, der auf seiner Fahrradtour das Areal der Wahner Heide erkundete, bei seinem Fund fast geneigt, einfach weiterzuradeln. Aber eben sein Hund, ein Bayerischer Gebirgsschweißhund mit ausgeprägtem Jagdinstinkt, wollte nicht mehr von seiner appetitlichen Beute lassen und knabberte euphorisiert am Wadenbein der Frau Walter. Zwar verzichtete der Rüde auf das sonst übliche Apportieren, knurrte aber besitzanzeigend, als sein Herrchen zu ihm herunterstieg und ihn am Halsband wegzuzerren versuchte. Nicht nur, weil sich der Hund zu einem unberechenbaren Hüter des für ihn äußerst reizvollen Fundes entwickelte und genüsslich weiternagte, sondern auch, weil die Anordnung des Knochengebildes, das vor ihm lag, auf den zweiten Blick, und wenn man es wieder zusammenlegen würde, durchaus dem eines Menschen ähnelte, wählte Josef Gruber schließlich die 110 und informierte die Polizei über seine Entdeckung.

      „Wo in etwa befinden Sie sich denn, Herr Gruber?“

      „Jo mei, des woass i doch ned“, bayerte er.

      Da sich sein Standort so ohne weiteres am Telefon geografisch nicht zuordnen ließ, rückten Streifenwagen aus unterschiedlichen Wachen an und suchten erst einmal nach ihm und seiner Entdeckung. Immerhin erstreckt sich die Wahner Heide östlich der Stadt Köln über 28 Kilometer in nordnordwestliche Richtung und nimmt eine Gesamtfläche von unüberschaubaren etwa 177 Quadratkilometern ein. Erst nach Ortung seines Handys fanden sie ihn schließlich – fernab seiner mehr als vagen Angaben.

      „Herr Gruber?“, fragte einer der Polizisten.

      „Joa, wer bitt schee soanst?“, gab dieser die Frage genervt zurück.

      „Danke, dass Sie uns verständigt und hier gewartet haben, Herr Gruber.“

      „Bassd scho!“

      Die Beamten stiegen in den Trichter hinab, zogen Herrn Gruber hoch an den Rand und baten ihn an Ort und Stelle zu bleiben, um keine weiteren Spuren zu verursachen.

      „Und leinen Sie Ihren Hund bitte an!“ Verständlich, denn der befand sich immer noch mittendrin in dem Knochengebilde und verwechselte es offenbar mit der Feinkostabteilung von Fressnapf. Als die Rufe und Pfiffe von Herrn Gruber den Hund nicht bewegten, sein Revier zu verlassen, half nur ein Schuss in die Luft aus der polizeilichen Dienstwaffe. Und schon verschwand er wie vom Blitz getroffen.

      „Kruzifix,


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