Chemie für den Badebetrieb. Helmut Russ
Bei den bisher beschriebenen Atombindungen handelt es sich ausschließ-lich um Einfachbindungen. Dies bedeutet, dass nur ein gemeinsames Elektronenpaar vorliegt.
Sauerstoff hat sechs Außenelektronen. Um den Edelgaszustand zu erreichen, müssen zwei Sauerstoffatome zwei gemeinsame Elektronenpaare bilden. Man nennt diese Bindung Zweifach- oder Doppelbindung. Auch Doppelbindungen kann man in jeder der in Kapitel 3.1.1.1 aufgeführten vier Schreibweisen darstellen.
a) b)
c) d) O2
In der Schreibweise a), b) und c) ist erkenn-bar, dass eine Doppelbindung vorliegt. In der Schreibweise d) ist das nicht erkennbar.
Dreifachbindung
Stickstoff-Atome, die nur fünf Elektronen auf der äußeren Schale haben, müssen sogar drei gemeinsame Elektronenpaare bilden, um die Edelgaskonfiguration zu erreichen. Man nennt das Dreifachbindung.
a) b)
c) d) N2
Auch Dreifachbindungen sind in den Schreibweisen a), b) und c) erkennbar, in Schreibweise d) nicht.
Chemische Bindungen
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Atombindungen zwischen verschiedenen Atomen
Wenn ein Wasserstoff-Atom mit einem Chlor-Atom reagiert, so geschieht das folgendermaßen: Das Elektron des Wasser-stoff-Atoms bildet mit dem 7. Elektron der M-Schale des Chlor-Atoms ein gemeinsa-mes Elektronenpaar. Das Wasserstoff-Atom hat nun zwei Elektronen (nämlich das gemeinsame Elektronenpaar) auf seiner K-Schale, das Chlor-Atom hat auf seiner M-Schale ebenfalls dieses gemeinsame Elektronenpaar und außerdem die sechs Elektronen, die zu ihm alleine gehören. Somit haben beide Atome die Edelgaskon-figuration ihrer äußeren Schale erreicht.
a) b)
c) d)
Beachte: Auch Elektronen unterschiedli-cher Schalen (hier der K-Schale und der M-Schale) können problemlos ein gemein-sames Elektronenpaar bilden.
Wenn Sauerstoff mit Wasserstoff reagiert, dann bildet je ein Wasserstoff-Atom mit dem 5. und dem 6. Außenelektron des Sau-erstoff-Atoms ein gemeinsames Elektro-nenpaar. Dadurch erreicht jedes der beiden Wasserstoff-Atome seine K-Schalen-Edel-gaskonfiguration (zwei Elektronen auf der K-Schale) und auch das Sauerstoff-Atom erreicht seine L-Schalen-Edelgaskonfigura-tion. Es hat vier Elektronen für sich alleine und je ein gemeinsames Elektronenpaar mit jedem der beiden Wasserstoff-Atome; also insgesamt acht Elektronen auf der L-Schale. Für diese Reaktion benötigt jedes Sauerstoff-Atom zwei Wasserstoff-Atome.
a) b)
c) d) H2O
Wenn eine Atombindung zwischen zwei verschiedenen Atomen vorliegt, dann wird das gemeinsame Elektronenpaar von den beiden Atomkernen unterschiedlich stark angezogen: von dem elektronegativeren Atom stärker, von dem weniger elektrone-gativen Atom weniger stark. Deshalb befin-det sich das gemeinsame Elektronenpaar nä-her beim elektronegativeren Atom; man sagt auch: Das Bindungselektronenpaar ist zum elektronegativeren Partner hin verschoben. Man kann diese Elektronenverschiebung durch zwei verschiedene Schreibweisen darstellen:
a) Keilschreibweise
Die breite Seite des Keils zeigt, in welche Richtung die Bindungselektronen verscho-ben sind.
b) Dipolschreibweise
Das Atom mit der höheren Elektronegativi-tät bekommt eine leicht negative Ladung. Diese ist geringer als die Ladung eines gan-zen Elektrons. Man bezeichnet sie deshalb Partialladung (Teilladung) und bezeichnet sie mit dem griechischen Buchstaben Delta als δ-. Von dem weniger elektronegativen Atom ist das gemeinsame Elektronenpaar weiter entfernt. Dadurch bekommt dieses Atom eine geringe positive Partialladung (δ+). Das Molekül ist nach außen hin als Ganzes neutral, die Ladung des gesamten Moleküls ist Null. Innerhalb des Moleküls ist die Ladung jedoch ungleich verteilt:
Chemische Bindungen
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Beim Wassermolekül liegt noch eine wei-tere Besonderheit vor: Die beiden (partiell positiv geladenen) H-Atome stoßen sich gegenseitig ab. Dadurch vergrößert sich der Winkel zwischen ihnen von 90° auf 105°. Eine weitere Molekülspreizung verhindern die beiden freien ungepaarten Elektronen-paare des Sauerstoff-Atoms.
Entstehung des Winkels von 105° im Wassermolekül
Wiederholungsfragen
1. Erklären Sie die Entstehung der kova-lenten Atombindung am Beispiel F2!
2. Was ist der Grund dafür, dass unedle Gase immer molekular vorliegen?
3. Schreiben Sie die chemische Formel des Ammoniaks (NH3) in den vier Formel-schreibweisen!
4. Erklären Sie die Entstehung eines Dipols am Beispiel des Wassermoleküls!
5. Welches Molekül ist stärker polarisiert: H2O oder H2S?
(Siehe Tabelle 2.1 Elektronegativitäten von Hauptgruppenelementen)
Das Molekül hat einen positiven und einen negativen Pol. Man nennt es deshalb ein Di-pol-Molekül, weil räumlich 2 verschiedene Ladungsschwerpunkte vorhanden sind.
z.B.
Je größer die Differenz zwischen den Elek-tronegativitäten (∆EN) der an der Atombin-dung beteiligten Atome ist, desto stärker ist der Dipolcharakter des Moleküls oder man sagt auch: desto stärker ist die Atombindung polarisiert.
z.B. H-F: F: EN = 4,0
H: EN = 2,1
∆EN = 1,9
Man ermittelt die Elektronegativitätsdiffe-renz (∆EN), indem der kleinere EN-Wert vom größeren EN-Wert subtrahiert wird. (siehe Tabelle 2.1)
z.B. H-Br Br: EN: = 2,8
H : EN: = 2,1