Transkulturelle Kommunikation. Andreas Hepp

Transkulturelle Kommunikation - Andreas  Hepp


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in kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive:

      »Im Gegensatz zur interkulturellen Kommunikation, die dazu tendiert, Kontakte zwischen Individuen unterschiedlicher, als einzelne Entitäten gedachter Kulturen zu studieren, geht transkulturelle Kommunikation davon aus, dass alle Kulturen grundsätzlich gemischt sind. [Das Konzept] versucht die Tiefe, Reichweite und Ausrichtung verschiedener Ebenen von Hybridität in sozialer – und nicht individueller – Hinsicht zu verstehen. Kritischer Transkulturalismus integriert sowohl diskursive als auch politisch-ökonomische Analysen in die Untersuchung von internationaler Kommunikation und Kultur.« (Kraidy 2005: 149)

      Die Etablierung des Begriffs der transkulturellen Kommunikation verweist demnach auf eine spezifische Reflexion von medialer Globalisierung (siehe die Beiträge in Hepp/Löffelholz 2002): Wenn wir von einer Globalisierung der Medienkommunikation ausgehen können, so müssen wir in der Konsequenz anders über grenzüberschreitende Kommunikation nachdenken, als dies mit klassischen Paradigmen der internationalen und interkulturellen Kommunikation der Fall war. An dieser Stelle treffen sich bemerkenswerterweise so unterschiedliche Theorietraditionen wie die der Systemtheorie, der Cultural Studies und der Medienanthropologie.

      Für ein angemessenes Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation erscheint es hilfreich, sich zuerst einmal die Genese dieses Konzepts zu vergegenwärtigen. So wird hierunter nicht einfach in einer ökonomischen Konzeptionalisierung das Entstehen von global agierenden Medienkonzernen und deren sich steigernde weltweite Macht gefasst. Das Konzept ist ungleich komplexer. Zu sehen ist es erst einmal in der Kritik des Ansatzes des Kulturimperialismus, wonach eine zunehmende weltweite Verbreitung von Medienkommunikation letztlich mit der (kulturellen) Machtausübung einer Nation im Zentrum über eine Nation in der Peripherie gleichzusetzen wäre (Galtung 1972: 35), was gerne als Amerikanisierung gedacht[25] wird. So endet der britische Kultursoziologe John Tomlinson (1991: 175) seine umfassende Darstellung der Entwicklung dieses Ansatzes des Kulturimperialismus mit dem Satz: »Was Imperialismus ersetzt, ist Globalisierung.« Diese zugespitzte Aussage verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt ihrer Äußerung die weltweite grenzüberschreitende Kommunikation ein Maß an Komplexität erreicht hat, mit der diese nicht (mehr) hinreichend mit Vorstellungen national-imperialer Strukturen gefasst werden kann: Das Hollywood-Studio COLUMBIA PICTURES ENTERTAINMENT INC. wurde mit SONY von einem japanischen Unternehmen übernommen, aber auch lateinamerikanische bzw. indische Medienunternehmen begannen in den Westen »zurückzukommunizieren« (siehe überblickend zu dieser Thematik Boyd-Barrett/Thussu 1992; Tomlinson 2002). Das Konzept der Globalisierung der Medienkommunikation versprach eine größere Komplexität der Theoriebildung als das des Kulturimperialismus.

      Hiermit fügte sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft in den allgemeinen Diskurs der Sozialwissenschaften ein. Verschiedene sozialwissenschaftliche Theoretiker forderten, den bestehenden sozialwissenschaftlichen Begriffsapparat im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung zu überdenken (siehe beispielsweise Appadurai 1996; Beck 1997; Giddens 1996; Hannerz 1996). Solche Überlegungen aufgreifend argumentiert insbesondere John Tomlinson (1999) dafür, im kulturellen Bereich Globalisierung nicht mit der Homogenisierung einer »globalen Kultur« (Featherstone 1990) gleichzusetzen. Umgekehrt kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass Globalisierung kulturell folgenlos wäre. Globalisierung bezeichnet in einer solchen Perspektive – wie bereits in der Einleitung formuliert – die Zunahme einer »komplexen Konnektivität« nicht nur von Eliten, sondern ebenso auf der Ebene des Alltagslebens einer großen Zahl von Menschen. Diese Konnektivität hat verschiedene Dimensionen. Entsprechend ist es möglich, die Globalisierung der Medienkommunikation als die weltweite Zunahme einer kommunikativen Konnektivität zu begreifen (Hepp 2004: 125–135; siehe auch Hepp et al. 2005). Mit dieser geht als Kulturwandel eine Deterritorialisierung einher, d. h. ein Aufweichen der scheinbar natürlichen Beziehung zwischen Kultur und geografischen bzw. sozialen Territorien (García Canclini 1995: 229). Konkret wird dies an Beispielen von Kulturprodukten wie (Welt-)Musiktiteln, die durch die Konnektivität des Internets an fast allen Orten verfügbar sind, an Fernsehformaten wie »Idol«, die in verschiedensten Ländern Verbreitung finden, an Bollywood-Filmen, die weit über den indischen Kontinent hinaus Zuschauerinnen und Zuschauer haben, oder an Kontakten vieler Reisender und Migrantinnen bzw. Migranten, die sich über Internet und Social Web managen und aufrechterhalten lassen. Dies darf aber nicht zu verkürzenden Vorstellungen verleiten, die Globalisierung der Medienkommunikation mit einer Grenzenlosigkeit derselben gleichsetzen (Hafez 2005). Wir haben es beispielsweise in Bezug auf die arabische Welt mit einer Reterritorialisierung einer panarabischen Öffentlichkeit zu tun. Gleichwohl bedeutet die Globalisierung der Medienkommunikation, dass wir diese[26] nicht in einer rein westlichen Perspektive erfassen können. Ein »De-Westernizing« der Kommunikations- und Medienforschung erscheint notwendig (Curran/Park 2000; Gunaratne 2010; Nyamnjoh 2011; Ray 2012; Thussu 2009). Gemeint ist damit, dass hinterfragt werden sollte, inwieweit die anhand westlicher Medienkulturen und Mediensysteme entwickelten Begrifflichkeiten hinreichend sind, um Medienphänomene in der gesamten Welt zu erfassen.

      In einer solchen allgemeinen Diskussion wurde verstärkt der historische Charakter der Globalisierung von Medienkommunikation betont. An dieser Stelle ist auf die Arbeiten des französischen Kommunikations- und Informationswissenschaftlers Armand Mattelart zu verweisen. Dieser verortet die Anfänge der gegenwärtigen »globalen Vernetzung« im Aufbau der ersten Telegrafenleitungen des 19. Jahrhunderts (Mattelart 1999: 15–36). Ebenso zeigt er, dass heutige Vorstellungen der Informationsgesellschaft ihre Wurzeln in Utopien des 17. und 18. Jahrhunderts haben (Mattelart 2003: 9–26). Wir müssen gegenwärtige Schübe der Globalisierung der Medienkommunikation also in ihrem weiteren historischen Kontext sehen, der letztlich auf eine – wenn auch nicht linear – fortschreitende Mediatisierung von Kultur und Gesellschaft verweist (Krotz 2005): Umfassende Kommunikationsbeziehungen zwischen verschiedenen Regionen der Welt bestanden auch früher. Mit der technischen, sich mehr und mehr vervielfältigenden Vermittlung dieser Kommunikationsbeziehungen besteht die Differenz allerdings einerseits in der alltagsweltlichen Reichweite der heutigen kommunikativen Konnektivität. Andererseits besteht die Differenz darin, dass diese kommunikative Konnektivität in Echtzeit möglich ist und so eine umfangreiche medienvermittelte Synchronität gestattet. In einer solchen Einordnung ist die Globalisierung der Medienkommunikation kein vollkommen neues Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts. Allerdings findet in diesem Zeitraum eine umfassende »Radikalisierung« derselben statt: Wir haben es mit einer durch die elektronischen Medien sprunghaft steigenden Zunahme der alltagsweltlichen Relevanz und Synchronität von kommunikativer Konnektivität zu tun.

      Insgesamt können wir damit ein ambivalentes Verhältnis zwischen den Konzepten der Globalisierung der Medienkommunikation und dem der transkulturellen Kommunikation ausmachen: So ist die umrissene Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation der weitergehende Horizont eines Diskursstrangs, in dem sich das Konzept der transkulturellen Kommunikation etablierte und zu einem Ansatz entwickelte. Gleichzeitig allerdings versucht Letzterer die Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation fortzuführen und zu konkretisieren. Mit der Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation ist der Versuch verbunden, die in der Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation allgemein konstatierte, zunehmende weltweite kommunikative Konnektivität genauer zu fassen. Wodurch zeichnet sich Medienkommunikation aus, wenn diese kulturübergreifend geschieht? Wie ist transkulturelle Medienkommunikation empirisch adäquat zu beschreiben? Es sind solche, auf eine empirische Kommunikations- und Medienforschung [27] zielende Fragen, die mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation verbunden sind.

Postkoloniale Kritik

      Ein zweites Diskursfeld des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist das der postkolonialen Kritik. Wie der Begriff schon verdeutlicht, handelt es sich dabei um ein interdisziplinäres Feld, zu dem neben Arbeiten der Kommunikations- und Medienforschung auch die der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie und literaturwissenschaftliche Untersuchungen gehören. In diesem Feld ist allerdings weniger der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation verbreitet, als der der Transkulturalisierung (engl. »transculturation«) etabliert. Dieser geht insbesondere auf eine Studie des kubanischen Kulturanthropologen Fernando Ortiz aus dem Jahr 1940 zurück. In seiner Untersuchung mit dem englischen Publikationstitel


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