Studieren und Forschen mit Kind. Annette Caroline Cremer

Studieren und Forschen mit Kind - Annette Caroline Cremer


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      Diese Zahlen zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Geschlecht (männlich/weiblich), Karriereweg und der Entscheidung für oder gegen eine Familiengründung gibt. Männer holen die Elternschaft auf dem Weg zur (für sie gegenüber den weiblichen Mitstreiterinnen wesentlich häufiger erfolgreichen) Professur oft nach, während Frauen sich offenbar immer noch zwischen Karriere und Elternschaft entscheiden (müssen).

      Zusammenfassend lassen sich folgende Aussagen treffen: 1. Der Karriereweg von Frauen an den Hochschulen ist immer noch schwierig, wenn auch im Vergleich deutlich verbessert. 2. Frauen, die das Berufsziel Professur verfolgen, bleiben häufig kinderlos. 3. Da Mutterschaft biologisch nur schwer nachgeholt werden kann, existiert eine große Diskrepanz zwischen Frauen und Männern in Bezug auf die Kinderlosigkeit.

       1.5 Mütter und Väter: Ein bedeutsamer Unterschied

      Frauen und Männer, die studieren, haben inzwischen die gleichen Bedingungen und die gleichen Chancen während des Studiums. Dies ändert sich jedoch meist, sobald sie zu Müttern oder Vätern werden. Nicht etwa, weil sich damit die Grundbedingungen des Studierens ändern würden, sondern weil – oft auch gegen den Willen der Mütter und Väter – mit der Familiengründung eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen stattfindet: Müttern wird stärker die Aufgabe der Kinderbetreuung und ‑erziehung, Vätern die Aufgabe der Familien­finanzierung überantwortet. Entgegen aller Tendenzen zur Gleichberechtigung lässt sich dies nach wie vor beobachten, besonders während der Säuglings- und Kleinkindphasen. Je älter und damit meist selbstständiger die Kinder werden, desto besser lassen sich die Retraditionalisierung und die (oft unbewusste) Festlegung auf die Erfüllung bestimmter Geschlechterrollen wieder abschwächen.

      Ein Kind zu bekommen bedeutet neben der Übernahme von Verantwortung für einen anderen Menschen zweierlei: eine Veränderung der eigenen Bedürfnisse und eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit. Bereits die Schwangerschaft kann für die Mutter körperlich anstrengend sein und zu mehr Ruhebedürfnis und damit geminderter Belastbarkeit führen. Ist das Kind geboren, müssen die Eltern meist mit sehr viel weniger Schlaf auskommen, besonders die Mütter, die ihre Kinder stillen. Das Kümmern um die Kinder, also das Herumtragen, Wickeln, Umziehen, Füttern, Beruhigen, Spielen usw., ist keine Nebensache, sondern ein anstrengender ‚Job‘. Auch unter idealen Betreuungsbedingungen, die täglich ein paar kinderfreie Stunden ermöglichen, sind Eltern, vor allem aber die Mütter körperlich belasteter und oft müde, sodass das eigene Bedürfnis nach mehr Schlaf oder danach, viel Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen, gepaart mit der vielleicht fehlenden Betreuung dazu führt, eine abendliche universitäre Pflichtveranstaltung ausfallen zu lassen oder das Semesterprogramm insgesamt ‚abzuspecken‘. Dies bewirkt automatisch eine Verlangsamung des Studiums.

      Es ist wichtig, an dieser Stelle folgendes zu betonen: Das ist völlig in Ordnung so! Denn hier beginnt die Aufgabe der Institutionen, die durch strukturelle Maßnahmen die Teilhabe am Studium trotz der veränderten Lebenssituation der studierenden Mütter und Väter ermöglichen müssen.

      In eben dieser Situation fällt bei Paaren mit ähnlichem Lebensalter, die sich in der gleichen Ausbildungsphase befinden, oft die Entscheidung für die oben genannte Retraditionalisierung, um in Hinblick auf die Finanzierung der Familie wenigstens einem der Partner ein ‚normales‘ und damit möglichst schnelles Durchlaufen des Studiums zu ermöglichen. Bei Beziehungen, in denen der Partner bereits Geld verdient, lastet meist weniger Vereinbarkeitsdruck auf der Mutter, die sich wegen der finanziellen Versorgung etwas mehr Zeit lassen darf, ihre Ausbildung erfolgreich abzuschließen.

      Bei Paaren mit prekärer finanzieller Situation und noch stärker bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern wird die Vereinbarkeitsfrage nicht zur Möglichkeit, sondern zum Muss. Vereinbarkeit zwischen Studium und Kind muss gelingen, weil das Wohl und die Zukunft der Einelternfamilie von dem Erfolg der Mutter oder des Vaters in beiden Lebensbereichen abhängen.

      Trotz aller löblichen Auseinandersetzung um gleichberechtigte Partnerschaften und trotz der Idee der Chancengleichheit in Bezug auf die Berufsausbildung sieht die Wirklichkeit in Bezug auf die Vereinbarkeitsfrage nach wie vor meist so aus, dass das Herstellen der Vereinbarkeit immer noch primär auf den Schultern der Mütter lastet. Dieses Buch richtet sich daher zwar an alle Personen, die Familienverantwortung übernommen haben oder übernehmen wollen, fokussiert dabei aber trotzdem stärker auf Mütter als auf Väter.

      Beide, Mütter und Väter, unterliegen auch der Notwendigkeit, selbst eine Ausbildung zu absolvieren und sich finanziell unabhängig zu machen von externer Versorgung (etwa durch die eigenen Eltern oder staatliche Hilfen), um damit ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen gerecht zu werden. Aber – und das ist besonders wichtig – den Zeitpunkt, zu dem Sie Ihre Ausbildung, Ihr Studium und damit Ihre berufliche Karriere weiter verfolgen, ist Ihnen überlassen und lässt sich, zumindest in Grenzen, aufschieben. Sie haben also nicht nur die Wahl, was Sie tun wollen, sondern auch, wann Sie dies tun wollen. Inzwischen existieren genügend staatliche Modelle, die Ihnen genau diese Freiheit einräumen. Über die Fragen des ‚Was‘ und des ‚Wann‘ lohnt es sich, gründlich nachzudenken.

      Eine besondere Belastungssituation erfahren Eltern, die etwa Mehrlinge erwarten, oder Eltern von Kindern mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. Diese führen zu einer Vervielfachung der Anstrengungen und für die Mütter oft zum Ausstieg aus Ausbildung und Karriere. Diese Sondersituationen lassen sich schwer im Vorhinein absehen oder kalkulieren. Hier muss die Frage der Machbarkeit intensiv im Einzelfall geklärt werden.

      Im Folgenden wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung meist von ‚dem Kind‘ in der Einzahl gesprochen. Familien mit mehr als einem Kind sind dabei mitgedacht. Zwei, drei oder mehr Kinder stellen eine erhebliche Potenzierung der Vereinbarkeitsproblematik dar. Einerseits wird die Familienarbeit umfangreicher und benötigt mehr Zeit. Andererseits ergeben sich womöglich biografisch noch komplexere Situationen, weil sich die Kinder aufgrund des Altersunterschieds in verschiedenen Lebensphasen befinden.

       1.6 Alleinerziehende

      Wer sein Kind alleine großzieht, der verdient besonders eines: großen Respekt! Alleinerziehend zu sein, ist sehr anstrengend. Jedes Kind hat das Potenzial, die Eltern bis zur Erschöpfung ‚zu brauchen‘. Alleinerziehende Mütter (und Väter) sind die einzigen Ansprechpartner und Hauptbezugspersonen für das Kind. Die ‚Last‘ der Betreuung und die Zuständigkeit kann nicht (oder nur eingeschränkt) mit einem Partner geteilt werden und Verantwortung nicht abgegeben werden. Alleinerziehende haben daher nie ‚Pause‘, sie haben immer ‚Kinderdienst‘. Das ist sowohl seelisch als auch körperlich ermüdend, weil der alleinerziehende Elternteil der einzige ist, der das Kind den ganzen Tag im Tuch oder auf der Hüfte trägt, in den Kinderwagen oder den Laufstall hinein oder heraus hebt, es (gegen seinen Willen) an- oder auszieht und dabei gleichzeitig kocht, putzt und aufräumt. Spätestens in Krankheitsfällen, wenn zum Beispiel das Kind die ganze Nacht fiebert oder hustet oder nicht schlafen kann, ist die physische Belastung unter dem eigenen Schlafentzug groß.

      Auch mental ist die Situation belastend, weil alle Entscheidungsverantwortung für die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes bei einer Person liegt. Fragen wie etwa, ob das Kind ernsthaft krank ist und zum Arzt gebracht werden muss oder nur eine Erkältung hat oder ob eine Verhaltensauffälligkeit vielleicht durch einen Betreuungswechsel gelöst werden könnte, muss der oder die Alleinerziehende ganz alleine entscheiden und verantworten.

      Die Einelternfamilie birgt oft noch tiefgreifende emotionale Herausforderungen, so etwa die der zu engen Bindung zwischen beiden in Form einer gegenseitigen Fixierung, die zum Beispiel Fremdbetreuung schwierig macht. Auch kann die partielle oder aber auch dauerhafte Überlastungssituation des Elternteils dazu führen, dass er oder sie einen Groll gegen das eigene Kind entwickelt. Besonders aus diesen beiden Gründen brauchen Alleinerziehende regelmäßige Auszeiten und Unterstützung, damit sie in einer guten Weise Verantwortung für ihr Kind übernehmen können ohne zugleich ihr eigenes Leben und ihre


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