Demokratie? Frag doch einfach!. Martin Oppelt

Demokratie? Frag doch einfach! - Martin Oppelt


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die der RevolutionRevolution, in welcher eine sich selbst als SouveränSouverän setzende Nation, beziehungsweise deren als legitim erachtete Vertreter*innen, mit dem Sturz des monarchischen Souveräns die Ursprünge der Nation begründeten.

      Im deutschen Vormärz und der Revolution von 1848/49 verbanden sich zum Beispiel nationalistische Bestrebungen mit demokratischen Forderungen nach → Gleichheit und politischer Teilhabe. Bereits die Erfahrungen der demokratischen Revolution in Nordamerika und Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schienen zudem den Nationalstaat, also die Einheit von Volk, Staat und Territorium, als den bestgeeigneten Rahmen für die Umsetzung demokratischer Ideen auszuweisen. In seinen Ursprüngen war auch der Nationalismus eine Widerstandsbewegung gegen die absolutistisch-paternalistische Willkürherrschaft, die der Idee und Praxis der MonarchieMonarchie und der großen Imperien mit dem Nationalstaat ein Modell gegenüberstellte, das den Freiheits- und Gleichheitsansprüchen moderner Bürger*innen gerecht werden sollte. Mit Berufung auf den Willen der Nation, beziehungsweise des → VolkesVolk als wahrer Souverän wurden so die Macht- und Herrschaftsansprüche des Erbadels und des Klerus zurückgewiesen.

      Berühmt und prägend für die nationalstaatliche Demokratie war der so genannte Ballhausschwur im Zuge der revolutionären Ereignisse in Frankreich 1789. Als die Generalstände, die politische Vertretung der in Klerus, Adel und Dritter Stand gegliederten mittelalterlichen Ständegesellschaft, zusammenkamen, um dem König angesichts des drohenden Staatsbankrotts neue Steuern zu bewilligen, forderte der Dritte Stand, der vornehmlich aus dem Bürgertum, aber auch aus lohnabhängigen Angestellten, Handwerkern und Bauern bestand, politische Mitspracherechte ein. Die Abgeordneten des Dritten Standes schworen, „sich niemals zu trennen, bis der Staat eine VerfassungVerfassung hat […] und nur der Gewalt der Bajonette zu weichen“. Damit ermächtigte sich der Dritte Stand zur verfassungsgebenden Nationalversammlung (Assemblée Nationale) und läutete zugleich die Totenglocke für die absolutistische MonarchieMonarchie. Als Ludwig XVI.Ludwig XVI. (1754–1793) noch am gleichen Tag die Versammlung auflösen lassen wollte, verweigerte deren gewählter Präsident Jean-Sylvain Bailly (1736–1793) die königliche Anordnung mit den berühmt gewordenen Worten, wonach die versammelte Nation von niemandem Befehle entgegenzunehmen habe. Die Idee war also, dass die NationNation keine politischen Privilegien innerhalb ihrer Grenzen mehr zulassen und alle Staatsbürger*innen gleich behandeln würde. Diese emanzipatorische Stoßrichtung des Nationalismus beziehungsweise der Nationalstaatlichkeit war bis weit ins 20. Jahrhundert wirkmächtig, etwa im Rahmen der antikolonialen und postsowjetischen Befreiungsbewegungen oder der Gründung des Staates Israel als effizienter Schutzraum für ein Leben in Würde, FreiheitFreiheit und Sicherheit für die weltweit verfolgten Jüd*innen.

      Gleichzeitig bleibt aber zu hinterfragen, ob es unbedingt der Nationalstaat, sprich die Verwirklichung der Idee einer sprachlichen, kulturellen und mentalen Einheit namens Nation und deren zugrundeliegender Ideologie des Nationalismus sein muss, die den Rahmen für die Umsetzung demokratischer Ideen und Prinzipien ja nicht nur vorstrukturiert, sondern in gewisser Weise mit Leben füllt.

      Ist der Nationalstaat ein Hindernis für die Demokratie?

      Aus einer emanzipatorischen Perspektive wie zum Beispiel der des Marxismus ist der Nationalstaat durchaus ein Hindernis für die Demokratie. Laut Karl MarxMarx, Karl (1818–1883) und Friedrich EngelsEngels, Friedrich (1820–1895) entspringt die NationNation nämlich der AusbeutungAusbeutung der Arbeiter*innenklasse. Gleichzeitig dient sie ihrer Aufrechterhaltung. Denn der KapitalismusKapitalismus ist auf einen StaatStaat angewiesen, der das Eigentumsrecht garantiert, eine effiziente Produktion organisiert und die Klassentrennung, wenn nötig mit GewaltGewalt, aufrechterhält. Neben der nötigen Infrastruktur hat er zudem auch für die Erziehung der Bürger*innen zu sorgen, wobei dem NationalismusNationalismus die Rolle zukommt, nach dem Teile-und-Herrsche-Prinzip das Konkurrenzdenken zwischen den Nationen zu schüren, um gleichzeitig die Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse zwischen Kapital und Arbeit innerhalb der Nationalstaaten zu verschleiern. Für Marx und Engels aber haben die Arbeiter*innen eigentlich kein Vaterland, insofern sie ein gemeinsames Schicksal und den historischen Auftrag teilen, sich als Proletarier*innen aller Länder zu vereinigen und sich jenseits der Idee der Nation zum Kampf gegen die Herrschaft der Bourgeoisie und für die wahre, von aller Herrschaft befreite Demokratie zu mobilisieren. Aus dieser Perspektive ist die Form des Nationalstaats daher ein Hindernis für die demokratischen Prinzipien der GleichheitGleichheit und FreiheitFreiheit. Die marxistische Kritik am Nationalstaat (siehe auch die Frage zur marxistischen Staatskritik) bewahrheitete sich dann in gewisser Weise am imperialen Machtstreben der europäischen Nationalstaaten im 19. und 20. Jahrhundert. Ganz besonders in Deutschland zeigte sich der NationalismusNationalismus von seiner autoritär-aggressiven Seite, die eine vermeintliche Überlegenheit des deutschen Volks und der deutschen Nation gegenüber anderen Nationen und Völkern weltweit zur Grundlage einer chauvinistischen, rassistischen, militaristischen und imperialen Machtpolitik machte und schließlich in den Nationalsozialismus mündete. Hannah ArendtArendt, Hannah hat herausgearbeitet, inwiefern der Nationalismus aufgrund dieser Eigenschaften ein wesentlicher Wegbereiter und eine Stütze totalitärer Herrschaftspraktiken ist. Nationalismus und Nationalstaatlichkeit wandelten und wandeln sich also leicht von einer Befreiungsbewegung zur strukturellen Unterdrückung von Minderheiten innerhalb der eigenen nationalstaatlichen Grenzen sowie gegenüber als minderwertig betrachteten Nationen. „Nationalismus raus aus den Köpfen!“ ist daher ein auf antifaschistischen Demonstrationen oft geäußerter Slogan, weil vor dem Hintergrund der historischen Erfahrungen mit dem Faschismus in Nationalismus und Nationalstaatsdenken ein Grundübel und wesentliches Hindernis für emanzipatorische Bestrebungen und Demokratisierungsfortschritte auch in demokratischen Gesellschaften gesehen werden können. Zumal die exklusiven und exkludierenden Eigenschaften der Nation eben notwendig in einem starken Spannungsverhältnis zum demokratischen Prinzip der → Gleichheit stehen. Jacques DerridaDerrida, Jacques hat darauf hingewiesen, dass nationalistische kollektive Identitäten, die auf einer vermeintlich naturwüchsigen oder kulturell gewachsenen Zusammengehörigkeit aufbauen, zwangsläufig irgendwann zu gewaltvollen Mitteln greifen, um durch die Identifikation und Vernichtung vermeintlicher Feinde ihre Homogenität aufrecht zu erhalten. Der Politikwissenschaftler Benedict AndersonAnderson, Benedict (1936–2015) hat in gleicher Stoßrichtung darauf aufmerksam gemacht, dass die NationNation immer als eine Erfindung, eine Imagination betrachtet werden muss und nicht naturalisiert werden darf. Als solches Konstrukt konnte sie zwar in einer spezifischen historischen Konstellation ein enorm hohes Mobilisierungspotenzial entfalten und extrem effizient im KampfKampf gegen den Absolutismus und auch später noch gegen Willkürherrschaft und Unterdrückung von Freiheitsrechten eingesetzt werden. Dennoch bleibt es dabei: Nation und Nationalstaat sind historische und politische Konstrukte, die einen Anfang hatten und folglich auch irgendwann ein Ende haben können. Somit ist die historisch gewachsene Verbindung von Nationalstaat und Demokratie eben kontingent, also nicht zwingend notwendig.

      Literaturtipp | Wie formte Nationalismus die Welt? B. Anderson beschreibt in seinem Buch den Aufstieg und Fall von Nationen. Anderson, B.: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, Verso Books 2016.

      Wie hat sich die Idee demokratischer Staatlichkeit entwickelt?

      Der StaatStaat als spezifische Organisationsform menschlichen Zusammenlebens entwickelte sich aus der frühneuzeitlichen Idee, dass die Herrschenden für das Glück und Wohlbefinden ihrer Untergebenen Sorge zu tragen und entsprechend Not und Elend effizient zu verringern und zu bekämpfen haben. Die im 16. Jahrhundert entstandene Wissenschaft von der guten policey befasste sich entsprechend mit den nötigen Maßnahmen für Infrastruktur, Wirtschaftslenkung und auch mit den Lebensweisen der Untertanen. Dafür musste der Staat eine Menge an Wissen akkumulieren, was die Geburtsstunde der Statistik war. Die statistische Erfassung der Bevölkerung diente der effizienten Kontrolle und Machtausübung unter der Prämisse der allgemeinen Wohlfahrt und Sicherheit. Der französische Historiker Michel FoucaultFoucault, Michel (1926–1984) bezeichnete


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