Martin Luthers theologische Grundbegriffe. Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe - Reinhold Rieger


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aus den Elendesten die Glücklichsten zu machen (44, 77, 10–12).

      3. Die Ursache ist, warum er uns viel Not, Leiden, Anfechtung, auch den Tod zufügt, dazu noch in vielen bösen, sündigen Neigungen leben lässt, dass er dadurch den Menschen Ursache gebe, zu ihm zu laufen und seinen heiligen Namen anzurufen (6, 223, 16–19; vgl. 31I, 95, 31–35).

      4. Es ist kein Jammer auf Erden als aus dem Unglauben, Unglaube ist es, dass man Gottes Werk nicht sucht, sondern verkehrt (14, 114, 27–29; vgl. 16, 468, 32–35).

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      Empfangen

      → Annehmen

      1. Wenn der Mensch mit Gott zu Werk kommen und von ihm etwas empfangen soll, so muss es so zugehen, dass nicht der Mensch anhebe und den ersten Stein lege, sondern Gott allein ohne alles Ersuchen und Begehren des Menschen muss |59|zuvorkommen und ihm eine Zusagung tun. Das Wort Gottes ist das Erste, der Grund, der Fels, darauf sich hernach alle Werke, Worte, Gedanken des Menschen bauen, welches Wort der Mensch dankbar aufnehmen und der göttlichen Zusagung treulich glauben muss (6, 356, 3–9). Der Mensch kann nichts empfangen von Gott, der bittet und nicht fest glaubt, er werde es empfangen, und viel weniger kann der empfangen, der nicht bittet, nicht glaubt, nicht bereut (7, 319, 23–26). Wir müssen vorher empfangen, ehe wir ausgeben. Ehe wir Barmherzigkeit tun, müssen wir sie vorher von Gott empfangen (10I.2, 317, 17–20).

      2. Gegen Gott und seine Heiligen kann man nichts Gutes tun, sondern nur Gutes holen, suchen, bitten und empfangen durch den Glauben (10I.2, 40, 25–28).

      3. Allein die Glaubenden empfangen Gnade, da es ohne Glaube nicht möglich ist, Gott zu gefallen (6, 97, 30f.). Alle, die an Christus glauben, werden durch den Glauben gerechtfertigt und empfangen seinen Geist und Gnade (10I.1, 466, 1–3). Allein der Glaube empfängt den heiligen Geist (10I.1, 319, 8–10).

      4. In der Eucharistie muss nichts von den Menschen geopfert und gegeben werden, sondern nur geglaubt und von Gott empfangen werden (8, 443, 5–7). In der Taufe wird uns die Verheißung Gottes angeboten und unser Gelübde ist nichts anderes, als Christus zu empfangen, der uns angeboten wird. Selig ist das Gelübde, das nicht verspricht etwas zu geben, sondern nur Gutes zu empfangen und dem Empfangenen anzuhangen (8, 659, 17–20).

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      Engel

      1. Die Erkenntnis der Engel soll bei den Christen bleiben und ist sehr nützlich und tröstlich (32, 111, 14–17). Engel ist nichts anderes als ein Geist, der Gott lobt und ihm Ehre gibt, voll der höchsten Weisheit, reich an Kraft und Heiligkeit. Denn ein Engel ist stärker als die ganze Welt (29, 680, 25–27). Ein Engel ist ein Diener, der uns dient, wartet mit Freuden und Frohlocken. Sie haben den höchsten Geist, sind überaus heilig und mächtig, und dennoch überaus demütig und unsere Diener (29, 681, 27–29). Wenn man von den Engeln predigt, so kann man nicht umgehen, dass man auch von Teufeln predigen muss, denn die Teufel sind auch Engel. So sind nun die Engel geteilt in zwei Teile: in fromme Engel und in Teufel, denn die heilige Schrift nennt die bösen Geister auch Engel (34II, 230, 21–28). Die Schrift gebraucht das Wort Engel auf zweierlei Weise. Erstens von heiligen, himmlischen Geistern, ohne alle Sünde und Gebrechen. Zum andern nennt die Schrift auch Engel, die Fleisch und Blut haben, und Christus, Gottes Sohn selbst (49, 570, 29–571, 21).

      2. Amt: Die Engel führen wie Teufel ihr Amt auch heimlich (32, 116, 24–32). Die guten Engel sind stets um und bei uns, dass sie uns helfen, dass wir bei der Wahrheit bleiben, unser Leib und Leben, Weib und Kind und was wir haben, vor dem Teufel zu schützen (32, 117, 6–9). Denn es ist ein stetiger Kampf zwischen Engeln und Teufeln (52, 716, 28–31).

      3. Alle, die in der Kirche das Wort Christi lehren, sind gewissermaßen Engel, weil sie das Wort verbreiten, aber Christus, der mit dem Wort kommt, gießt den Glauben ein und sitzt über ihnen (7, 511, 16–18). Die Engel reden wohl mit Menschenzungen. Aber Menschen mögen nimmermehr mit Engelszungen reden (17II, 165, 18–20).

      |60|4. Im Papsttum ist ein großer Missbrauch gewesen, dass man aus den Engeln hat Abgötter gemacht, gleichwie aus der Jungfrau Maria und anderen Heiligen, denn so haben sie gepredigt: Man solle die Engel und Jungfrau Maria anrufen, dass sie uns die Sünde vergeben und uns helfen (34II, 225, 27–226, 16). Also beten wir die Engel nicht an, vertrauen auch nicht auf sie, wie man bisher getan hat, wie wir auch in der Schrift finden, dass sie sich nirgends haben wollen anbeten lassen, sondern danken und loben Gott, dass er sie uns zugute geschaffen hat, denn sie sind ja geschaffene Geister, von Gott zu uns gesandt (32, 117, 19–23). Man soll nicht an Engel, Propheten oder Apostel glauben, sondern die göttliche Ehre gehört allein dem Sohn, denn er ist wahrhaftiger Gott mit dem Vater (47, 113, 7–9; vgl. 54, 66, 33–35).

      📖 Volkmar Hirth, Luther und die Engel, in: Luther-Gedenken, 1996, 26f. Michael Plathow, Luther und die Angelologie, in: Zeitschrift für dialektische Theologie 12 (1996) 27–50. Ders., Zur Urteilskraft von Luthers Engelpredigten, in: Luther 87 (2016) 4–11.

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      Erfahrung

      → Exempel, Fühlen

      1. Glaubenserfahrung: Wenn beim Recht die Erfahrung notwendig ist, die eine andeutende Lehre der Gerechtigkeit ist, so ist sie es umso mehr in der Theologie (56, 447, 21–23). Wer nicht versucht wurde, was weiß er? Wer nicht erfahren ist, was weiß er? Wer nicht aus Erfahrung die Eigenschaften der Anfechtungen kennt, der gibt nicht das Gewusste, aber das Gehörte oder Gesehene oder, was gefährlicher ist, sein Erkanntes preis. Wer also gewiss sein will und andere zuverlässig beraten will, der mache zuerst selbst Erfahrungen, trage zuerst selbst das Kreuz und gehe mit dem Beispiel voraus (4, 95, 7–11). Zum Verständnis des Wortes Gottes ist Erfahrung nötig (5, 107, 13f.). Die göttliche Weisheit kann nicht verstanden und geschmeckt werden, wenn sie nicht den Menschen durch die in ihr geübte Praxis des Lebens erfahren macht und sicher und beständig in allen Wegen, durch welche Erfahrung er nicht nur über ihr Leben, sondern auch über die rechte Lehre urteilen kann. Das sind die, deren Lehre nicht Wort, sondern Leben, nicht Rauch, sondern Feuer, nicht Buchstabe, sondern Geist ist, die nicht von der Weisheit des Geistes, sondern vom Geist der Weisheit erfüllt sind (5, 411, 6–12). Es kann niemand Gott oder Gottes Wort recht verstehen, er habe es denn ohne Mittel von dem heiligen Geist. Niemand kann es aber von dem Heiligen Geist haben, er erfahre es, versuche es und empfinde es denn, und in derselben Erfahrung lehrt der Heilige Geist als in seiner eigenen Schule, außer welcher wird nichts gelehrt als nur Scheinworte und Geschwätz (7, 546, 24–29). Es ist denen, die es nicht erfahren haben, unglaublich, wie mächtig und kräftig der Glaube ist, besonders in Sünden (8, 528, 13f.). Also lehrt dich denn Gott, dass du durch Erfahrung kommst zu der rechten wahren Erkenntnis Christi und empfindest also mitten in dem Leiden einen süßen Geschmack seiner Gütigkeit, solche Erkenntnis macht in dir der heilige Geist, der dein Herz erhebt (21, 8, 12–15). Das Zeugnis des heiligen Geistes geht so zu, dass wir die Kraft des heiligen Geistes, die er durchs Wort in uns wirkt, auch fühlen und empfinden, und unsere Erfahrung mit dem Wort oder der Predigt übereinstimmt (22, 139, 1–9). Die wahre, lebendige Erkenntnis Christi, indem ich nicht nur diese |61|Erkenntnis höre und erzähle, sondern aufnehme, dass Christus für mich gelitten hat, ist nicht der historische Glaube, denn er fügt nicht diese Erfahrung, diese sinnliche und praktische Erkenntnis hinzu. Der wahre Glaube ist eine Schau, die nicht nur spekulativ ist, sondern praktisch, durch die man bewegt wird, wodurch sowohl Leib wie Seele eine Erneuerung und einen belebenden Impuls verspüren (40III, 738, 10–20). Allein die Erfahrung macht einen Theologen (25, 106, 27). Die Theologie wird durch Erfahrung gelernt, ohne Erfahrung kann sie nicht verstanden werden (40II, 463, 18–20).

      2. Unterscheidung von Glaube und Erfahrung: Empfinden und Glauben sind zweierlei. Der Glaube ist derart, dass er nicht empfindet, sondern die Vernunft fallen lässt, die Augen zutut und sich schlicht ins Wort ergibt, demselben


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