Deutsche Sprachgeschichte. Stefan Hartmann
die sog. Swadesh-ListenSwadesh-Listen, hat Morris Swadesh zusammengestellt, eine mit 100, eine mit 200 Wörtern. Diese Listen haben z.B. Gray & Atkinson (2003) und Bouckaert et al. (2012) verwendet, um die einzelnen Aufspaltungen des Ie. möglichst genau zu datieren und damit auch Hypothesen zum Ie. zu überprüfen. Dafür nutzten sie 2.449 Kognaten (allesamt aus der 200-Wörter-Swadesh-Liste) aus 87 Sprachen und kodierten jedes der Kognaten-Sets daraufhin, ob es in der jeweiligen Sprache vorhanden ist oder nicht (0 vs. 1). Wie das aussehen kann, zeigen beispielhaft Tab. 4 und Tab. 5 (aus Atkinson & Gray 2006: 94).
In Tab. 4 sind vier Konzepte aus den Swadesh-Listen aufgeführt, zusammen mit den entsprechenden Wörtern aus sechs ie. Sprachen (darunter aus dem ausgestorbenen Hethitischen, die als älteste belegte ie. Sprache gilt). Das Wort für ‚hier‘ z.B. ist im Englischen und Deutschen kognat: here und hier. Das frz. Wort geht hingegen nicht auf die gleiche Wurzel zurück wie das engl. und dt., aber es teilt sich eine Wurzel mit dem italienischen Wort, auch wenn diese etymologische Verwandtschaft durch Lautwandel opak (undurchsichtig) geworden ist: ici und qui/qua. Mit dem Neugriechischen und Hethitischen kommen zwei weitere Wurzeln hinzu, denn die Wörter in diesen Sprachen gehören weder zum Kognatenset 1 (hier/here) noch zum Kognatenset 2 (ici/qui/qua).
In Tab. 5 ist für jedes Swadesh-Konzept in jeder der in der Stichprobe in Tab. 4 vorhandenen Sprachen angegeben, ob das jeweilige Kognaten-Set in der Sprache vorhanden ist oder nicht. Im Falle von hier findet sich in jeder der sechs Sprachen genau eine der vier Varianten: Im Englischen und Deutschen das Kognatenset 1 (hier/here), im Frz. und Italienischen das Kognatenset 2 (ici/qui/qua), im Neugriechischen das Kognatenset 3 (edo), im Hethitischen das Kognatenset 4 (ka). So entsteht eine Matrix aus binären Werten, also aus Ja/Nein-Werten bzw. Einsen und Nullen.
Englisch | here 1 | sea 5 | water 9 | when 12 |
Deutsch | hier 1 | See 5, Meer 6 | Wasser 9 | wann 12 |
Französisch | ici 2 | mer 6 | eau 10 | quand 12 |
Italienisch | qui 2, qua 2 | mare 6 | acqua 10 | quando 12 |
Neugriechisch | edo 3 | thalassa 7 | nero 11 | pote 12 |
Hethitisch | ka 4 | aruna- 8 | watar 9 | kuwapi 12 |
Tab. 4: Einige Sprachen und Swadesh-Wörter, die in den Daten von Gray & Atkinson (2003, 2005) verwendet wurden. Wörter mit der gleichen Zahl sind Kognaten.
Bedeutung (Swadesh-Konzept) | hier | See | Wasser | wenn | ||||||||
Kognatenset | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 |
Englisch | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | 1 |
Deutsch | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | 1 |
Französisch | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 |
Italienisch | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 1 |
Neugriechisch | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 |
Hethithisch | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | 1 |
Tab. 5: Kognaten-Matrix für die vier Wörter in Tab. 4. Die Ziffern in der Zeile „Kognatenset“ geben die Zahlen wieder, mit denen in Tab. 4 die einzelnen Kognaten markiert sind.
Das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der jeweiligen Kognatensets wird als Grundlage für Modelle der