Bildethik. Christian Schicha
Ereignissen vorgelegt, obwohl er sich selbst primär als Maler und nicht als Konzeptkünstler oder Intellektueller definiert. Es sieht sich vielmehr als Bildermacher und führt an, dass er ein größeres Interesse an Bildern hat als an der Malerei (vgl. Moorhouse 2009, Friedel 2011).
4.10 Herlinde Koelbl
Die 1939 geborene Fotografin Herlinde Koelbl arbeitet in der Regel in groß angelegten Zyklen teilweise zu gesellschaftlich tabuisierten Themen. Sie präsentiert Männerakte (vgl. Koelbl 1984), Schlafzimmer (Koelbl 2012) und stellt Menschen in ihrer eigenen Freizeit- und Berufsbekleidung bildlich gegenüber (vgl. Koelbl 2014). Koelbl hat Auftragsarbeiten für nationale und internationale Zeitungen sowie Zeitschriften (u.a. DIE ZEIT, DER STERN, NEW YORK TIMES) übernommen (vgl. Koetzle 2017). Sie hat Politiker portraitiert und befragt. In ihrer seit 1991 begonnenen Langzeitstudie Spuren der Macht (Koelbl 1999) hat die Künstlerin im jährlichen Turnus Schwarz-Weiß-Fotos von Volksvertretern gemacht, die die körperlichen Veränderungsprozesse im Laufe der Zeit dokumentieren. In der Fotoserie Feine Leute (Koelbl 1998) sind wohlhabende Prominente bei offiziellen Empfängen abgelichtet. Zu sehen sind üppig geschmückte Politiker, Schauspieler und Journalisten in teurer Abendgarderobe, die sich im Rahmen von Begrüßungsritualen inszenieren und feiern. Es wird geraucht, gegessen und getrunken. Die bebilderte Dokumentation der Partyszenen wird den abgelichteten Protagonisten vermutlich nicht gefallen haben. Da es sich aber um öffentliche Veranstaltungen gehandelt hat, ist es legitim, derartige Aufnahmen zu veröffentlichen. In einem ähnlichen Stil ist der amerikanische Band The Vanities von Fink und Wolf (2011) gestaltet, der Bilder amerikanischer Prominenter auf Hollywood-Parties zeigt. Der Fotoband Targets von Koelbl (2014) zeigt Zielscheiben auf Truppenübungsplätzen aus aller Welt, die die Fotografin in fast dreißig Ländern aufgenommen hat. Interessant sind hierbei die Motive, die gewählt worden sind, um Feindbilder auf den Zielscheiben zu positionieren. Hierbei wurde auch mit Kugelfängern gearbeitet, die rassistische Abbildungen zeigten.
4.11 Roger Melis
Der in der DDR lebende Berliner Fotograf Roger Melis (1940-2009) war ein Mitbegründer des ostdeutschen Fotorealismus. Er arbeitete in der Mode- und Reisefotografie. Er legte ein Städteportrait von Paris vor und war im Kaukasus mit seiner Kamera unterwegs. Bekannt wurde er durch seine Portraitbilder von Schriftstellern wie Heiner Müller, Christa Wolf, Günter Grass und Aufnahmen der Schauspieler Katharina Thalbach und Manfred Krug. Melis hatte den Anspruch, frei und unabhängig von Ideologie und Zensur zu arbeiten. Er nahm den ungestellten Alltag der Menschen in der ehemaligen DDR auf, war als Straßenfotograf aktiv und fotografierte Hinterhöfe. Melis dokumentierte das Waldsterben im Erzgebirge. Als Chronist seiner Zeit erzählte er mit seinen Bildern Geschichten, die Einsichten über den Zustand seines Landes lieferten. Seine Reportagefotografien wurden u.a. in der WOCHENPOST, der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, der ZEIT und in GEO veröffentlicht (vgl. Melis 1986, 1992, 2007, 2008, 2010).
4.12 Sebastião Salgado
Der 1944 in Brasilien geborene Fotograf, Fotoreporter und Umweltaktivist Sebastião Salgado arbeitete u.a. für die Magnum Agentur in New York. Er steht in der Tradition der sozialdokumentarischen Fotografie und übte seinen Beruf in mehr als 60 Ländern, u.a. in Lateinamerika und Afrika aus. Mit Unterstützung von Sponsoren verfolgte er seine Großprojekte über mehrere Jahre, zeigte Einwanderer in Frankreich und dokumentierte die Hungerkatastrophe im Sahel. Sein Engagement gilt der Entwicklungspolitik. Er machte Alltagsaufnahmen von Festen in ländlichen Gebieten, dokumentierte Arbeitsprozesse von der maschinellen Bleiverhüttung in Kasachstan und der Ölförderung in Aserbaidschan, wobei er stets einen respektvollen Abstand zu seinen Motiven einhielt. Seine Bilder zeigen die grausamen Konsequenzen von Kriegen, Wirtschaftskrisen und Terror, die zu Fluchtbewegungen geführt haben. Salgado war zufällig in Washington vor Ort, als am 30. März 1981 ein Attentat auf den damaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan verübt wurde. Mit den Bildern von dem Anschlag hat er seine Projekte finanziert, bei denen er auch für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zusammengearbeitet hat. Er setzte sich gegen die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes ein. Neun Jahre arbeitete Salgado am Projekt Genesis, bei dem er unberührte Landschaften zeigte. Die Aufnahmen wurden im Natural History Museum London und in einem Bildband gezeigt. Der Dokumentarfilm Das Salz der Erde (2014) von Wim Wenders liefert ein Porträt über Salgado, dass bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2014 mit dem Spezialpreis ausgezeichnet wurde. 2019 wurde der Fotograf mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet (vgl. Stepan 2008, Koetzle 2017, Salgado 2019).
4.13 Robert Mapplethorpe
Der Amerikaner Robert Mapplethorpe (1946-1989) galt als Kulturfotograf der 1980er Jahre. Er arbeitete u.a. mit Porträts, Blumenstilleben und Körperstudien. (vgl. Koetzle 2017). Seine Arbeiten wurden als Provokation wahrgenommen:
Die umstrittenen Bilder des Fotografen zeigten explizite Männerakte, erotisch aufgeladene Blumenstudien, Totenschädel, einen Zyklus über die erste Weltmeisterin im Frauen-Bodybuilding, sowie Portraits und Selbstbildnisse des Künstlers (vgl. Mapplethorpe 1983). Besonders viel Empörung haben seine Aufnahmen männlicher Geschlechtsteile ausgelöst. Derartige Bilder wurden als pornografische Provokation wahrgenommen.
4.14 James Nachtwey
Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfotograf und Kriegsberichterstatter James Nachtwey wurde 1948 geboren und hat „als unerbittlicher Schilderer internationaler Kriege und Konflikte“ (Koetzle 2017, S. 418) weltweit Aufnahmen vom Leid der Menschen in den Krisenregionen gemacht. Er hat u.a. aus Rumänien, Nord-Irland, Israel, Tschetschenien, Bosnien, Ruanda, Zaire, Somalia und dem Sudan berichtet, Bilder von Hungernden, Verstümmelten und Toten sowie deren Angehörigen gezeigt. Er war bei Kampfhandlungen dabei und hat Hinrichtungen fotografiert. Seine Aufnahmen zeigen weiterhin Gefängnisinsassen, Aids-Kranke und Umweltverschmutzungen. Bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 war er Augenzeuge und bei den Rettungsarbeiten am Ground Zero dabei. Er wurde im Irakkrieg 2003 selbst schwer verwundet (vgl. Funk 1997). Seine Arbeiten, die u.a. in GEO, dem STERN, TIME, LIFE und NATIONAL GEOGRAPHIC, aber auch in Fotobänden erschienen sind, dokumentieren das Mitgefühl mit den Opfern von Kriegen und Armut. Sie verfolgen den Anspruch als Anti-Kriegsbilder in Erscheinung zu treten (vgl. Koetzle 2017).
4.15 Andres Serrano
Tod, Sexualität, Armut, Gewalt und Religion gehören zu den Themen die der 1950 geborene US-amerikanische Fotokünstler Andres Serrano, der als Maler und Bildhauer gearbeitet hat, in seinen Arbeiten aufgreift. Er verwendet dafür Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin und Sperma und hat Bilder von verstorbenen Menschen aus dem Leichenschauhaus vorgelegt. Das Einverständnis der zuständigen Gerichtsmediziner lag zwar vor. Die Verstorbenen und Angehörigen haben die Erstellung und Veröffentlichung dieser Fotos jedoch nicht autorisiert. Die Identität der Toten ist auf den Aufnahmen nicht zu erkennen.
Neben Bildern aus der Pathologie hat der Fotograf Aufnahmen von Obdachlosen publiziert und Plattencover der Band Metallica gestaltet. Zu den Werken von Serrano gehört die