Handbuch Wandertourismus. Gabriele M. Knoll
R. (1974): Die Entdeckung der Alpen. Verlag Huber Frauenfeld, Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg, Frankfurt.
PERFAHL, J. (1984): Kleine Chronik des Alpinismus – im Zusammenwirken mit dem Deutschen Alpenverein. Rosenheimer, Rosenheim.
♦ Websites
▶ Alpine Club
www.alpine-club.org.uk
▶ Deutscher Alpenverein
www.alpenverein.de
▶ Fédération française des clubs alpins et de montagne
www.ffcam.fr/ Club Alpin Français
www.ffcam.fr/qui_sommes_nous.html#.VVmVA_BODg0
▶ Club Alpino Italiano
www.cai.it
▶ Österreichischer Alpenverein
www.alpenverein.at/portal
▶ Schweizer Alpen-Club
www.sac-cas.ch
1.3.2 Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘
Gleichberechtigung bei der Möglichkeit, sich in der Natur zu erholen und von Vergünstigungen für Vereinsmitglieder zu profitieren, war Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht angesagt. Arbeiterinnen und Arbeiter nahmen die damals existierenden Wander-, Berg- und Sportvereine nicht auf. Dies motivierte im März 1895 in Wien den Sozialisten und Lehrer Georg Schmiedl dazu, in der „Arbeiterzeitung“ einen Aufruf zu starten, um Gleichgesinnte zur Gründung einer „touristischen Gruppe“ zu finden. Zu Schmiedl kamen der Metallarbeiter Alois Rohrauer, sein Sohn Josef (Student phil.) und der Student Karl Renner (später Staatskanzler und Bundespräsident Österreichs) hinzu. Im September 1895 gründen daraufhin 185 Männer und Frauen in Wien den Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘.
Es ging ihnen darum, das Recht des freien Zugangs zur Natur gegen die bürgerlich-privaten Interessen von Großgrundbesitzern durchzusetzen, die Natur als Quelle der Erholung zu erkunden und sich anzueignen, gemeinsam zusammenzutreffen, sich fortzubilden und Aktivitäten zu organisieren (vgl. Websites der österreichischen und deutschen Naturfreunde). 1906 beschloss die Ortsgruppe Graz, den Gruß „Berg frei“ zum Gruß der steirischen Naturfreunde zu machen, der dann vom gesamten Verein übernommen wurde und bis heute üblich ist. „Der kämpferische Gruß ist Ausdruck der Forderung nach dem Recht auf Freizeit in den Bergen nicht nur für Adel und Bürgertum“ (http://www.naturfreunde.de/cms/de/1_NaturFreunde/inhalte/1_Die_Organisation/index.php?channel=channel_1&Kennung=6593e02939c59db496f5ceed3a7ca36f&LN=4026&OF=de&PF=1926).
Im August 1905 wurde mit der 42. Ortsgruppe in München der deutsche Zweig des Vereins gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gesamtverein fast 9.000 Mitglieder und darunter – revolutionär verglichen mit den Alpenvereinen – auch einen Frauenanteil von 15 %! Mit dem Bau von Hütten und Wanderheimen begann man ebenfalls: 1907 wurde das erste österreichische Naturfreundehaus auf dem Padasterjoch (2232 m NN) in den Stubaier Alpen (Tirol) eröffnet, 1911 das erste in Deutschland, das die Hamburger Naturfreunde am Rand der Lüneburger Heide erbaut hatten.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Aktivitäten der österreichischen Naturfreunde zum freien Zugang zur Natur von ersten großen Erfolgen gekrönt, denn in einigen Bundesländern Österreichs wurde das freie Wegerecht in den Bergen gesetzlich verankert. Die freie Begehbarkeit des Waldes sollte erst 1975 festgeschrieben werden. Ihrer Zeit weit voraus waren die Naturfreunde 1910, als sie den Naturschutz als Vereinsziel in ihre Statuten aufnahmen. Die Möglichkeiten, Skilaufen und Bergsteigen zu lernen, gab es für die Mitglieder ebenfalls ab 1905 bzw. 1918.
Die Nationalsozialisten verboten 1933 den Touristenverein Die Naturfreunde aus politischen Gründen. Bei der Gelegenheit beschlagnahmten sie auch die 428 Hütten und Häuser des Vereins und übertrugen die Gebäude linientreuen faschistischen Vereinen. 1945 begannen die Naturfreunde mit dem Wiederaufbau ihres Vereins; 1950 wurde aus dem Gesamtverein die Naturfreunde Internationale (NFI), die sich aus selbständigen Landesverbänden zusammensetzt.
♦ Websites
▶ Naturfreunde Österreich
www.naturfreunde.at
▶ Naturfreunde Deutschland
www.naturfreunde.de
1.3.3 Wandernde Jugend
Unabhängig von Erwachsenen entdeckten an der Wende zum 20. Jahrhundert auch Jugendliche den Aufenthalt in der Natur während der knappen Freizeit und das Wandern. Der besondere Reiz lag darin, Wanderfahrten zu organisieren, an denen keine Erwachsenen beteiligt waren, und die Freiheit auszukosten, sich nur in einer Gruppe von mehr oder weniger Gleichaltrigen zu bewegen. Aber es ging auch um Kritik am Großstadtleben und um die Entfernung bzw. Entfremdung von der Natur. 1901 gründeten junge Männer in einem Hinterzimmer des Steglitzer Rathauses den „Wandervogel-Ausschuss für Schülerfahrten e. V.“. Vom damaligen Berliner Stadtrand aus dehnte sich die Wandervogelbewegung in ganz Deutschland aus.
„Sie wurde Hauptbestandteil einer sich am Anfang des Jahrhunderts im Kaiserreich herausbildenden eigenständigen Jugendbewegung, die eine von der älteren Generation unabhängige, jugendspezifische Lebensform anstrebte. Ab 1904 bildeten sich über das ganze Deutsche Reich verbreitet verschiedene Wandervogel-Bünde, die sich 1913 zum Wandervogel e. V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Erstmals war es mit dem Zusammenschluss nicht nur männlichen Gymnasiasten, sondern auch Mädchen und Volksschülern erlaubt, als Wandervogel den Lebensstil der Bewegung mit Wanderfahrten, Lagerleben, Volkstanz und -musik zu führen.“ (https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltag/wandervogel/)
Doch auch unter der Führung von Erwachsenen gingen die ersten Jugend- bzw. Kindergruppen auf „Wanderfahrt“ – korrekter: Fußtour. Das größte organisatorische Problem war für solche Unternehmungen damals die Übernachtung. Erste Ansätze gab es zwar schon in einigen Regionen, wie zum Beispiel die Studenten- und Schülerherbergen, die der Fabrikant Guido Rotter im Sudetenland 1884 initiiert hatte. Diese Herbergen standen aber nur männlichen Studenten und höheren Schülern ab dem 16. Lebensjahr offen (vgl. HARTUNG (1959), S. 10)! 1889 riefen Bergwanderer bzw. Bergsteiger die Einrichtung der „Schüler- und Studentenherbergen des Deutsch- und Österreichischen Alpenvereins“ ins Leben. Auch andere Gebirgsvereine begannen, speziell für - männliche – Jugendliche, preiswerte Unterkünfte anzubieten.
Im August 1909 hatte der Lehrer Richard Schirrmann, der mit seiner Schulklasse eine achttägige Schulwanderung vom westfälischen Altena nach Aachen unternahm, die Idee für ein günstiges Quartier, die von einem Unwetter befördert wurde. Das übliche Quartier – eine Scheune – konnte er an jenem Abend nicht finden, wohl aber eine wegen der Schulferien leer stehende Dorfschule im Bröltal (Rhein-Sieg-Kreis), in die er schließlich Stroh bringen ließ. Aus dieser einfachen Unterkunft für seine Wandergruppe entwickelte er die „Volksschülerherberge“, d. h. die Ferienherberge im Schulhaus, von denen es 1910 bereits drei gab. 1912 öffnete auf der Burg Altena die erste Jugendherberge – zunächst nur während der Ferien; ab 1914 wurde sie ganzjährig betrieben. Lehrer Schirrmann wurde gleichzeitig auch erster Herbergsvater und lebte mit seiner Familie auf der Burg. „Von Altena ausgehend fasste die Bewegung vor allem in Holland, England und Schottland Fuß. 1931 existierten in Europa bereits zwölf Jugendherbergsverbände mit rund 2.600 Jugendherbergen.“ (http://www.djh-wl.de/de/jugendherbergen/altena-burg/ueber-uns/geschichte) 1932 wurde die International Youth Hostel Federation gegründet.
In den 1920er Jahren entdeckten auch einige der inzwischen etablierten Wander- und Bergvereine die Jugendarbeit, so beispielsweise im Alpenverein (zu jener Zeit: DuOeAV). 1927 wurde die Jugendarbeit in die Vereinssatzung aufgenommen; in Sektionen entstanden nach Geschlechtern getrennt Jugendgruppen – mehr für Jungen, denn für Mädchen.
Trennung und Ausgrenzung oder Einverleibung sollten unter der Herrschaft der Nationalsozialisten auch vor den Wandervereinigungen nicht haltmachen; doch