Grundkurs Berufsrecht für die Soziale Arbeit. Markus Fischer
des Alters (§ 10)
1.3.2 der Religion oder Weltanschauung (§ 9)
1.3.3 beruflicher Anforderungen (§ 8)
1.3.4 positiver Maßnahmen (§ 5)
2. Rechtsfolge bei Verstoß gegen § 7 Abs. 1
2.1 Entschädigung und Schadenersatz nach § 15
2.2 Unwirksamkeit von Verträgen nach §§ 134 BGB, 7 Abs. 2 AGG
2.3 Verletzung einer Vertragspflicht gem. § 7 Abs. 3
2.1.1 Stellenanzeige
Eine Stellenanzeige beinhaltet eine Aufforderung von ArbeitgeberInnen zur Bewerbung auf eine Beschäftigungsmöglichkeit (Schaub/Koch 2018, 617). Nach § 11 AGG darf eine Stellenanzeige nicht gegen das Benachteiligungsverbot gem. § 7 Abs. 1 AGG verstoßen. Wenn die Ausschreibung gegen dieses Verbot verstößt, wird gem. § 22 AGG vermutet, dass die ArbeitgeberInnen gegen das Benachteiligungsverbot bei der Personenauswahl verstoßen haben. Die ArbeitgeberInnen müssen dann Tatsachen vortragen, welche diese Vermutung widerlegen. Wenn solche Tatsachen nicht vorgetragen werden, kann dies zu einem Entschädigungsanspruch der BewerberInnen gegen die ArbeitgeberInnen führen (LAG Hessen 15.6.2015 – SA 1619/14).
Wenn beispielsweise mit einer Stellenanzeige ein junger Sozialarbeiter für ein Frauenhaus mit Lichtbild gesucht wird, kann die Anzeige gegen das Benachteiligungsverbot wegen Benachteiligungen aus Gründen des Alters, des Geschlechtes und der ethnischen Herkunft im Sinne von § 1 AGG verstoßen.
Der Verstoß aus Gründen der ethnischen Herkunft kann sich aus der Anforderung des Lichtbilds ergeben. Demnach liegt eine Vermutung nach § 22 AGG vor. Diese Vermutung kann widerlegt werden, wenn Tatsachen vorgebracht werden, aus denen hervorgeht, dass eine unerlaubte Diskriminierung nicht vorlag.
In Bezug auf das Alter und die ethnische Herkunft kann dies widerlegt werden, wenn das Bewerbungsverfahren dokumentiert worden ist und aus der Dokumentation hervorgeht, dass BewerberInnen jeden Alters und jeder ethnischer Herkunft eingeladen worden sind und die am besten qualifizierten BewerberInnen ausgewählt worden sind.
Bezüglich des Geschlechts kann die Vermutung einer Benachteiligung widerlegt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass bisher nur Frauen im Frauenhaus arbeiten aufgrund der Gewalterfahrungen der Nutzerinnen durch Männer und dass nun ein Mann als positives Vorbild zur Betreuung der Kinder der Frauen eingestellt werden soll. Dann ist diese Diskriminierung gem. § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.Wenn dagegen die Nachweise nicht gelingen, kommt gem. § 15 Abs. 2 AGG ein Anspruch auf Entschädigung in Betracht.
2.1.2 Vorstellungsgespräch
Im Rahmen der Stellensuche bzw. im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens findet in der Regel ein Vorstellungsgespräch statt. Im Rahmen dieses Vorstellungsgespräches können sich ArbeitgeberInnen und BewerberInnen jeweils übereinander informieren durch gegenseitiges Fragen. Aus der Bewerbungsperspektive stellt sich dabei die Frage, ob auf sämtliche Fragen der ArbeitgeberInnen wahrheitsgemäß geantwortet werden muss.
In Bezug auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen ist zwischen dem Interesse der ArbeitgeberInnen an einer bestmöglichen Stellenbesetzung und dem Interesse der BewerberInnen an der Wahrung ihres Persönlichkeitsrechts abzuwägen. Unter dem Persönlichkeitsrecht wird dabei die Freiheit der BewerberInnen verstanden, zu entscheiden, was sie von sich preisgeben möchten und was nicht. Zwar kann niemand zu einer Antwort gezwungen werden, jedoch beinhaltet auch ein Schweigen auf eine Frage eine Aussage.
Deswegen wird in diesem Zusammenhang zwischen erlaubten und unerlaubten Fragen unterschieden. Während die BewerberInnen auf erlaubte bzw. zulässige Fragen wahrheitsgemäß antworten müssen, dürfen sie bei unzulässigen Fragen lügen. Wenn BewerberInnen auf zulässige Fragen wahrheitswidrig antworten, kann bei Zustandekommen eines Arbeitsvertrages ein Anfechtungsrecht der ArbeitgeberInnen gem. §§ 119, 123 BGB entstehen. Die wahrheitswidrige Beantwortung von unerlaubten Fragen der ArbeitgeberInnen hat für die BewerberInnen dagegen keine Konsequenzen (Schaub / Koch 2018, 359).
Fraglich ist, wann es sich bei einem Vorstellungsgespräch für eine Stelle in der Sozialen Arbeit um eine erlaubte Frage handelt, bei der wahrheitsgemäß geantwortet werden muss, und wann es sich um eine unerlaubte Frage handelt, bei der wahrheitswidrig geantwortet werden darf. Ausschließlich tätigkeitsbezogene Fragen sind zulässig. Wenn die Frage nicht tätigkeitsbezogen ist und gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verstößt und/oder gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, ist sie unzulässig (Schaub/Koch aaO.).
So sind auf die Stelle bezogene Wissensfragen und Fragen nach der Berufserfahrung als SozialarbeiterIn als tätigkeitsbezogene Fragen zulässig. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist dagegen aufgrund einer Benachteiligung des Geschlechts im Sinne von § 1 AGG stets unzulässig (Schaub / Koch 2018, 360) genauso wie die Frage nach der sexuellen Orientierung. Problematisch ist, ob die Frage nach der sexuellen Orientierung einer SozialarbeiterIn ausnahmsweise nach § 9 AGG gerechtfertigt sein kann. Dagegen spricht, dass nach § 9 AGG nur Benachteiligungen wegen der Religion oder Weltanschauung gerechtfertigt werden können, nicht aber unterschiedliche Behandlungen wegen der sexuellen Orientierung (Birk 2012, 120). Somit können zwar kirchliche Einrichtungen eine Frage nach der Religionszugehörigkeit im Vorstellungsgespräch aufgrund § 9 AGG stellen, eine Frage in Bezug auf die sexuelle Orientierung jedoch nicht. SozialarbeiterInnen dürfen daher nach der hier vertretenen Auffassung bei einer solchen Frage lügen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion ist gem. § 9 Abs. 1 Abt. 2 AGG nur zulässig, wenn die Religion nach der Art der Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt (BAG 25.10.2018-8 AZ R 501/14).
2.1.3 Absagen und Aufwendungsersatz
ArbeitgeberInnen dürfen BewerberInnen mangels anderweitiger Regelung ohne Begründung absagen. Wenn eine Absage eine Begründung enthält, kann die Formulierung der Begründung Indizien im Sinne von § 22 AGG enthalten für eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Die Formulierung „Sehr geehrter Herr leider müssen wir Ihnen absagen, da wir uns für eine Sozialarbeiterin entschieden haben.“ kann ein solches Indiz enthalten.
Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz der BewerberInnen kann sich aus § 670 BGB ergeben. Nach dieser Vorschrift werden den Beauftragten Aufwendungen ersetzt, die sie für die Ausführung des Auftrags den Umständen nach für erforderlich halten durften. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch kann im Gegensatz zu einer Stellenanzeige als ein Angebot für einen Auftrag des Arbeitgebers im Sinne von § 662 BGB gewertet werden. Mit der Annahme der Einladung nimmt die BewerberIn den Auftrag an. Sie kann daher diejenigen Ausgaben ersetzt verlangen, die sie im Zusammenhang mit der Einladung getätigt hat, sofern sie diese für erforderlich halten durfte. Für erforderlich halten dürfen BewerberInnen keine Vorstellungskosten, wenn die ArbeitgeberInnen diese zuvor ausgeschlossen haben. Wenn dies nicht der Fall ist, können notwendige Fahrt- und Übernachtungskosten für erforderlich gehalten werden (Schaub / Koch 2018, 711).
2.2 Vertragsschluss
Die Rechte und Pflichten in einem Arbeitsverhältnis werden durch einen wirksamen Vertragsschluss begründet. Im Folgenden werden die Merkmale eines wirksamen Vertragsschlusses erörtert.
2.2.1 Vertragsfreiheit
Die Vertragsfreiheit ist durch die Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Neben einer durch Gesetze beschränkten Freiheit des Vertragsinhalts beinhaltet die Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht, dass ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn jeweils entscheiden können, ob und mit wem sie einen Arbeitsvertrag eingehen wollen.
Auch bei einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durch ArbeitgeberInnen liegt gem. § 15 Abs. 6 kein Anspruch auf eine Einstellung vor. Ein Anspruch auf Einstellung kann sich dagegen im Öffentlichen Dienst aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben, wenn eine ermessensfehlerfreie Einstellung nur bei einer BewerberIn möglich ist (Dütz/Thüsing 2017, Rn. 99). Unter diesen Voraussetzungen kann zum Beispiel ein Bewerber eine Einstellung