Klimatologie. Stefan Brönnimann
der Erde zu 0.02 % aus Wasser besteht, ist über 70 % der Oberfläche des Planeten von Wasser (Ozeane, Eis) bedeckt. Auch innerhalb des Klimasystems ist Wasser ungleich verteilt. → Abb. 1-10 zeigt schematisch den Wasserkreislauf. Obwohl die Gasphase für die Klimavorgänge entscheidend ist, ist sie mengenmäßig unbedeutend. Der gesamte atmosphärische Speicher, inklusive dem flüssigen Wasser und Eis der Wolken, ist sehr klein; er entspricht ungefähr 0.001 % des Wassers auf der Erde. Dagegen befinden sich 96.5 % des Wassers der Erde in den Ozeanen, etwa 2.5 % ist Süßwasser, der Rest salzhaltiges Grundwasser. Von diesen 2.5 % Süßwasser sind wiederum 70 % in Form von Eis vorhanden, fast der gesamte Rest als Gundwasser. Nur 1.3 % des Süßwassers ist Oberflächenwasser an Land, vor allem in Seen. Der Baikalsee, der Tanganyika-See, der Malawi-See sowie die Großen Seen in Nordamerika machen zusammen einen großen Teil dieses Wassers aus.
Obwohl der atmosphärische Speicher sehr klein ist, sind die Flüsse in und aus diesem Speicher sehr groß. Beachtlich ist auch der große atmosphärische Fluss an Wasser vom Meer zum Land. Als Folge der sehr unterschiedlichen Reservoirgrößen und Flüsse ist auch die Verweildauer in den einzelnen Speichern sehr unterschiedlich. Die Verweildauer im Ozean beträgt ca. 3000 Jahre, in Gletschern und Eisschilden sogar gegen 10 000 Jahre. In Seen bleibt das Wasser ungefähr 100 Jahre, in Flüssen 3 Wochen. Am kürzesten ist die Verweildauer in der Atmosphäre; sie beträgt 9 Tage.
1.3.5 | Der Kohlenstoffkreislauf
Der Kohlenstoffkreislauf ist relevant für den Treibhausgashaushalt
Ein weiterer zentraler Kreislauf im Klimasystem ist der Kohlenstoffkreislauf. Auch er ist nicht nur für das Klimasystem wichtig, sondern verbindet das Klimasystem mit den anderen Sphären des Erdsystems und letztlich mit dem ökonomischen System der Menschen. Da die beiden neben Wasserdampf wichtigsten Treibhausgase Kohlenstoffverbindungen sind (Kohlendioxid CO2 und Methan CH4, vgl. → Abb. 2-2 für ein Schema der Moleküle), ist der Kohlenstoffkreislauf für klimatologische Betrachtungen besonders relevant.
Die größten Kohlenstoffspeicher sind Ozeane und Böden
Die Kohlenstoffflüsse sind in → Abb. 1-11 quantifiziert. Die schwarzen Pfeile und Zahlen zeigen die Flüsse und Speicher in vorindustrieller Zeit, die blauen Pfeile und Zahlen zeigen die Störung durch den Menschen seit der Industrialisierung. Der größte Kohlenstoffspeicher der Erde sind die Karbonatgesteine, welche in den für die Klimatologie betrachteten Zeitskalen allerdings nicht relevant und in → Abb. 1-11 nicht dargestellt sind. Die Flüsse in diesen und aus diesem Speicher sind klein, weil die verantwortlichen Prozesse (Sedimentation und Verwitterung) sehr langsam ablaufen. Nur die oberflächennahen Sedimente sowie die fossilen Kohlenstofflagerstätten sind in → Abb. 1-11 berücksichtigt. Die nächstgrößten Speicher sind Ozeane, Böden und Vegetation. Die größten Flüsse finden zwischen Vegetation und Atmosphäre sowie zwischen Atmosphäre und Ozean statt.
Die Atmosphäre ist ein kleines Reservoir, aber Änderungen wirken sich direkt auf das Klima aus
Die Atmosphäre ist zwar ein eher kleiner Speicher, doch wirken hier mehrere Kohlenstoffverbindungen (CO2, CH4) ebenso wie Wasserdampf als Treibhausgase. Deshalb sind Veränderungen direkt relevant für das Klima. Der atmosphärische Speicher würde durch Flüsse zwischen Atmosphäre, Ozean und Biosphäre innerhalb von drei Jahren umgesetzt. Das bedeutet aber nicht, dass das menschgemachte CO2 innerhalb von 3 Jahren aus dem System entfernt wird. In dieser Zeit tauschen atmosphärisches und ozeanisches CO2 lediglich die Plätze. Relevant sind daher nur die Nettoflüsse.
In vorindustrieller Zeit waren die Flüsse in den und aus dem Ozean fast perfekt ausgeglichen. Heute ist der Fluss in den Ozean leicht größer als umgekehrt, daher gibt es einen kleinen, in den Ozean gerichteten Nettofluss. Dieser beträgt allerdings nur 2 % des gesamten Flusses. Im Ozean besorgen zwei Mechanismen den Transport von Kohlenstoff vom oberflächennahen Wasser in das Tiefenwasser, in welchem die Löslichkeit für Kohlendioxid höher ist. Einerseits ist dies die vertikale Durchmischung (vgl. → Kap. 7), andererseits das Absinken gestorbener Lebewesen. Im Ozean bilden sich wiederum neue, kohlenstoffhaltige Sedimente. Auch zwischen Vegetation und Atmosphäre gibt es große Flüsse in beide Richtungen und einen kleinen verbleibenden Nettofluss. Auch hier bewegt sich der Nettofluss in Richtung der Vegetation. Von der Vegetation fließt ein Teil des Kohlenstoffs in die Böden und von dort in die Flüsse.
Der Mensch hat den Kohlenstoffkreislauf nun aber tiefgreifend verändert. Nach einer Arbeit von Le Queré und Ko-Autoren (2016) stößt der Mensch aktuell (2006–2015) jährlich 9.3 GtC (Gigatonnen Kohlenstoff, 1 GtC entspricht 3.67 Gigatonnen CO2) aus fossilen Brennstoffen aus, dazu kommt nochmals 1 GtC aus Landnutzungsänderungen wie beispielsweise Abholzung. Die Vegetation nimmt jährlich netto 3.1 GtC aus der Atmosphäre auf, die Ozeane 2.6 GtC. Das verbleibende CO2, ungefähr 4.6 GtC, reichert sich in der Atmosphäre an und führt hier zu einem zusätzlichen Treibhauseffekt (vgl. → Kap. 3). Dieser zusätzliche Treibhauseffekt ist für den weitaus größten Teil der Klimaerwärmung der letzten 50 Jahre verantwortlich (vgl. → Kap. 10).
Abb. 1-11 |Der globale Kohlenstoffkreislauf für die 1990er-Jahre. Anthropogene Reservoire und Flüsse sind in Blau angegeben. Rechtecke kennzeichnen Reservoire in Gigatonnen Kohlenstoff (GtC) und Pfeile Flüsse zwischen den Reservoiren in GtC pro Jahr (nach Ciais et al. 2013).
Bis das fossile CO2 wieder in den Sedimenten ist, dauert es sehr lange
Wie lange bleibt der Kohlenstoffkreislauf durch den Menschen gestört? Betrachtet man das ganze System, dann erhöht der Mensch durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe zunächst den Fluss der Lithosphäre in die Atmosphäre. Dieser Fluss ist ungefähr 20 Mal höher als der Rückfluss durch Sedimentation. Dadurch reichert sich also Kohlenstoff im gesamten Klimasystem an. Was wir Menschen innerhalb von 250 Jahren an Kohlenstoff ausstoßen, bleibt Tausende von Jahren im Klimasystem.
Wenn wir nur die Atmosphäre betrachten, muss berücksichtigt werden, dass die Flüsse nicht konstant sind. CO2 verursacht eine Erwärmung, verändert das terrestrische und marine Leben und wirkt sich deshalb auf die Flüsse zwischen der Atmosphäre und dem Ozean resp. der Vegetation aus. Das menschgemachte CO2 hat so gerechnet eine atmosphärische Verweildauer, die nicht mit einer einzigen Zahl angegeben werden kann, sondern von der betrachteten Zeitskala und Größe des Pulses abhängig ist. Gemäß Schätzungen von Joos und Ko-Autoren (2013) verweilen ungefähr 15 % bis 35 % eines vom Menschen emittierten CO2-Pulses von 100 Gt Kohlenstoff länger als 1000 Jahre in der Atmosphäre.
Ebenfalls Teil des Kohlenstoffkreislaufs ist Methan (CH4). Zwar kommt Methan in der Atmosphäre heute in rund 200 Mal kleineren Konzentrationen vor als CO2, auch ist die Lebensdauer mit 11 Jahren wesentlich kürzer. Die Wirkung eines einzelnen Methan-Moleküls auf die Strahlungsbilanz ist jedoch bedeutend größer als diejenige eines CO2-Moleküls. Seine klimatische Wirkung ist daher bedeutsam. Wichtige Quellen sind neben menschgemachten Emissionen, wovon etwa ein Drittel aus fossilen Quellen stammt, anaerobe Oxidationsprozesse in der Biosphäre. Dies sind Prozesse, welche sich unter Ausschluss von Sauerstoff abspielen. Natürliches Methan ist auch in vermutlich großen Mengen in Form von Methanhydraten (auch -klathrate genannt) in den Kontinentalabhängen der Ozeane und im Permafrost gelagert.
Der Schwefelkreislauf ist wichtig für atmosphärische Aerosole
Weitere relevante Kreisläufe im Klimasystem sind die Kreisläufe von Schwefel (S), Phosphor (P) und Stickstoff (N). Alle drei sind für die Biosphäre wichtig; Schwefel spielt darüber hinaus im Klimasystem eine besondere Rolle als Quelle von Aerosolen (vgl.