Wie viel Modernes Management braucht das Handwerk?. Rolf Steffen

Wie viel Modernes Management braucht das Handwerk? - Rolf Steffen


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für dauerhaftes Engagement. Doch betrachtet man die Gesamtheit aller Bindungskräfte an ein Unternehmen, die Gesamtheit der Faktoren, die Arbeitszufriedenheit schaffen und intrinsische, also eine aus sich selbst heraus entstehende Motivation fördern, dann wiegen andere Kräfte in der Summe schwerer. Dann zählen Wertschätzung, Vertrauen und das berechtigte Gefühl von Teil-Haben oder sogar eine mögliche Teilhaberschaft deutlich mehr. Doch genau diese Bedürfnisse bleiben in den meisten Unternehmen außen vor bzw. werden nur oberflächlich bedient oder nicht ernsthaft genug kommuniziert. So kann es sein, dass eine Gewinn-Beteiligung in Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Situation nicht möglich ist, dass sogar auf die freiwillige Zahlung von Weihnachtsgeld verzichtet werden muss, doch das darf unter keinen Umständen für die Mitarbeiter eine Überraschung sein. Wenn diese fest davon ausgehen – wegen geleisteter Überstunden, Umsatzsteigerung und üblicher Zahlungen der letzten Jahre –, dass es eine Gewinn-Beteiligung, dass es Weihnachtsgeld gibt, dann dürfen diese Extras unter keinen Umständen ohne frühzeitige vorherige Ankündigung ausfallen. Das wird Frust und Demotivation verursachen. Und genau diese gilt es zu vermeiden.

      Betrachten wir zuerst das Bedürfnis „Teil des Erfolges sein zu wollen“, das in den meisten Menschen verankert ist. Dazu bietet sich ein kurzer Exkurs in den Fußball an. Als Deutschland am 13. Juli 2014 in Brasilien Fußball-Weltmeister wurde, standen beim Schlusspfiff elf deutsche Spieler auf dem Platz. Als der Weltmeisterpokal überreicht wurde, den zuerst Spielführer Philipp Lahm erhielt, dann Torwart Manuel Neuer, die neun Spieler, die beim Schlusspfiff auf dem Rasen standen und dann die Spieler, die beim Anpfiff dabei waren und ausgewechselt wurden, sowie der Trainer. Dann folgten viele andere. Andere, die mehr oder weniger zum Erfolg beigetragen haben, die Ersatzspieler, Co-Trainer, Mediziner, Physiotherapeuten, Masseure, Manager, Busfahrer, die Stewardessen und Piloten der Lufthansa-Maschine usw. Viele haben mit Stolz den Pokal hochgehalten und sich damit auch ablichten lassen.

      Letztlich war eine ganze Nation stolz, was zu guten Umsätzen mit Fanartikeln führte, allen voran Trikots mit 4 Sternen. Wir sind Weltmeister! So titelten bekannte Zeitungen. Es ist immer noch ein menschliches Bedürfnis, Teil eines Erfolges zu sein.

      Mitarbeiter mit ins Boot holen

      Doch genau hier versagt die Führungspraxis, die Unternehmenskultur in den meisten Unternehmen. Oder anders gesagt, in den meisten Unternehmen vermissen die Mitarbeiter eine Kultur von Teil-Haben und Teil-Sein. Und zwar im Großen wie im Kleinen. Lassen Sie uns mit dem „Kleinen“ beginnen.

      Wir wissen doch: Es sind die Mitarbeiter, die

       durch ihr Verhalten Kunden begeistern – oder nicht.

       mit ihrer fachlichen Kompetenz und Bereitschaft zur Weiterbildung die Qualität der Unternehmensleistung erstrahlen lassen – oder nicht.

       die Unternehmensorganisation ausmachen – und nicht die Systeme (EDV).

       mit ihrem Engagement den (Mehr-)Umsatz realisieren – oder verhindern.

       dank kaufmännischem Verständnis Deckungsbeiträge verteidigen – oder verschwenden.

       den Unternehmensgewinn erwirtschaften – oder leichtfertig verspielen.

      Wenn Sie dem auch zustimmen können, dann müssen doch die Mitarbeiter alle erforderlichen Informationen erhalten und befähigt werden, den Deckungsbeitrag verteidigen zu können. Ja, noch viel mehr, sie müssen das Ziel kennen, also welcher Deckungsbeitrag zu erwirtschaften ist, wissen, mit welchen Stellschrauben dieser wie zu beeinflussen ist, und während der Ausführung laufend über die Entwicklung informiert werden. Oder?

      Was wünschen Sie sich, das Ihre Mitarbeiter tun?

      (Was wünschten Sie, das Ihre Mitarbeiter täten?)

      Mit dieser Frage fordere ich in Beratungen und Seminaren Chefs auf, einmal aufzuschreiben, was sie sich von ihren Mitarbeitern wünschen. Und zwar ganz konkret, welches Verhalten sie in welchen Situationen („erfolgskritischen Situationen“) von ihren Mitarbeitern erwarten.

      Um es kurz zu machen, immer wieder zielen die Antworten ab auf: „Mehr unternehmerisches Denken“, „Mehr Kostenbewusstsein“, „Mehr Kundenorientierung“, „Mehr Ergebnis- und Gewinnorientierung“.

      Doch mal ganz ehrlich … Wie sollen die Mitarbeiter diese Erwartungen erfüllen, wenn sie gar nicht an der Zielentwicklung, bspw. an der Arbeitszeitermittlung, beteiligt wurden? Wie, wenn sie nicht wissen, welchen Deckungsbeitrag sie auf der Baustelle wie verteidigen sollen? Und wenn sie nicht zuvor befähigt wurden, das heißt kaufmännisches Verständnis entwickeln konnten, um die Zusammenhänge zu verstehen und zu wissen, wie sie ganz persönlich Einfluss auf den Deckungsbeitrag nehmen?

      Im Großen ist das auch so. Mitarbeiter sollen doch, zumindest stimmen mir die meisten Chefs da zu, am Umsatz mitarbeiten. Wie sollen sie aber „mit“-arbeiten, wenn sie weder an der Planung beteiligt wurden noch wissen, wie und wann wer welchen Umsatz zu erwirtschaften hat?

      Umsatzplanung geht alle an

      Ja, die Umsatzplanung ist und bleibt für viele Mitarbeiter, leider auch für viele Chefs, ein großes Geheimnis. Mit der Folge, dass Chefs letztlich allein die Verantwortung dafür tragen und sich dann beklagen, dass sie „gegen Wände reden“, „die Mitarbeiter jeden Tag neu zum Jagen tragen müssen“ oder gar „Mitarbeiter kein Interesse am Erfolg des Unternehmens haben“. Ahnen Sie was? Wie sollten sie denn? Ist die Erwartung an unternehmerisches Handeln und intrinsische Motivation für mehr Deckungsbeitrag, mehr Umsatz nicht völlig verfehlt, weil den Mitarbeitern dazu das Verständnis fehlt? Verständnis – bitte nicht verwechseln mit fehlender Intelligenz oder mangelndem Interesse an Zahlen. Nein, die allermeisten Mitarbeiter könnten das verstehen, sie wollen es auch wissen, würde man es ihnen nur einmal richtig erklären und die nötigen Informationen dazu geben.

      Die meisten Führungskräfte und auch Kundendiensttechniker 1) wie Projekttechniker entwickeln schnell ein sehr großes Interesse und Verständnis für Deckungsbeitrag, Umsatz, Kosten sowie Gewinn und damit für unternehmerisches Handeln, wenn sie nur Teil der Planung und Teil des Erfolgs sein dürften.

      Kurz gesagt: Mitarbeiter, die keine Informationen haben, können keine Verantwortung übernehmen. Mitarbeiter, die Informationen haben, können nicht anders als Verantwortung (Ergebnisverantwortung) übernehmen.

      1) Der werthaltige Begriff Kundendiensttechniker (KDT) unterstreicht im Gegensatz zum eher abwertend verstandenen Begriff Monteur die Bedeutung der Mitarbeiter, die mit ihrem Know-how im Auftrag des Kunden tätig sind und damit auch das Unternehmen wertvoll vertreten.

      Das bedeutet in der Praxis, dass jeder „produktiv tätige“ Mitarbeiter, das sind solche, die in der Praxis den Umsatz realisieren, wissen muss, welche Umsatzerwartung an ihn gestellt wird.

      Im Kundendienst errechnet sich dies zum Ersten über die Produktivität, d. h. tatsächlich verrechenbare Arbeitszeiten, sei es über Stundenverrechnungssätze oder Arbeitswerte, zum Zweiten über den Materialeinsatz und zum Dritten über sonstige berechnete Leistungen wie Maschineneinsatz, Anfahrt usw.

      Wer diese Rechnung mit jedem einzelnen KDT durchführt und monatlich, ggf. sogar täglich kontrolliert, wird sehr schnell feststellen, dass die Mitarbeiter sehr wohl nach Selbstbestätigung streben, unternehmerisches Denken und Handeln aus innerer Überzeugung entwickeln, denn am Ende des Monats möchten die meisten mit einer gewissen Portion Stolz das Gehalt erhalten, weil sie es verdient haben.

      Genauso ist es bei Führungskräften. Gerne würden die meisten Führungskräfte Ergebnisverantwortung für Umsatz, Kosten und Gewinn übernehmen, wenn sie nur dazu befähigt wären. Es gibt bei den meisten förmlich eine Sehnsucht nach Selbstbehauptung und Selbstachtung. Ist dem nicht so, dann sind es


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