21/12/12 - Der Sommer der Schwalbe und die Maya Apokalypse. Hans-Peter Vogt

21/12/12 - Der Sommer der Schwalbe und die Maya Apokalypse - Hans-Peter Vogt


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ging jetzt öfter zum Arzt, um sich krankschreiben zu lassen. Sie reichte diese Krankmeldungen jetzt pünktlich ein, sie hatte ja aus der Situation gelernt, und jetzt war sie nicht mehr in 1-Eurojobs vermittelbar, nicht, wenn sie krankgeschrieben war.

      Wenn sie auf der Strasse erkannt werden würde, würde sie sagen, dass sie einkauft. Einer musste das ja tun, und sie war im Haus die Hausfrau. Es war ihre Aufgabe das zu tun. Es war unverfänglich.

      So entwickelte Lucie ein Doppelleben, das natürlich illegal war, und obendrein wenig einträglich. Sie durfte sich auch nicht erwischen lassen.

      Der Doktor war zufrieden und er sprach mit seinen Freunden, und bald bekam Lucie ein weiteres Putzangebot. Einmal in der Woche Fensterputzen für drei Stunden. Auch dieses Angebot nahm Lucie an und erhöhte ihr schwarzes Wocheneinkommen schon auf 104 Euro, von denen sie allerdings 12,30 Euro für die Fahrt abziehen musste.

      Immerhin hatte sie jetzt im Monat 370 Euro zusätzlich, und wenn sie rechnete, war das mit dem Hartz IV Satz zusammen etwas weniger als sie als Verkäuferin netto verdient hatte, und die Arbeit war um vieles leichter.

      Lucie war ein einfacher Mensch, aber sie war ja nicht blöd.

      Wenn das herauskommen würde, dann würde sie ihren Anspruch auf Hartz IV Bezüge für immer verlieren, doch sie sagte sich jetzt, wenn die Welt tatsächlich am 21.12. untergeht, dann machst du vorher eine schöne kleine Reise. Vielleicht ein Wellnesshotel im Schwarzwald. In den wenigen Monaten, die ihr dann noch bleiben würden, war die Chance gering, dass sie entdeckt werden würde.

      Tatsächlich war die Chance gering. Die Arbeitsämter hatten für solche Kontrollen einfach kein Personal, seit es soviel Arbeitslose gab. Man darf ja nicht die offiziellen Arbeitslosenstatistiken ansehen. Tatsächlich war die Zahl um etwa 4x höher als angegeben, aber die Bundesregierung würde einen Teufel tun, diese Zahl öffentlich zu machen.

      Statistiken sind dazu da, um in der Öffentlichkeit die passende Grundstimmung für die Belebung der Wirtschaft zu erzeugen, und die Wiederwahl in den nächsten Bundestag, und seit mehreren Jahren schien es notwendig, den Erfolg der Bundesregierung auf wirtschaftlichem Gebiet durch sinkende Arbeitslosenzahlen zu beweisen. Kein Mensch würde je von einer Fälschung sprechen, außer ein paar sehr böswilliger linker Hassprediger in der Opposition. Mit solchen Populisten konnte man umgehen.

      So blieb Lucies illegale Tätigkeit tatsächlich unentdeckt.

      Im Sommer machte sie mit der Tochter endlich die langersehnte Kurzreise mit dem Rheindampfer von Mainz nach Köln, und im November fuhr sie mit dem Zug für ein Wochenende in den Harz und genoss dortden Wellness-Service.

      Sie hatte sich extra ein neues Kleid, neue Schuhe und einen neuen Mantel gekauft, um dort nicht aufzufallen, aber natürlich sahen die Leute vom Personal sofort, dass Lucie eine einfache Frau war, die sich das Wochenende vom Munde abgespart hatte. Das Personal war aber geschult und höflich. Solange der Gast zahlte und keinen Unfrieden stiftete, konnte man sich das leisten.

      Lucie genoss das Schlammbad. Die Sauna verkniff sie sich, weil das ihrem Kreislauf nicht gut tun würde, aber sie machte leichte Spaziergänge im Park und sie sündigte mit Kaffe, Obstkuchen mit Schlagsahne und Braten mit Pilzrahmsoße.

      Wenn die Welt in zwei Monaten untergehen würde, dann ist das jetzt auch egal, sagte sie sich. Sie würde nach der Völlerei mehr Schmerzen in den Beinen haben als zuvor, aber an einem Punkt war sie konsequent. Sie trank viel Mineralwasser und das entschlackte ihren fülligen Körper wenigstens ein klein wenig.

      3.

      Lucie war ausnehmend zufrieden mit sich. Sie würde das wieder tun, wenn die Welt nicht untergehen sollte, wie prognostiziert, aber vielleicht war an dem Gerücht ja wirklich etwas dran.

      Zurück in ihrer kleinen Stadt ging Lucie wieder zu ihrer illegalen Arbeit. Sie brauchte diese Art als Anerkennung ihres Selbstwertes.

      An den Sonntagen gönnte sie sich jetzt aber ein Stück Kuchen, ein paar Pralinen oder einen schönen starken Kaffee mit Sahne. Sie setzte sich dazu in die Küche, weil ihr Mann mit der Bierflasche vor dem laufenden Fernseher saß, der den ganzen Tag plärrte.

      Es wurde Mitte Dezember und Lucie war nun wirklich gespannt, ob am 21.12. etwas geschehen würde.

      Wenn nicht… nun, sie hatte inzwischen gelernt, sich irgendwie zu arrangieren. Das Leben war leichter geworden und etwas besser, obwohl sie im Monat weniger Geld hatte als zu Zeiten ihrer Anstellung.

       Kapitel 4. Die Grenzüberschreitung

      1.

      Karl-Heinz Fischer war Versicherungskaufmann ohne eigene Agentur. Er war noch jung, er wollte lernen und er wollte den Erfolg.

      Er arbeitete in einem Mainzer Versicherungsbüro, das, wie so oft, auch mit anderen Dingen handelte, Obligationen, Anlagen, Wertpapieren.

      Er hatte schnell gelernt, wo das wirklich große Geld herkommt.

      Er konnte mit solchen Papieren in seiner Freizeit aber nicht so einfach handeln, ohne dass dies seinem Chef aufgefallen wäre. Nicht sofort, aber vielleicht in einigen Monaten. Er fühlte sich in seinem Fortkommen behindert.

      Als er dann erstmals 2008 von diesem möglichen Ereignis hörte, diesem angenommenen Supergau, der laut Maya Kalender am 21.12.2012 geschehen sollte, da hörte er erst gar nicht hin.

      Es war die Zeit, in der die Welt gerade in die nächste Bankenkrise schlidderte.

      Er beobachtete das. Er sah, dass viele Menschen ihr gesamtes Vermögen verloren. Er sah, wie sich die Staatsregierungen wandten, wie die Schlangen, um am Ende viele Milliarden an Unterstützungsgeldern zu verschenken.

      Karl-Heinz Fischer lachte sich einen Wolf über dieses Husarenstück. Heimlich und bloß nicht offen.

      In diesen Tagen beschloss er, richtig groß abzusahnen. Wenn etwas raus kommen würde, dann würde er sich Schlupfwinkel suchen. Wenn die Welt tatsächlich untergeht, was soll’s, aber daran dachte er nicht im Ernst. Es war nur im Hinterkopf, als eine Art letzter Antrieb, um endlich in die Grauzone einzutauchen.

      Karl-Heinz Fischer kannte sich aus im Insolvenzrecht und in Betriebswirtschaft. Er hatte Kontakte nach England, und gründete dort jetzt eine Firma mit dem Namen Money Booker Ltd., unter dem Namen eines Freundes in Birmingham, mit Sitz in London. Tatsächlich war das nur eine Briefkastenfirma.

      In Luxemburg gründete er eine zweite Firma, die Fine Finance Ltd. Die Londoner Firma gehörte der Fine Finance zu einhundert Prozent.

      Ohne Internetseite ging nichts, aber das war ein Kinderspiel.

      Er sprach fließend englisch und französisch, weil die Mutter ursprünglich aus Toulouse stammte. Also wurde die Internetseite dreisprachig konzipiert, unter dem Namen der englischen Firma Money Booker.

      Dann hörte er sich um, machte Papiere und Anlagen ausfindig, griff sein Erbe an, schloss mit drei Telefonmarketetingfirmen in England, Frankreich und Deutschland Kontrakte, und schickte sie ins Rennen.

      In diesen Tagen war es nicht klug, in amerikanischem Grundbesitz zu investieren, aber es gab anderes. Industrieerwartungsland mit tatsächlichen oder behaupteten Bodenschätzen. Man musste solche Projekte nur richtig verkaufen, mit ordentlichen Argumenten und notfalls mit Hochglanzmappen und prächtigen Gewinnerwartungsversprechen, und man musste mit den Ängsten und der Gier der Menschen spielen.

      Er schaffte sich falsche Visitenkarten an und begann abends und an den Wochenenden Klinken zu putzen. Nicht wahllos.

      Er erhielt die Adressen von den Telefonmarketing-Leuten und wählte alles aus der Liste weg, was zu nah an seinem Wohnsitz lag. Leider fiel dadurch der Mainzer und Wiesbadener Markt zunächst aus. Dort gab es viel Geld.

      Er konzentrierte sich auf Nord- und Süddeutschland, Elsass Lothringen, Belgien und Holland. Er entwarf eine Hochglanzbroschüre, dann eine Zweite und eine Dritte.

      Er entwarf eine erfundene Vita und erfundene Erfolgsstatistiken. Er trat nie unter eigenem Namen auf und arbeitete nur


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