Öffentliches Wirtschaftsrecht. Stefan Storr
erwähnte Energiewirtschaftsrecht sowie das Bankrecht; für das Telekommunikationsrecht ist Art. 74 Abs. 1 Nr 7 GG die speziellere Regelung. Auch die Regelungsgegenstände werden weit gefasst. So können gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften des Bundes auch dann auf Nr 11 (Recht der Wirtschaft) gestützt werden, wenn sie der Gefahrenabwehr bzw -vorsorge in spezifischen Wirtschaftsbereichen dienen[553]. Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes beschränkt sich allerdings nicht auf solche Gesetze, die die Rechtsbeziehungen der in Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG einzeln aufgeführten Wirtschaftszweige regeln. Vielmehr kann der Bund ganz allgemein Gesetze erlassen, die ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen[554].
Mit der Föderalismusreform wurden „das Recht des Ladenschlusses der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte“ in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder überführt[555]. Von diesen Kompetenzen haben die Länder allerdings nur teilweise Gebrauch gemacht (s. zum Gaststättenrecht Rn 410; zum Marktrecht Rn 349, 362). Bis zum Erlass von Landesgesetzen gelten die bisherigen Regelungen als Bundesgesetze fort, Art. 125a GG. Die scheinbar klare Regelung führt zu einigen Folgeproblemen. Ausgeschlossen ist zunächst die Änderung eines bisherigen Bundesgesetzes durch ein Land[556]. Die Länder könnten daher die bisherige bundesrechtliche Regelung nicht modifizieren, ohne sie – wenn auch gleichlautend – neu zu erlassen[557]. Davon unabhängig können sie solche Regelungen treffen, die selbstständig neben die bisherigen Regelungen treten. Dies betrifft etwa die Vorschriften über Sperrzeiten sowie die in die Landesnichtraucherschutzgesetze aufgenommenen Rauchverbote. Allerdings kann auch der Bund die bisherigen Regelungen ändern; verwehrt ist ihm lediglich eine grundlegende Neukonzeption[558]. Praktisch wurde dies bei der unionsrechtlich geforderten Erstreckung der Genehmigungsfiktion (vgl § 6a Abs. 2 GewO) auf Verfahren nach § 33a Abs. 1, § 69 Abs. 1 und das GastG[559] relevant.
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Im Wege der Annexkompetenz können mit wirtschaftsrechtlichen Vorschriften solche Normen verbunden werden, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Diese Annexkompetenz des Bundes gerät leicht in Konflikt mit der allgemeinen Gesetzgebungskompetenz der Länder aus Art. 70 Abs. 1 GG, die gerade das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als eine ihrer wichtigsten Ausprägungen umfasst. Entsprechend stellt sich überall dort, wo nunmehr die Länder für wirtschaftsrechtliche Regelungen zuständig sind, die Frage nach der Abgrenzung von speziellen bundesrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen. Dies betrifft zum einen die Abgrenzung zwischen dem Gaststättenrecht und dem in der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz verbliebenen Gewerberecht (s. dazu unten Rn 410), aber auch weiteren Bundeskompetenzen, insbesondere für den Jugendschutz (öffentliche Fürsorge iSv Art. 74 Nr 7 GG), Arbeitsschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr 12 GG), Gesundheitsschutz und den Lärmschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr 24 GG). Dies verdeutlicht das Beispiel der Landesnichtraucherschutzgesetze, soweit sie das Rauchen in Gaststätten verbieten (ausf ▸ Klausurenkurs Fall Nr 2)[560]. Vergleichbare Abgrenzungsfragen stellen sich bei Maßnahmen gegen Alkoholmissbrauch in einem LGastG[561]. Abgrenzungsschwierigkeiten wirft die Landeskompetenz für das Gaststättenrecht vor allem hinsichtlich der Abgrenzung vom Reisegewerbe auf; die beim Bund verbliebene Kompetenz für das Reisegewerbe schließt auch das Reisegaststättengewerbe ein (dazu Rn 410 ff).
3. Recht der Wirtschaft und Ordnungsrecht
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Besonderer Aufmerksamkeit bedarf die Abgrenzung zwischen Recht der Wirtschaft und dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht der Länder. Selbst dann, wenn der Bund keine speziellen Regelungen erlassen hat, gilt der Grundsatz der Gewerbefreiheit. Wegen § 1 GewO kann der Zugang zum Gewerbe[562] aus kompetenzrechtlichen Gründen nur durch ein Bundesgesetz eingeschränkt werden. Die Landesgesetzgeber können folglich nur Genehmigungsvorbehalte einführen, soweit sie durch die GewO dazu ermächtigt werden (s. zB §§ 33b, 71a GewO). Infolge der Föderalismusreform ist allerdings die Reichweite dieses Grundsatzes problematisch geworden.
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Erst recht könnten landesrechtliche Regelungen nicht auf die polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel gestützt werden, die auch unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten relevant wird (zu den grundrechtlichen Fragen bereits Rn 126, zum Gewerberecht ausführlich unten Rn 320 ff). Eine Auslegung des Polizei- und Ordnungsrechts als generelle Zulassungsschranke verstieße gegen die bundesrechtliche Regelung des § 1 GewO[563]. Allerdings ist es den Ländern nicht verwehrt, die Art und Weise des Betriebes eines Gewerbes zu normieren, solange solche Regelungen nicht einer generellen Zulassungsschranke oder Ermächtigung zur Gewerbeuntersagung gleichkommen[564]. Insbesondere kann gegen einzelne Formen der Gewerbeausübung mit polizei- und ordnungsrechtlichen Mitteln vorgegangen werden, solange nicht die Ausübung des Gewerbes als solche in Frage gestellt, sondern lediglich die Art und Weise der Gewerbeausübung beschränkt wird[565]. Soweit allerdings die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft auf die Bundesländer übergegangen ist (s. zum Spielrecht Rn 169 f und zum Gaststättenrecht Rn 410), entschärft sich die Problematik, indem beispielsweise landesrechtliche Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch in Gaststätten nunmehr unabhängig davon zulässig sind, ob man sie dem Gewerbe- oder dem Ordnungsrecht zuordnet[566].
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Von besonderer Relevanz ist die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern im Bereich des Glücksspielrechts. Traditionell wurden zwei Materien unterschieden, das gewerberechtliche Spielrecht der §§ 33c ff GewO und das Recht der Spielbanken, Sportwetten und Lotterien. Die Unterscheidung, die der Bundesgesetzgeber in § 33h GewO zu konkretisieren versuchte, fußte im Wesentlichen darauf, dass man Erstere dem Kompetenztitel Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG (Recht der Wirtschaft) zuordnete, während Glücksspiel traditionell zur (polizei- und ordnungsrechtlichen) Gesetzgebungskompetenz der Länder gezählt wurde, weil es sich um eine „nicht erlaubte Tätigkeit“ handelte[567].
Seit der Sportwetten-Entscheidung des BVerfG[568] wird auch das Sportwetten- und Lotterierecht[569] dem Recht der Wirtschaft zugeordnet[570]. Entsprechendes hat für das Spielbankrecht zu gelten[571]. Eine Länderkompetenz ergibt sich auf diesen Gebieten daraus, dass der Bund entsprechende Regelungen jedenfalls bisher nicht erlassen hat[572]. Die Vorschrift des § 33h GewO wird daher zur Öffnungsklausel: Die Länder können alle nicht von der GewO erfassten Formen des Spiels bzw Glücksspiels regeln. Sie haben von ihrer Gesetzgebungskompetenz vor allem durch den Glücksspielstaatsvertrag Gebrauch gemacht[573]. Dessen Regelungen waren wiederholt Gegenstand von Verfahren vor EuGH und BVerfG (dazu schon oben Rn 63, 69).
§ 2 Der unions- und verfassungsrechtliche Ordnungsrahmen › VI. Organisation der Wirtschaftsverwaltung
VI. Organisation der Wirtschaftsverwaltung
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Fall 12:
Aus den Kreisen der Wirtschaft wird vorgeschlagen, die Aufsicht über Finanzdienstleistungen