Schuldrecht Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus
12
Im Ergebnis kennen wir damit drei verschiedene Leistungspflichtverletzungen, nämlich die nicht rechtzeitige Leistung („Leistungsverzögerung“), die nicht wie geschuldet erbrachte Leistung („Schlechtleistung“) und die Nichtleistung wegen Leistungsbefreiung nach § 275.[6]
1. Teil Einführung › B. Arten der Pflichtverletzung › II. Verletzung von Rücksichtspflichten
II. Verletzung von Rücksichtspflichten
13
Auch die Verletzung einer Rücksichtspflicht nach § 241 Abs. 2 stellt eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 dar. Dies folgt zwingend aus den §§ 282, 324, die für diesen Fall ergänzende Voraussetzungen für die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung bzw. die Ausübung eines Rücktritts vom gegenseitigen Vertrag vorsehen. Da bei den Rücksichtspflichten nur ein Verhalten und kein darüber hinausgehender Erfolg geschuldet ist, liegt eine Pflichtverletzung dann vor, wenn der Schuldner sich nicht in der den Umständen nach erforderlichen Art und Weise verhalten hat.[7]
Beispiel
Maler M hat sich verpflichtet, die Wohnung des A zu streichen. Da er es nicht lassen kann, raucht er bei der Arbeit eine Zigarette nach der anderen. Durch herabfallende Asche wird der Teppichboden des A beschädigt, da M keinen Aschenbecher benutzt (= Rücksichtspflichtverletzung).
Wäre der Anstrich objektiv mangelhaft, läge insoweit eine Leistungspflichtverletzung in Form der Schlechtleistung vor, ohne dass es auf den Grund ankäme. Die Ursache ist dann eine Frage des Vertretenmüssens.
Anmerkungen
Palandt-Grüneberg § 280 Rn. 12; Lorenz „Schuldrechtsreform 2002: Problemschwerpunkte drei Jahre danach“; NJW 2005, 1889, 1890 unter Ziffer IV 1 (sehr lesenswert!).
Looschelders Schuldrecht AT § 24 Rn. 484; Lorenz NJW 2005, 1889, 1890 unter Ziff. IV 1.
Man spricht in diesem Fall von „Unmöglichkeit durch Zweckerreichung“, Looschelders Schuldrecht-AT § 23 Rn. 458.
Looschelders Schuldrecht AT § 24 Rn. 485.
Lorenz NJW 2005, 1889, 1890 unter Ziff. IV 1.
Lorenz NJW 2005, 1889, 1890 unter Ziff. IV 1.
Lorenz NJW 2007, 1 unter Ziff. II 1 und ders. in NJW 2005, 1889, 1890 unter Ziff. IV 1 (beide Aufsätze sehr lesenswert!).
1. Teil Einführung › C. Aufgaben der Regelungen über Leistungsstörungen
C. Aufgaben der Regelungen über Leistungsstörungen
14
In allen Fällen der Pflichtverletzung muss das Gesetz entscheiden, wie es die verschiedenen Interessen der betroffenen Personen ausgleicht.
Durch die Pflichtverletzung können dem Gläubiger Schäden entstanden oder Aufwendungen sinnlos geworden sein.
15
Es muss also geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger Schadensersatz und Ersatz für vergebliche Aufwendungen verlangen kann.
16
Bei gegenseitigen Verträgen stellt sich die zusätzliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger verpflichtet ist, die seinerseits geschuldete Gegenleistung zu erbringen. Wenn die Leistung des Schuldners nicht ordnungsgemäß erbracht wurde, hat der Gläubiger regelmäßig ein Interesse, seine Gegenleistung zurückzuhalten. Hat er bereits vorgeleistet, möchte er möglicherweise seine Gegenleistung wieder zurückbekommen.
Weiter kann es sein, dass der Gläubiger beim gegenseitigen Vertrag gar kein Interesse mehr hat, es weiter mit seinem Vertragspartner „zu tun zu haben“. Es muss daher auch geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger sich vom Vertrag wieder lösen kann, um das Geschäft mit einem anderen Vertragspartner durchzuführen.
17
Wir werden diese Fragen nun der Reihe nach anhand der verschiedenen Pflichtverletzungen durchgehen. Wir beginnen mit der Leistungsverzögerung und besprechen anschließend die Besonderheiten bei der Nichtleistung wegen Leistungsbefreiung nach § 275. Den Abschluss bildet die Rücksichtspflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 im Schuldverhältnis sowie in der besonderen Situation des vorvertraglichen Schuldverhältnisses.
Die Schlechtleistung ist hingegen kein gesonderter Gegenstand dieses Skripts. Sie soll im Zusammenhang mit dem Gewährleistungssystem der besonderen Schuldverhältnisse erörtert werden. Die Struktur und Probleme der Schlechtleistungsregeln des Allgemeinen Schuldrechts erschließt sich allerdings bereits durch die Beschäftigung mit den anderen Pflichtverletzungen, insbesondere den Verzögerungstatbeständen. Darauf können wir dann im Besonderen Schuldrecht aufbauen.
18
Wie wir gesehen haben, müssen wir streng zwischen dem Tatbestand der Pflichtverletzung und der Frage des Vertretenmüssens unterscheiden. Da das Vertretenmüssen als Tatbestandsmerkmal bei sämtlichen Schadensersatzansprüchen der §§ 280 ff. zu berücksichtigen ist, sollen die Grundzüge des Vertretenmüssens vorweg, sozusagen „vor die Klammer gezogen“ erörtert werden. Wir können uns dann bei den einzelnen Tatbeständen diesbezüglich kürzer fassen und ergänzend auf diesen Abschnitt verweisen.
2. Teil Vertretenmüssen
Inhaltsverzeichnis