Schuldrecht Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus
wird analog auf Ausschlussfristen angewendet, nach deren Ablauf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen sein soll.[13]
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Neben § 276 Abs. 3 existieren zahlreiche besondere Wirksamkeitshindernisse für Haftungsbeschränkungen.
Beispiele
§ 202 Abs. 1 im Hinblick auf Verjährungserleichterungen (siehe oben); § 619 im Hinblick auf Pflichten aus §§ 617, 618; § 8a StVG bei entgeltlicher Personenbeförderung für Haftung aus § 7 StVG; § 14 ProdHG für Ersatzpflicht des Herstellers nach ProdHG.
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Im Übrigen gilt die allgemeine Grenze des § 138.
Eine Unwirksamkeit nach § 125 S. 1 wegen Formnichtigkeit scheidet in der Regel aus, da Haftungsbeschränkungen grundsätzlich[14] formlos abgeschlossen werden können.
2. Besonderheiten bei Haftungsbeschränkung in AGB
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Bei Vereinbarung eines Haftungsausschlusses durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 sind die vorstehenden Wirksamkeitsvoraussetzungen selbstverständlich ebenfalls zu beachten. Das Gesetz geht hier aber noch weiter und verschärft die Grenzen.
Nach § 309 Nr. 7b ist in AGB auch ein Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit unzulässig. Nach § 309 Nr. 7a kann der Haftungsmaßstab in Bezug auf die Verletzung der Rechtsgüter Leben, Körper und Gesundheit gar nicht abgemildert werden.
§ 309 Nr. 7 erfasst auch solche Klauseln, die – wie in den vorigen Beispielen – die Haftung zeitlich oder der Höhe nach begrenzen.[15]
JURIQ-Klausurtipp
Nach § 310 Abs. 1 S. 1 findet § 309 nur bei Verwendung gegenüber einem Verbraucher Anwendung. Aus § 310 Abs. 1 S. 2 folgt aber, dass die nach § 309 verbotenen Klauseln auch bei Verwendung gegenüber Unternehmern unwirksam sein können (aber eben nicht müssen!), wobei die Unwirksamkeit dann gesetzestechnisch aus § 307 Abs. 1 und Abs. 2 folgt.
Verstößt eine Klausel gegen § 309 Nr. 7 ist sie auch im Verkehr gegenüber Unternehmern stets als unwirksam anzusehen.[16]
Sie zitieren dann § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1, da die Klausel von den Grundsätzen einer Schadensersatzhaftung nach dem Verschuldensmaßstab des § 276 unangemessen abweicht.
Achtung: Geht es in Ihrem Fall um die Haftung wegen vorsätzlicher Pflichtverletzung, kommt es auf § 309 Nr. 7 gar nicht an, da die Klausel – ob AGB oder nicht – ohnehin nach § 276 Abs. 3 unwirksam ist.
3. Auswirkungen unzulässiger Haftungsklauseln
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Was aber passiert, wenn die Vertragsparteien sich darüber hinwegsetzen und im Vertrag eine Bestimmung aufgenommen wurde, die gegen § 276 Abs. 3, § 309 Nr. 7 oder ein sonstiges Verbot verstößt?
Beispiel
Im Kaufvertrag wird unter Verstoß gegen § 309 Nr. 9a, aa vereinbart: „Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Haftung.“
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Bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen gibt uns § 306 die Antwort.
Die Folgen der Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung richten sich nach § 306, der nicht nur dann gilt, wenn sich die Unwirksamkeit einer Klausel aus den §§ 305c, 307 ff. ergibt.[17]
Grundsätzlich bleibt der Vertrag gem. § 306 Abs. 1 im Übrigen wirksam, nur die betroffene Klausel wird durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt, § 306 Abs. 2. § 306 ist lex specialis zu § 139 und dreht das Regel-Ausnahme-Verhältnis um, indem er den Vertrag grundsätzlich (Ausnahme: § 306 Abs. 3) wirksam bleiben lässt.
Allerdings ist anerkannt, dass ein Teil einer unwirksamen Klausel unter der Voraussetzung aufrechterhalten bleiben kann, dass sich die Klausel nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (sog. „blue-pencil-Test“).[18] Wenn die Klausel – wie im Beispiel – die Haftung pauschal ausschließt, ist dies aber nicht der Fall.[19] Um zu einem inhaltlich zulässigen Klauselinhalt zu gelangen, müsste die Klausel um eine Ausnahmeregelung für eine Vorsatzhaftung ergänzt werden. Das wäre der Sache nach aber eine geltungserhaltende Reduktion durch inhaltliche und sprachliche Neufassung einer unzulässigen Klausel, die allgemein nicht für zulässig gehalten wird.
Hinweis
Im Ergebnis ist damit jede Klausel unwirksam, die die Schadensersatzhaftung ausschließt oder begrenzt und dabei nicht exakt die Ausnahmetatbestände der §§ 276 Abs. 3, 309 Nr. 7a und b abbildet.
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Bei Individualvereinbarungen könnte man die Lösung in § 139 suchen, der bei Teilnichtigkeit im Zweifel für die Unwirksamkeit des gesamten Rechtsgeschäfts entscheidet. Dann würde man aber den Schuldner über Gebühr begünstigen, dem die Haftungsbegrenzung zugutekommen sollte. Schließlich bestünden gegen ihn dann mangels vertraglichen Schuldverhältnisses gar keine vertraglichen Primär- und Sekundäransprüche mehr. Das wird allgemein für unbillig gehalten, so dass ein Verstoß gegen ein gesetzliches Vereinbarungsverbot keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 139 auslöst, sondern lediglich zur Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses führt, soweit der Verbotstatbestand verletzt ist.[20]
Hinweis
Der Gesetzgeber berücksichtigt diesen Ansatz in neueren Regelungen, indem er z.B. im (reformierten) § 444 formuliert, der Verkäufer könne sich auf den Haftungsausschluss „nicht berufen“.[21]
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Anmerkungen
BGH NJW 1992, 2474, 2475 unter Ziff. II 2d; Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 2.
BGH NJW 1992, 2474, 2475 unter Ziff. II 2d; Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 2.
Palandt-Grüneberg § 277 Rn. 2.