Online-Dating für Dummies. Chris Pleines
Teil I
Überblick: Die Online-Dating-Welt von heute
IN DIESEM TEIL …
Online-Dating: Wo und wie alles begann
Online-Dating-Angebote heute: Wie sieht der deutsche Markt aus?
Wieso (nicht) Online-Dating? Die Vor- und Nachteile der digitalen Partnersuche
Kapitel 1
Online-Dating: Wo und wie alles begann
IN DIESEM KAPITEL
Liebe und Partnerschaft früher und heute
Anfänge des Online-Datings
Wie entwickelte sich der deutsche Online-Dating-Markt
Die Suche nach Liebe hat sich über die Zeit hinweg stets an den Populärmedien orientiert. In diesem Kapitel folgen wir den Spuren der Partnersuche und -vermittlung von Heiratsgesuchen über Fernseh-Flirtshows bis hin zu Tinder und Co. Welche Dating-Seite war dabei die erste in Deutschland, und welche Pioniere dieser neuen Dating-Ära halten sich auch heute noch?
In Deutschland gibt es mehr als 3.500 Dating-Seiten, aber wodurch unterscheiden sich diese überhaupt, und welche Seite ist für wen geeignet? Und für wen lohnt sich Online-Dating überhaupt?
Wo beginnt die Geschichte des (Online-)Datings? Womöglich bei Adam und Eva, zumindest wenn es um Liebe geht. An dieser Stelle möchten wir aber nicht ansetzen, sondern weitaus später, nämlich im 18. Jahrhundert.
Wie wir Liebe suchen und finden, hängt maßgeblich von den zur Verfügung stehenden Medien ab. Geschichtlich kann man genau betrachten, wie sich die Form der Liebessuche gewandelt hat: über Annoncen in Zeitungen, über Fernseh-Dating, letztlich nun bis hin zur Ära der Partnersuche online.
Liebe über Zeit und Medien hinweg
Gegen 1750 erschien die erste Annonce eines Heiratsgesuchs in einer deutschen Zeitung, die sich primär um Status, Bildung und Vermögen drehte – andere Faktoren wie zwischenmenschliche Harmonie oder gemeinsame Interessen und Vorlieben waren damals zweitrangig.
Romantische Liebe, so wie wir sie verstehen, gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Zuvor wurden Ehen von Familien zur Vermögensbildung oder -absicherung arrangiert und waren somit ein reiner Zweckverbund. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich auch die ersten Annoncen, weswegen ledige Männer »Brautbilder« von Hofmalern erstellen ließen, um eine passende adelige Dame zu finden. Oft wurden diese Gemälde jedoch geschönt, was zu Enttäuschungen beim ersten Treffen führte – dieses Phänomen lässt sich auch heute noch beobachten, wobei vor allem Filter wie die der App Snapchat heutzutage eine tragende Rolle beim Catfishing und Verzerren der Wahrheit spielen.
Catfishing
Der Ursprung des Begriffs »Catfishing« liegt wohl in einer amerikanischen Geschichte: Welse (engl. = catfish) können angeblich als »Attrappe« genutzt werden, um lebende Dorsche während eines langen Transports in Bewegung zu halten.
Populär wurde der Begriff allerdings durch den Dokumentarfilm »Catfish«, der berichtet, wie ein junger Mann sich online in ein vermeintliches Model verliebt. Die Frau hinter den Fotos im Profil hat jedoch sowohl Bilder als auch Identität eines Models gestohlen. Nach dem Erfolg des Films hat MTV mit der Produktion der gleichnamigen Serie begonnen, die solche Betrugsfälle aufdeckt.
Catfisher sind folglich Personen, die entweder Fake-Profile mit gestohlenen Fotos erstellen, andere Identitäten annehmen, um sich Vorteile zu verschaffen, oder ihre eigene Person und ihr Aussehen (durch Filter und Retusche) so stark manipulieren und verschönern, dass sie nicht der Realität entsprechen.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde es dann wesentlich romantischer: Zukünftige Ehemänner warben bei den Eltern um die zukünftige Braut.
Durch die industrielle Revolution im 19. und 20. Jahrhundert wurden jungen Singles neue Möglichkeiten eröffnet: Singles wohnten alleine, getrennt von ihren Eltern und deren (Moral-)Vorstellungen, arbeiteten in modernen Berufen und waren wesentlich selbstständiger als noch einige Generationen zuvor. Die Formen des Kennenlernens wandelten sich, Rendezvous wurden erfunden und die moderne Art des Datings geboren. Singles konnten ihre Partner nach ihrem Geschmack selbst wählen, und Ehe war (vor allem in urbanen Gegenden) mehr als nur ein Zweckverbund.
Während Paare in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts aber noch recht konservative Beziehungsvorstellungen hatten, sahen es die nachfolgenden Generationen etwas lockerer: Mit der Erfindung der Anti-Baby-Pille eröffneten sich neue Freiheiten der Sexualität. Serielle Monogamie war plötzlich eine Alternative zum »Partner für das ganze Leben«. Die 60er-Jahre sind somit eine Zeit des tiefgreifenden sozialen, sexuellen und moralischen Wandels, der dazu führte, dass kurzfristige Partnerschaften »erlaubt« sind und der Hang zur Selbstoptimierung zunimmt.
Erste Anfänge des Online-Datings
Erste Anfänge der elektronisch unterstützten Partnersuche gab es bereits in den späten 1950ern an der Stanford University: Jim Harvey und Phil Fialer belegten einen Kurs zur »Theorie und Praxis von Rechenmaschinen«, der sie darauf brachte, an einem Großrechner ein Dating-Programm zu entwickeln, um Menschen zusammenzubringen. »Happy Families Planning Service« war somit die erste digitale Form der Partnersuche, die 50 männliche und 50 weibliche Singles miteinander matchen sollte. Dafür wurden anhand von Fragebögen Psychogramme erstellt, die Einstellungen und Gewohnheiten abdeckten. Leider war das Programm eher minder erfolgreich, die Idee dafür sollte aber Jahrzehnte später ebenso aktuell sein.
Computer-Dating ermöglichte Beziehungen zwischen Liebes- und Vernunftsehe – ein Mittelweg und eine Zwischenlösung, die sich nicht nur an finanzieller Stabilität orientiert, sondern auch Raum für Liebe lässt. Dies sprach viele junge Erwachsene an und lief den veralteten Heiratsbüros, die noch ganz analog den richtigen Partner zu finden versprachen (ähnlich moderner Offline-Partnervermittlungen), den Rang ab.
Der Heiratsmarkt verwandelte sich durch diese neuen Möglichkeiten zusehends zu einem Beziehungsmarkt und war damit Sinnbild gesellschaftlicher Umbrüche: Der perfekte Partner ist eventuell nur seriell, Loyalität sich selbst gegenüber löst die gegenüber dem Partner teilweise ab.
Elektronisches Dating – Anfänge des Algorithmus
Ab den 1960er-Jahren waren vor allem in Amerika auch Computer-Dating-Agenturen zunehmend beliebt. Elektronisches Dating wurde kommerziell vermarktet und löste so kirchliche Eheberatungs-Institutionen allmählich ab.
Die Frage, wie und ob der perfekte Partner durch einen Algorithmus bestimmt werden kann, beschäftigte vor allem Sozial- und Computerwissenschaftler. Faktoren, die eine gelingende Partnerschaft wahrscheinlicher machen, wurden analysiert, quantifiziert und abgeglichen. Die Anfänge der »planbaren« Liebe liegen somit in den USA, wo Matching-Algorithmen entwickelt und kommerziell von Instituten und Agenturen genutzt wurden.
Allerdings hatte diese junge Form des Online-Datings auch mit Ablehnung zu kämpfen: dem kalten, kalkulierenden Computer wurde die Fähigkeit abgesprochen, wahre Liebe zu ermöglichen und Menschen verbinden zu können, das Matching war zu teuer, und Bedenken rund um Privatsphäre und Datenschutz wurden laut, nachdem einige Singles Kontaktdaten an Dritte weiterleiteten.
Ab den 1970ern wurden durch Video-Dating vor allem Chatrooms sehr beliebt, die eine intimere Kommunikation ermöglichten.