Inspiration 3/2021. Verlag Echter

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den bisherigen Beiträgen zur geistlichen Begleitung ging es zuerst um die Selbsterkenntnis, wirklich ein unverwechselbarer einzelner Mensch zu sein, dann darum, wahrzunehmen, was sich in dieser Reduktion als wahr erweist. In dem heute uns gestellten Thema wird deutlich, dass dies nie möglich ist, ohne die wechselseitige Beziehungsdynamik des Ich – Du – Wir.

       Die andern ändern?

      Im Lauf meiner eigenen Entwicklungsgeschichte wie in Begleitgesprächen habe ich den Eindruck gewonnen: Menschen leiden vor allem in und an Beziehungen. Nicht selten stellt sich dann die Frage: Ist dieses Leiden nicht gleichursprünglich ein Leiden in und an der Beziehung zu sich selbst?

      Leidet die begleitete Person dauerhaft sehr in und an einer Beziehung – sei sie privat oder dienstlich –, gilt es, sie zuerst zu unterstützen, sich selbst ehrlich und freundlich in den Blick zu nehmen: Ich bin ein einflussreicher Part dieser belastenden Beziehung. An dem entstandenen Beziehungsgeflecht aus Emotionen und Reaktionen habe ich mitgestrickt. Vermutlich bin ich viel mehr Mitgestalterin dieser Beziehung, als ich auf den ersten Blick erkenne. Bei geistlichen Meistern (wie Eckhart, Tauler, Johannes vom Kreuz) fällt auf, wie oft sie die Begleiteten mahnen: Bleib bei dir! Kehr bei dir ein! Stell dich zuerst deiner eigenen Wirklichkeit!

      Wir erinnern uns an Jesu unbequeme Einladung, zuerst den Balken im eigenen Auge zu erkennen und herauszuziehen und dann erst den Splitter des andern. Je näher mir ein Hindernis ist, und sei es noch so gering, desto größere Auswirkung hat es. So wird der Splitter im eigenen Auge zum Balken, der mir die ganze Sicht auf den andern verstellt.

      Eine begleitete Person erzählt: Ich werde in meinem Team nicht gesehen und gehört. Ich frage: Wie ist dieser Eindruck entstanden, wie ist es zu dieser Wahrnehmung gekommen? Im Erzählen wird ihr deutlich: Sie ist sehr zurückhaltend, äußert sich kaum. Irgendwann bricht dann in einer Teamsitzung die angestaute Energie mit Wucht durch: »Ich werde hier übergangen! Keiner nimmt mich wahr!« Irritiertes Schweigen, dann geht das Gespräch weiter wie zuvor. Die Betroffene ist nun erst recht fassungslos über das unmenschliche, unchristliche Verhalten der andern. Erst nachdem sie den Fokus der Aufmerksamkeit wieder auf sich selbst richtet, bei sich einkehrt und auf ihrer Seite bleibt, geht ihr allmählich auf: »Was meinen Part angeht, bin ich lange Zeit in der Deckung und meinen Beitrag schuldig geblieben. Gewiss, niemand hat mich nach meinem Beitrag gefragt – zugleich hat mich niemand gehindert, mich einzubringen. Ich selbst habe mich zurückgesetzt und blockiert. So blieb ich meinen Beitrag der Gemeinschaft schuldig. Meine Stärke ist die zuhörende Haltung der Seelsorgerin. Das ist mein Charisma. Aber eine Teamsitzung ist keine seelsorgliche Gesprächssituation. Ich möchte lernen, mich aus meiner hörenden Haltung früher hinauszuwagen und meinen Beitrag in die Runde zu geben.«

      Nicht selten braucht die Begleitete bis zum Ergreifen der partiellen, eigenen Gestaltungsmacht viel Zeit und Geduld. Erkennen ist das eine –, ein jahrzehntelang eingespurtes Verhalten verlassen und ein neues, gemeinschaftsfreundlicheres Verhalten einspuren etwas anderes. Wenn sie in der Übergangsphase hin und wieder in die alte Spur zurückrutscht, ist dies verständlich.

       Nicht selten braucht die Begleitete bis zum Ergreifen der partiellen, eigenen Gestaltungsmacht viel Zeit und Geduld. Erkennen ist das eine –, ein jahrzehntelang eingespurtes Verhalten verlassen und ein neues, gemeinschaftsfreundlicheres Verhalten einspuren etwas anderes.

       Verbindlich eingebunden

      Unverbindlichkeit und Bindungsscheu wird dem heutigen Menschen häufig attestiert. Um »ungeordnete Neigungen« (Ignatius von Loyola) zu lösen und sein Leben neu und klarer zu ordnen, bedarf es einer gewissen Verbindlichkeit und sanfter Selbstdisziplin. »Achte sorgfältig darauf, wie du dein Leben führst«, heißt es im Epheserbrief (vgl. 5,15). Gerade im Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit anderen ist ein gewisses Maß an verlässlicher Verbindlichkeit und Ordnung unverzichtbar. In der geistlichen Begleitung wird deutlich, wie unterschiedlich Menschen damit umgehen.

      Die andere empfindet Ordnung und Verbindlichkeit geradezu als Bedrohung ihrer Identität. Sie ist auf andere Weise darauf fixiert, niemanden an sich heranzulassen, sich mit niemandem abzustimmen. Sie ist darauf festgelegt, sich nicht festzulegen. Für alle Eventualitäten will sie sich möglichst viele Optionen offenhalten, ohne sich für die eine oder andere zu entscheiden. Deutlich erkennbar führt auch hier die Angst Regie.

      Beide Extreme bedürfen oft neben der geistlichen einer psychologischen Begleitung. Die eine wie die andere gilt es, darin zu unterstützen, sich bislang Verdrängtem und Unbekanntem anzunähern und zu öffnen. Ohne solches Sich-Öffnen und Hinauswagen wird ihr geistliches Leben nicht lebendig.

       Im gemeinsamen Haus

      Stärke und zugleich Schwäche geistlicher Begleitung ist die Fokussierung auf die einzelne Begleitete. In Wahrheit, d. h. in Gott, ist sie eine von allen, eine winzige Zelle im Menschheitsleib. Die einzelne Zelle kann ansteckende Gesundheit oder ansteckende Krankheit verbreiten. Jede einzelne ist göttlichen Ursprungs.

       Ein


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