Music Lovers. John Densmore
als hier. Was hat es denn damit auf sich?“
„Wenn man sie richtig positioniert, John, dann braucht man nicht mehr“, erwiderte mir Bruce.
Diese Antwort erinnerte mich wiederum an den brillanten Produzenten Daniel Lanois, der ganz hinten im Mix eine mit sehr viel Echo verhallte Gitarre platzierte, was der Musik Tiefe und Räumlichkeit verlieh.
Plötzlich erspähte ich ein mir bekanntes Gesicht unter den Perkussionisten: Emil Richards! „Okay, ich verziehe mich mal zu meinen Leuten.“ Ich blickte zu Goldsmith, um sicherzustellen, dass er nicht gerade aufnehmen wollte. Dann betrat ich den Aufnahmeraum. Es erinnerte mich an das Sinfonie-Orchester an der Highschool, nur handelte es sich hier garantiert nicht um Amateure. Emil hieß mich unter meinesgleichen willkommen und zeigte mir seine Ausrüstung. Er besaß eine der umfangreichsten Sammlungen von Instrumenten, die er aus jeder Ecke der Welt mitgebracht hatte.
Als ich Mike am Flügel bemerkte, kam auch er zu uns herüber. Er hatte mit mir die Uni High School besucht. Schon damals hatte sich abgezeichnet, dass er einmal ein großartiger Jazzpianist werden würde. All die Typen hier spielten in der Oberliga der Studiomusiker und wurden angeheuert, um so mancher Session ihren Stempel aufzudrücken. Die meisten von ihnen bekamen das Doppelte oder Dreifache vom Mindestlohn bezahlt.
Jerry Goldsmith hatte nun ebenfalls den Raum betreten und Aufstellung am Podium bezogen. Er machte mit dem Dirigentenstab auf sich aufmerksam. „Einsatz Nummer 36, bitte“, informierte er die große Ansammlung von Musikern. Emil signalisierte mir, dass ich bleiben könne, wenn ich mich mucksmäuschenstill verhielte. Mike Lang kehrte an seinen Flügel zurück. Bruces Stimme erklang über die Lautsprecher: Die Aufzeichnung lief bereits. Jerry dirigierte ein paar überaus komplexe Minuten Orchestermusik. Im Anschluss rief Bruce: „Alles im Kasten!“
Mike Lang kam nun noch einmal zu uns rüber, um unser Pläuschchen fortzusetzen. Ich konnte kaum fassen, dass diese Musiker diese so anspruchsvolle Musik vom Blatt spielen konnten. Ich weiß noch, wie ich mich in der Schule mit dem Notenlesen geplagt hatte. Diese Typen aber schafften alles gleich im ersten Anlauf. Ich empfand enormen Respekt für sie.
Das nächste Mal sah ich Emil erst auf der DVD Concert for George wieder. Ein trauriger Anlass eigentlich: Immerhin handelte es sich hierbei um die Aufzeichnung jener Veranstaltung, die zu George Harrisons erstem Todestag in der Royal Albert Hall stattgefunden hatte. Allerdings war diese Show auch eine der eindrucksvollsten Hommagen, die einem Musiker zuteilwerden konnten. In der ersten Hälfte spielten ungefähr 15 der besten indischen Musiker eine Komposition, die Ravi Shankar anlässlich Georges Ableben geschrieben hatte. Ravis Tochter Anoushka dirigierte und Emil spielte auf der Marimba. Er weihte mich ein, dass Anoushka eine ganz klare Linie verfolgte, um den westlichen Musikern zu helfen, in die sehr komplexen Raga-Melodien hineinzufinden. Das war ja so spannend! George erhielt einen musikalischen Abschied, den selbst die Engel im Himmel noch hören konnten.
Jahre später erklärte mir Emil beim Abendessen, dass er kurz nach Georges Tod noch bei ihm gewesen war. Er war gerade mit seiner heißgeliebten Frau Celeste im Kino, als er von Georges Frau Olivia einen Anruf erhielt. George hatte zwar unsere Daseinsebene bereits verlassen, doch Olivia lud Emil und Celeste zu sich ein, um sich noch zu verabschieden. Zusammen hielten sie am Bett des Beatles-Gitarristen eine traditionelle Puja ab. Dabei handelt es sich um ein Gebetsritual, mit der man einer Gottheit die Ehre erweisen möchte. Emil schwor mir, dass er, als er zum Ende kam, den Anflug eines Lächelns über Georges Gesicht huschen sah.
Emil channelte die Musik der Sphären. Es existieren Geister, die unter uns wandeln, um uns das Licht zu bringen. Wir können so viel Licht gebrauchen, wie wir kriegen können, da die Dunkelheit um uns herum fast undurchdringlich erscheint. Emil leuchtete mit seinem Licht in den Abgrund. Er tat dies mit einem Lächeln. Es ist nun schon 20 Jahre her, dass ihm ein Arzt mitteilte, dass er aufgrund seines Zigarettenkonsums wohl bald den Löffel würde abgeben müssen. George Harrison hatte ihm einmal eine riesige Kiste für seine Percussion-Instrumente bauen lassen, die ein exakter Nachbau einer Camel-Packung war.
Seine Tochter Camille erzählte mir, dass ihr Dad eines Tages auf seine Handfläche zeigte und sagte: „Sieh mal die Lebenslinie hier. Die ist so lang, die reicht bis zu meinen Eiern runter!“ Vor ein paar Jahren sagte Emil beim Mittagessen zu mir: „Ich werde euch schon noch ein Weilchen erhalten bleiben.“ Ich fragte mich, wie viel Einfluss er auf solche kosmischen Fragen tatsächlich hatte. Nun ist das Licht meines geliebten Lehrmeisters erloschen und ich beende das Telefonat, in dem mich Celeste davon in Kenntnis gesetzt hat. Sie berichtete mir auch, dass er sie vor ein paar Tagen noch darum gebeten hatte, sich zu ihm ins Bett zu legen, um ihn zu festzuhalten. Er war 86 Jahre alt und alles ging ganz schnell. Keine Schmerzen. Am Morgen hatte er noch zu seiner Tochter gesagt: „Heute ist es soweit.“
„Ach, komm schon, Dad!“, hatte Camille unwirsch reagiert.
Um sein Licht wieder zum Erstrahlen zu bringen, spielte ich auf einer afrikanischen Trommel, die ich von Emil geschenkt bekommen hatte. Ich widme den Rest meines Lebens der Aufgabe, jenen Funken zu channeln, der den Augen meines Percussion-Kollegen zu entspringen schien.
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