Papa werden. Anna Machin

Papa werden - Anna Machin


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Und dann wurde ich älter und erkannte, dass es tatsächlich die Möglichkeit gibt. Ich hatte immer einen sehr starken Drang, Vater zu werden. Ich denke […] am Anfang war es ein bisschen der Gedanke: »Ich kann die Welt nicht verlassen, ohne dass ein Teil von mir bleibt! Ich kann nicht einfach aussterben!« Aber das spielt jetzt gar keine Rolle mehr.

       Adrian, Papa von Judy (sieben)

      Für die schwulen Väter, mit denen ich gearbeitet habe, war es manchmal schwierig, eine »Papa«-Identität anzunehmen, weil es so wenige Beispiele oder Rollenmodelle für schwule Väter gibt, denen sie hätten folgen können, und weil viele Probleme damit haben, ihre Identität mit der Figur des eindeutig heterosexuellen Vaters in Einklang zu bringen. Hinzu kommt noch, dass die Ankündigung eines schwulen Mannes, er werde Vater, nicht unbedingt Begeisterungsstürme auslöst, wie sie heterosexuelle Paare erwarten können.

      Aber der schwule Vater hat im Vergleich zum heterosexuellen bei Identitätsfragen einen großen Vorteil: Seine Rolle wird weniger durch das Geschlecht bestimmt. In der heterosexuellen Beziehung ist gesellschaftlich festgelegt, dass es eine Mutter und einen Vater gibt und dass diese Rolle und alle damit verbundenen Aspekte durch das Geschlecht definiert werden. In einer schwulen Elternbeziehung sind die Grenzen zwischen den Rollen hingegen fließender, nicht das Geschlecht gibt den Ausschlag, sondern wer welche Rolle übernimmt, kann danach entschieden werden, wer was gut kann oder gern tut. In Großbritannien gibt es bislang nur sehr wenige schwule Väter, und diejenigen, mit denen ich Interviews geführt habe, nutzen diese Flexibilität, um ihre Rollen zu entwickeln. Für Simon und seinen Ehemann Calum hat das bedeutet, einem traditionellen heterosexuellen Modell zu folgen, bei dem Calum als Hauptverdiener in Vollzeit arbeitet und Simon mit Begeisterung die »Mutterrolle«, wie er sagt, übernommen hat:

      Ich fühle mich – natürlich hat alles mit Kultur und Geschlechterrollen und so zu tun –, aber ich fühle mich wirklich als Mutter, weil ich zu Hause bin. Ich hole sie ab, und in der Nacht kommen sie zu mir. Ich bin normalerweise für Essen und Trösten und für all die kleinen Dinge zuständig. Ich fühle mich als Mama.

       Simon, Papa von Daisy (sechs) und Bill (fünf)

      Adrian und Noah hingegen schöpfen die Freiheit ihrer nicht durch Geschlechterrollen bestimmten Situation aus, um wirklich gleichberechtigte Elternteile zu sein, unabhängig von kulturellen Normen hinsichtlich der Arbeitsteilung oder der Propagierung der Mutter als wichtigste Bezugsperson.

      Wie haben den ganzen Prozess gemeinsam durchlaufen. Wir haben sie zu uns geholt […] und wir haben uns als Familie eingerichtet. Wir haben gemeinsam das Baby kennengelernt. Es war nicht so: »Also, du hast schon neun Monate lang mit ihr im Bauch eine Verbindung zu ihr hergestellt, und ich fühle mich ein bisschen außen vor.«

       Adrian, Papa von Judy (sieben)

      Für den modernen schwulen Vater in der westlichen Kultur kann es die Flexibilität, die die neue schwule Elternrolle erfordert, sehr viel leichter machen, ein involvierter Papa zu sein. Ohne die Last von Jahrhunderten Kultur und Tradition können schwule Väter ihre Rolle ganz neu definieren.

      * * *

      Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die Vaterschaft einen Mann verändert. Aber diese Veränderungen beginnen, lange bevor er sein neugeborenes Kind im Arm hält. Die Evolution hat dafür gesorgt, dass sich mit fortschreitender Schwangerschaft der Hormonspiegel des werdenden Vaters dem der werdenden Mutter angleicht und auch ihre Persönlichkeiten sich ähnlicher werden. Wenn der werdende Vater den Bauch seiner Partnerin streichelt, mit dem Ungeborenen spricht und ihm etwas vorsingt, wirken die mächtigen Bindungshormone Oxytocin und Dopamin und bringen ihn dazu, eine Form der Bindung an sein ungeborenes Kind zu entwickeln – erleichtert wird das noch durch die Kraft seiner Fantasie. Kurz vor der Geburt sinkt sein Testosteronspiegel, und die Persönlichkeit verändert sich. Der Drang, extravertiert zu sein, außerhalb der Familie nach Reizen zu suchen, nimmt ab, und die Offenheit für neue Erfahrungen und enge soziale Interaktionen nimmt zu. Der Mann wird auf die Vaterschaft vorbereitet und bildet dazu ein Team mit dem anderen Elternteil. Das Team entwickelt gemeinsame Ziele und eine gemeinsame Vorstellung, wie sie als Familie sein wollen. Alles dient der Vorbereitung auf die Vaterrolle.

      Für Sie als Leser bedeuten all diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis: Statt die neun Monate Schwangerschaft abzusitzen, sollten Sie darin eine Chance sehen und sie ergreifen. Für die Arbeit, die Sie jetzt investieren, um eine Bindung zu Ihrem Baby aufzubauen, werden Sie tausendfach entschädigt, wenn das Baby auf der Welt ist. So merkwürdig es sich auch anfühlen mag, versuchen Sie, mit dem schwangeren Bauch zu sprechen, reden Sie, singen Sie, berühren Sie ihn. Lesen Sie ihm die gesammelten Werke von Chaucer vor, wenn Sie Chaucer lieben, einfach damit das Ungeborene Ihre Stimme hört. Versuchen Sie sich vorzustellen, wer da drinnen ist. Wie wird es sein, wem wird es ähnlich sehen? Was werden Sie gemeinsam unternehmen, und welche Art Vater werden Sie sein? Nehmen Sie sich die Zeit für ein Gespräch, das nicht von einem schreienden Neugeborenen unterbrochen wird, mit Ihrer Partnerin (oder Ihrem Partner), Ihrer Familie und Freunden, wie das Leben nach der Ankunft des Babys sein wird und wie Sie da hineinpassen. Es ist normal, dass Sie sich über die bevorstehenden Veränderungen Sorgen machen, aber wenn aus den Sorgen Angst wird, sollten Sie mit den Menschen in Ihrer engsten Umgebung darüber sprechen oder mit professionellen Experten, die dafür da sind, um Sie zu unterstützen, oder in einem Online-Forum anonym Hilfe suchen. Am Ende des Buchs finden Sie eine Liste mit hilfreichen Links. Denken Sie daran, dass Sie auf sich achten müssen, damit Sie sich, wenn das Baby da ist, ganz Ihrer neuen Rolle, Ihrer neuen Familie und Ihrem neuen Leben widmen können.

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