Achtsames Selbstmitgefühl unterrichten. Кристин Нефф
effektiver durch implizite oder explizite Ansätze vermittelt wird, ist letztendlich eine empirische. Soweit wir wissen, hat sich bisher nur eine Studie mit dieser Frage befasst. Brito-Pons und Kollegen (2018) verglichen die Ergebnisse von Personen, die sich an einer Universität in Chile in einen CCT-Kurs eingeschrieben hatten (n = 26), mit denen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen (n = 32) eines MBCT-Kurses an derselben Universität, wobei allerdings zu beachten ist, dass die Teilnehmenden zwischen den beiden Settings nicht randomisiert waren. Dennoch erlaubt die Studie vorläufige Einschätzungen der möglichen Unterschiede zwischen dem expliziten und impliziten Vermitteln von Mitgefühl. Bei beiden Gruppen war eine signifikante Zunahme des Selbstmitgefühls (CCT = 28 Prozent, MBSR = 15 Prozent) zu beobachten. Obwohl die Zunahme bei CCT deutlicher war, unterschied sie sich nicht signifikant von MBSR. CCT-Teilnehmende berichteten auch von einer signifikanten Zunahme des Mitgefühls für andere (8 Prozent), empathischer Zugewandtheit (14 Prozent) und Identifikation mit der Menschheit (15 Prozent). Bei diesen Ergebnissen war bei der MBSR-Gruppe keine signifikante Veränderung zu verzeichnen (3 Prozent, 2 Prozent und –1 Prozent). Interessant ist, dass bei beiden Gruppen nahezu identische Zuwächse an Achtsamkeit beobachtet wurden (CCT = 17 Prozent, MBSR = 16 Prozent), was darauf hindeutet, dass die Ergebnisse nicht allein auf das Thema des jeweiligen Programms zurückzuführen waren.
Weitere Untersuchungen, die die relativen Wirkungen von Programmen wie MBSR, MBCT und MSC direkt vergleichen, sind notwendig, bevor die Überschneidungen und die singulären Vorteile verstanden werden können. Es ist wahrscheinlich, dass jedes Programm bestimmte Skills besser fördern kann als die anderen. MBSR und MBCT sind vielleicht effizienter bei der Beeinflussung von Phänomenen wie kognitive Flexibilität, Aufmerksamkeit und Interozeption (Keng et al., 2012), während mitgefühlsbasierte Programme wahrscheinlich eher das Selbstmitgefühl und die Fürsorge für andere fördern. So sind mitgefühlsbasierte Programme wahrscheinlich komplementär zu MBSR oder MBCT und eine nützliche Ergänzung vor allem für Menschen, die zur Selbstkritik neigen.
Es wurden einige Versuche unternommen, Interventionen zu entwickeln, die explizites Achtsamkeits- und Selbstmitgefühlstraining kombinieren, um bestimmte Störungen anzugehen. So haben beispielsweise Palmeira, Pinto-Gouveia und Cunha (2017) ein Zwölf-Wochen-Programm zur Gewichtsreduktion, genannt »KG-Free«, entwickelt, das Elemente von Achtsamkeit, ACT und mitgefühlsbasierten Ansätzen enthält. Eine randomisierte, kontrollierte Studie ergab, dass »KG-Free« zu einer signifikanten Steigerung des Selbstmitgefühls führte (13 Prozent), gesundes Verhalten förderte, das psychische Befinden sowie die Lebensqualität verbesserte und gewichtsbedingte negative Erfahrungen verringerte, verglichen mit einer Kontrollgruppe, die die herkömmliche Behandlung erhielt. Es ist unklar, ob dieser Einer-für-alles-Ansatz effizienter oder weniger effizient ist als Ansätze, die sich auf eine Form des Trainings fokussieren, aber die Ergebnisse legen nahe, dass mehr Forschung gerechtfertigt ist.
In der Tat wird sich ein wichtiger Bereich der zukünftigen Forschung darauf konzentrieren zu bestimmen, ob individuelle Differenzvariablen eine Rolle bei den relativen Auswirkungen jedes Programms auf das Wohlbefinden spielen. Zum Beispiel können MBSR und MBCT möglicherweise das Wohlbefinden von Personen mit niedrigen Achtsamkeits-Levels effektiver steigern, während MSC für diejenigen mit niedrigen Selbstmitgefühls-Levels effizienter sein könnte. Die Forschung könnte auch nutzbringend untersuchen, ob das Wohlbefinden maximiert wird, wenn beide Programme absolviert werden, und, wenn ja, in welcher Reihenfolge. Intuitiv betrachtet scheint es optimal zu sein, zuerst Achtsamkeit und dann Selbstmitgefühl zu erlernen, da das achtsame Wahrnehmen des Leidens die Grundlage für Selbstmitgefühl bildet. Menschen, die stark unter Scham oder Selbstkritik leiden, müssen jedoch vielleicht zunächst Selbstmitgefühl kultivieren, um das Gefühl emotionaler Sicherheit zu bekommen, das sie brauchen, um sich ihrem Schmerz achtsam voll und ganz zuwenden zu können. So oder so werden aber wahrscheinlich sowohl Interventionen gebraucht, die explizit Achtsamkeit lehren, als auch solche, die explizit Selbstmitgefühl lehren. In der buddhistischen Tradition werden Achtsamkeit und Mitgefühl als die zwei Flügel eines Vogels betrachtet (Kraus und Sears, 2009) – beide sind notwendig, um fliegen zu können.
Ein weiterer wichtiger Forschungsbereich ist die Vermittlung von Selbstmitgefühl außerhalb der üblichen persönlichen Settings. Wie bereits erwähnt, fanden Campo und Kollegen (2017) heraus, dass Live-Online-Selbstmitgefühlstraining bei Krebsüberlebenden wirksam zu sein scheint. McEwan und Gilbert (2016) stellten fest, dass tägliche fünfminütige Online-Übungen mit mitfühlender Imagination über zwei Wochen zu einer Zunahme des Selbstmitgefühls führte (17 Prozent) und dass dieser Effekt bei Personen mit ursprünglich hoher Neigung zur Selbstkritik sogar noch stärker war. Die Online-Übungen verringerten auch Gefühle der Unzulänglichkeit, Depressionen, Ängste und Stress, und die meisten positiven Ergebnisse waren bei einem Follow-up nach sechs Monaten konstant geblieben.
Es scheint, dass Selbstmitgefühl in ganz unterschiedlichen Formaten erlernt werden kann. Sommers-Spijkerman, Trompetter, Schreurs und Bohlmeijer (2018) untersuchten, wie sich die Verwendung eines Selbsthilfe-Ratgebers beim Erlernen von Selbstmitgefühl auswirkte. Sie führten eine randomisierte kontrollierte Studie mit niederländischen Teilnehmenden (n = 120) mit niedrigem bis mittelmäßigem Wohlbefinden durch, denen man ein Selbsthilfebuch auf der Basis von CFT zugesandt hatte, das sie zu Hause lesen sollten, und einer Wartelistekontrollgruppe (n = 122). Die Interventionsteilnehmenden erhielten eine wöchentliche Anleitung per E-Mail für ihre Praxis. Die Gruppe, die das Selbsthilfebuch las, entwickelte im Vergleich zur Wartelistenkontrollgruppe deutlich mehr Selbstmitgefühl (25 Prozent) und zunehmendes emotionales, psychisches und soziales Wohlbefinden (bewertet mit einer Reihe unterschiedlicher Messmethoden). Darüber hinaus zeigte die Interventionsgruppe bei einem Follow-up nach neun Monaten weiterhin eine Verbesserung bei vielen der gemessenen Werte für Wohlbefinden, einschließlich Selbstmitgefühl (30 Prozent). Angesichts des bequemen Arbeitens mit Selbsthilfebüchern, die überall erhältlich sind, sind diese Ergebnisse vielversprechend.
Eine weitere Möglichkeit, Selbstmitgefühlstraining anzubieten, sind Smartphone-Apps. Mak und Kollegen (2018) führten eine randomisierte kontrollierte Studie in Honkong durch, bei der die Teilnehmenden eine App auf der Grundlage von Achtsamkeit (n = 703), kognitiv-behavioraler Psychoedukation (n = 753) oder eine App mit dem Titel »Living with Heart«, basierend auf MSC (n = 705), erhielten. Die Probanden wurden gebeten, die App 28 Tage lang zu verwenden. Die Nutzung ging allerdings nach einer Woche stark zurück. Die Personen, die das Training abschlossen, waren gleichmäßig auf die unterschiedlichen Gruppen verteilt: Selbstmitgefühl (n = 112), Achtsamkeit (n = 104) und kognitiv-behaviorale Psychoedukation (n = 126). Diejenigen, die die Selbstmitgefühls-App und die kognitiv-behaviorale App verwendet hatten, berichteten von deutlich höheren Zuwächsen an Selbstmitgefühl (12 Prozent und 7 Prozent) als die Nutzer der Achtsamkeits-App (2 Prozent).
Falconer und Kollegen (2014) nutzten schließlich virtuelle Realität, um Selbstmitgefühl zu lehren – mit offensichtlichem Erfolg. Teilnehmern und Teilnehmerinnen mit rezidivierender Depression wurde das virtuelle Bild eines Kindes in Not gezeigt, und dann wurde aufgezeichnet, wie sie dem Kind Mitgefühl entgegenbrachten. Anschließend wurden sie nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeordnet: Entweder sahen sie ihr eigenes virtuelles Bild aus der Ich-Perspektive (n = 22), während sie sich selbst Mitgefühl entgegenbrachten, oder sie sahen das Ereignis aus der Perspektive einer dritten Person (n = 21). Diese Methode resultierte in signifikant höheren Zuwächsen an Selbstmitgefühl bei denjenigen mit der Ich-Perspektive (28 Prozent), verglichen mit den Teilnehmenden mit der Dritten-Person-Perspektive (–1 Prozent). Der Rückgang an Selbstkritik war in beiden Gruppen gleich, und die Stimmung der Teilnehmenden wurde unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit in unterschiedlichem Maße beeinflusst.
Angesichts der einfachen Umsetzbarkeit und Erschwinglichkeit vieler dieser Technologien sind diese Ergebnisse sehr ermutigend. Die Entwicklung und Verfeinerung neuer Möglichkeiten wird Menschen helfen, Selbstmitgefühl bequem von zu Hause aus zu erlernen – sei es durch Online-Interventionen, Selbsthilfebücher, Smartphone-Apps oder virtuelle Realität. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Personen, die potenziell in der Lage sind, sich diese wichtige Fähigkeit anzueignen, in die Millionen gehen könnte.
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