Die Säulen der Dummheit (E-Book). Katrin Hille
sondern bewahrt den angebissenen Käsetoast01-08 sorgsam auf. Zehn Jahre später versteigert sie ihn für 28.000 US$.
Der schwedische Autor August Strindberg starb an Magenkrebs. Die beginnenden Schmerzen hat er als Zeichen umgedeutet, dass seine junge Ex-Frau ihn noch liebt und begehrt01-09. Die Schmerzen überzeugten ihn, dass sie – mindestens spirituell – ständig bei ihm im Raum und Bett war. Kann eine Magengrube lügen?
Darf ich vorstellen? The New England Society for Psychic Research
Ed und Lorraine Warren haben 1952 ein Geistermuseum in den USA gegründet. Sie nannten es The New England Society for Psychic Research. Dabei hat es nach normalen Standards eigentlich nichts mit Forschung zu tun, auch wenn das Paar oft in Sachen Geister ermittelte. Das Museum ist eine Sammlung von mehr oder weniger überzeugendem Krimskrams und Klimbim, der die Existenz von Geistern belegen soll.
Steven Novella, ein bekennender Skeptiker, Autor und Podcaster, hat sich das alles genauer angeschaut. Auf der Suche nach Belegen hat er sich durch Hunderte von Geisterfotos gearbeitet. Aber auf denen ist vor allem eins zu sehen: Lichtflecken. Die Skeptiker sehen darin doppelt belichtete Filme (ja, früher waren Filme im Fotoapparat), reflektierte Blitzlichter und Kameraschnüre, die vor dem Objektiv baumelten. Aber in den Augen der Warrens und ihrer Geisterjäger-Nachfolger sind es Geister. Ganz eindeutig.
Ja, Mustererkennung kann schiefgehen. Der Mechanismus mischt sich eifrig, altklug und vorlaut überall ein, liegt aber oftmals grandios daneben. Dennoch: Gäbe es eine Pille gegen die Mustererkennung, würde ich sie nicht nehmen. Zu wichtig sind die Vorteile der eifrigen, altklugen und vorlauten Musterkennung.
Es ist schwer, dagegen anzugehen. Man könnte natürlich versuchen, die erkannten Muster einem Realitätscheck zu unterziehen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man in einem Supermarkt auf irgendeiner Verpackung etwas sieht, was man als Gotteslästerung umdeuten kann? Ziemlich hoch …
Doch wir Menschen sind nicht sonderlich gut im Umgang mit Wahrscheinlichkeiten. Unser mangelhaftes Gefühl dafür kann die überschäumende Mustererkennung nicht in Schach halten. Das wäre wie der lahmende Blinde, der ein hyperaktives hakenschlagendes Häschen unter Kontrolle bringen soll.
Eine andere, vielversprechendere Option ist es, die Mustererkennung mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Mehr Mustererkennung gegen die bereits erkannten Muster! 666 als Zahl des Tieres? Da streiten sich die Gelehrten. Manche meinen, die Zahl dieses Tieres ist 616. Und gut, das Waw sieht in der klassischen hebräischen Druckschrift anders aus als im Logo. In der modernen hebräischen Handschrift auch. Aber in der Raschi-Schrift, da hat es schon Ähnlichkeiten mit den M-Teilen aus dem Logo. Das O bei Monster als Kreuz? Vielleicht mit herunterhängendem Springseil. Aber es sieht doch eher aus wie eine durchgestrichene Null, die alte Unterscheidung der Computer zum großen O. Oder ein Phi, der griechische Buchstabe. Oder ein kyrillisches F. Oder der skandinavische Buchstabe, der Ö gesprochen wird. Oder, oder. So viele Muster lassen sich in diesem Zeichen erkennen. Sich für ein Muster und eine Interpretation zu entscheiden, hieße, sich gegen andere Muster zu stellen. Ist es nicht doch eher ein Phi? Man kann doch ein Phi erkennen? Dann infiltriert der Teufel vielleicht doch nicht christliche Haushalte mittels Getränkedosen … Ist eine alte Frau oder eine junge Frau zu erkennen? Wer abwechselnd beides sieht, kann sich nicht mehr festlegen.
Fest steht nur: Wir sind ausgezeichnete Muster-Erkenner. Michael Shermer meinte dazu, wir sind Muster-such-und-finde-Tiere.01-10
Kurz gesagt
•Wir sehen Muster, auch dort, wo keine sind.
•Das Muster-Sehen hilft uns, die Welt zu verstehen und uns zurechtzufinden. Die Welt enthält nämlich einiges an Regelmäßigkeiten, also Mustern.
•Besonders bedeutsame Muster, wie menschliche Gesichter, haben im Gehirn einen Extraplatz.
•Manchmal läuft das Muster-Sehen aus dem Ruder. Wenn man erstmal ein Muster sieht, fällt es schwer, es nicht mehr zu erkennen.
•Da hilft nur, andere mögliche Muster zu finden. Dann fallen wir nicht auf das eine Muster herein, das vielleicht nur in unserer Einbildung existiert.
1Der Verweis [01-01] (erster Verweis im ersten Kapitel) lässt sich im Quellenverzeichnis und online (siehe QR-Code) einsehen.
2Korbinian Brodmann unterteilte das Gehirn in 46 Areale. Die Gesichtserkennung findet in einem Teil des Brodmann-Areals 37 statt, der Fusiform Face Area (FFA).
02 Weil wir uns auf eigene Erfahrungen verlassen
Human beings, who are almost unique
in having the ability to learn from the experience
of others, are also remarkable for their
apparent disinclination to do so.
Douglas Adams
Die Menschen, fast einzigartig darin,
aus den Erfahrungen anderer lernen zu können,
sind überdies bemerkenswert für ihre deutliche
Abneigung dagegen, das auch zu tun.
Douglas Adams
Frauen in die Aufsichtsräte! Wie stehen Sie dazu? Wenn Sie eine Frau sind, beantworten Sie die Fragen 1 bis 3. Wenn Sie ein Mann sind, beantworten Sie die Fragen 1, 4 und 5.
1. Wie stehen Sie zur Forderung nach mehr Frauen in deutschen Aufsichtsräten?
Find ich nicht gut 1—2—3—4—5—6—7 Find ich sehr gut
Fragen für Frauen | Fragen für Männer |
2. Als Frau haben Sie dazu sicher wertvolle Erfahrungen gemacht, die ein Mann einfach nicht haben kann. | 4. Frauen haben dazu sicher wertvolle Erfahrungen gemacht, die ein Mann einfach nicht haben kann. |
Wie sehr trifft das auf Sie zu? | Wie sehr trifft das auf Frauen zu? |
Gar nicht 1—2—3—4—5—6—7 Sehr | Gar nicht 1—2—3—4—5—6—7 Sehr |
3. Andererseits könnten Sie als Frau bei dem Thema auch voreingenommen sein und es wäre schwer für Sie, fair zu sein. | 5. Andererseits könnten Frauen bei dem Thema auch voreingenommen sein und es wäre schwer für sie, fair zu sein. |
Wie sehr trifft das auf Sie zu? | Wie sehr trifft das auf Frauen zu? |
Gar nicht 1—2—3—4—5—6—7 Sehr | Gar nicht 1—2—3—4—5—6—7 Sehr |
Natürlich weiß ich nicht, wie hier jeweils geantwortet wurde. Dennoch wage ich eine Diagnose. Sie heißt «Blind Spot Bias»02-01 für Fragen 2 bis 5. Die Symptome? Man überschätzt die Vorteile eigener Erfahrungen und unterschätzt gleichzeitig ihre Nachteile. «Ja, meine Erfahrungen sind wirklich wesentlich!» Und: «Nein, ich bin doch nicht parteiisch!» Mein Tipp: Der Mittelwert für die Antworten dürfte also bei Frage 2 höher liegen als bei Frage 4 und bei Frage 3 niedriger