Abschaffung des Geldes. Eske Bockelmann
bereitfinden und menschlich-solidarisch statt rechnerisch-selbstbezogen tätig werden, wenn sie nicht ihre Gesellschaft den berühmten «Herausforderungen» wollten erliegen sehen. Das Ehrenamt – die Tätigkeit ohne Bezahlung: Sie solle sich zu einer neuen konstitutiven Form der Arbeitsleistung mausern, eben weil die Bezahlung der Arbeiten, die allerorten zu leisten wären, unlösbare Schwierigkeiten macht: Ja, zu tun gäbe es viel, aber wer soll das alles bezahlen? Also, Bürger, Schluss mit der sozialen Kälte, warmherzig angepackt und menschlicherweise auf Bezahlung verzichtet!
Hm, und doch – so ähnlich denke ich mir das auch. Was immer ich tue, zurzeit noch, um damit Geld zu verdienen, von mir aus erledige ich es gerne ehrenamtlich und niemand soll mir etwas dafür zahlen – vorausgesetzt nur, ich bekomme meine Lebensmittel ebenfalls ehrenamtlich überlassen, ich darf ehrenamtlich in meiner Wohnung wohnen und ehrenamtlich hilft mir jemand bei der Reparatur meines Fahrrads. Denn dass ich zurzeit noch auf der Bezahlung meiner Arbeit bestehe, liegt nicht daran, dass ich speziell auf Geld begierig wäre und vor allem einmal Geld sehen möchte, Geld Geld Geld!, bevor ich es dann wieder ausgebe und etwas Ordentliches damit anfange. Nein, mein Geldbedürfnis hat seinen Grund vielmehr allein in der weltbekannten Notwendigkeit, auf die ich allenthalben stosse, nämlich dass ich meine Mittel zum Leben ausschliesslich für Geld bekomme, dass nämlich alle anderen um mich her auch auf Bezahlung bestehen und ich also unbedingt Geld zur Verfügung haben muss, um zu irgendetwas zu kommen. Und weshalb bestehen alle anderen darauf? Weil sie es genauso müssen, weil auch für sie gilt, dass alle anderen, mich eingeschlossen, darauf bestehen – und so schön immer weiter im Kreis und auf dem Erdkreis.
Es versteht sich also, dass der Zwang, als welcher das Geld eingerichtet und über jeden, ob er will oder nicht, in dieser Allgemeinheit verhängt ist, nur in dieser Allgemeinheit auch aufzuheben geht. Dies zu tun, hat das Projekt «Ehrenamt» in aller Unschuld vorgeschlagen, da es doch unbezahlte Arbeit zur Grundlage unserer Gesellschaft machen will – aber Vorsicht, Herr Bundespräsident, vor dieser erzkommunistischen Idee! Dass die Menschen diejenigen Arbeiten und Dinge, die ihnen nötig oder lieb sind, einfach nur deshalb erledigen und einfach deshalb herstellen, weil sie ihnen nötig oder lieb sind, und nicht, weil erst einmal der weltweite Zwang des Geldes dazwischengeschaltet ist und bedient sein will, das nämlich ist der Gedanke – man könnte ja sagen: einer befreiten Menschheit! Aber lassen wir nur diese Höhenflüge, begnügen wir uns zu sagen: Es ist der gut materialistische Gedanke eines versöhnten guten Lebens.
Um den war es Ihnen nicht zu tun, das glaube ich wohl, und an die Frage des Eigentums, die daran hängt, wollten Sie erst recht nicht rühren. Ihnen ging es im Gegenteil ja um eine Sicherung der Gesellschaft, so wie sie ist. Nur dass diese Gesellschaft offenbar mit ihrer Grundlage, dem Geld eben, so weit in Schwierigkeiten gerät, dass es einer solch widersprüchlichen Rettung bedarf, einer, die genau das entbindet, was sie uns ersparen soll, den Gedanken einer grundsätzlich veränderten Gesellschaft: dass es ohne Geld gehen müsse. Auf diesen Gedanken, seltsamerweise, kommt niemand ausser auf solch verdeckte Weise – ohne zu wissen, was er da denkt. Niemandem zwar entgehen die offen sichtbaren, radikalen und umfassenden Schwierigkeiten, die das Geld unter anderem sich selbst macht: von der so harmlos selbstverständlich gewordenen Arbeitslosigkeit, also fehlender bezahlter Arbeit, bis zur satten globalen Finanzkrise und heftig notwendigen Bemühungen mächtigster Staaten, das ganze schöne Geldsystem nicht jetzt schon zusammenbrechen zu lassen. Es ist auch durchaus kein Tabu, über Banker und Börsenleute herzuziehen, sich über Weltbank und IWF aufzuhalten, über Heuschrecken und global player, über versäumte Pflichten der Politiker oder Moral und Unfähigkeit von Managern, über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit des Handels, richtige oder falsche Steuern, über zu freien oder zu sehr gelenkten Markt, zu grosse Schulden oder zu wenig Kredit. Und doch geht solche Kritik und Unzufriedenheit am Geldwesen niemals so weit zu fragen, wie es ohne Geld gehen könne, sondern sie besteht im Gegenteil ausnahmslos darauf, dass es mit dem Geld gehen müsse, nur eben – weiss der Teufel, wie – besser.
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