Reden wir über das Sterben. Kathryn Schneider-Gurewitsch

Reden wir über das Sterben - Kathryn Schneider-Gurewitsch


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Überzeugungen insbesondere zu Fragen am Lebensende zu Papier zu bringen.

      Das Totschweigen

      Der Tod ist heute in Filmen, im Fernsehen allgegenwärtig. Im gelebten Alltag hingegen bleibt er uns fremd, bis es nicht mehr anders geht. So begegnen wir dem Tod unserer Nächsten ohne Gebrauchsanweisung, oft ungeschickt und mit einem unguten Gefühl. Gelänge es, das Tabu zu brechen und frühzeitig über die letzten Dinge zu reden, ginge es den Sterbenden und ihren Nächsten in vielen Fällen besser. Wenn wir das Tabu brechen und offen über den Tod und unsere diesbezüglichen Vorstellungen und Wünsche reden könnten, wäre bereits viel erreicht.

      Es ist klar, dass jüngere Menschen zu weit entfernt sind vom Thema, es sei denn, sie sind im persönlichen Umfeld direkt davon betroffen. Und dann ist es schwierig, für sie geeignete Gesprächspartner zu finden. Deshalb bleiben sie in ihrem Leid oft einsam. Vermehrt gibt es Kinderbücher für Kinder von kranken Eltern und Internetplattformen für junge Menschen. In meinem Umfeld hat ein junger Mensch seine Mutter zwei Wochen vor der Maturafeier an Brustkrebs verloren. Er ist Teil einer Clique. Ich war schockiert, ein Jahr nach ihrem Tod zu erfahren, dass einige in der Gruppe nicht einmal wussten, dass er seine Mutter verloren hatte. Von meinem Vater weiß ich, dass man seinen Vater nach dessen Ermordung in der russischen Revolution über Jahre nicht mehr erwähnte. Und ich war immer wieder Zeuge, wenn ältere Menschen im Gespräch über ihren Wunsch zu sterben abgewehrt wurden. «Nein, nein! Sag nicht so etwas! Wir werden noch lange Feste feiern! Wir brauchen dich.»

      Auch Menschen, die durchaus als Vorbilder gelten könnten, taten und tun sich mit dem Tod so schwer. Zum Beispiel die amerikanische Philosophin Susan Sontag, die so spannen­de Beiträge in ihrem Buch «Krankheit als Metapher» verfasst hat, konnte den eigenen Tod überhaupt nicht ak­­zeptieren. Ihr Sohn, der Journalist David Rieff, hat in seinem Buch «Tod einer Untröstlichen» davon Zeugnis abgelegt. Susan Sontag starb wütend. Wütend auf die «zu frühe Ge­­burt». Als Frau, die große Stücke auf die Naturwissenschaft und den Fortschritt hielt, war sie überzeugt, dass es in wenigen Jahren Mittel geben würde, die ihr Leben hätten verlängern können. Immerhin ist sie fast 72 Jahre alt geworden. Sie war am Schluss bereit, die aggressivsten Therapien auf sich zu nehmen. Sie forderte sie sogar. Den Tod zu akzeptie­ren, war keine Option. Entsprechend hat sie es verpasst, sich von ihren Nächsten zu verabschieden.

      Ich sehe solche Schicksale und bin traurig für diese Menschen. Ich frage mich, ob sie denn nicht erkennen, dass es irgendwann allen Bemühungen zum Trotz nicht mehr gelingen wird, den Tod auszutricksen. Der Vorhang wird dann endgültig fallen. Keine Zugabe. Keine letzte Runde mehr auf dem Karussell. Egal, was wir unternehmen. Merken sie nicht, dass sie durch diesen Aktivismus und ihre Leidensbereitschaft in der Hoffnung, noch etwas länger zu leben, gerade die Lebenszeit, die sie noch haben, vergeu­den? Diese Zeit hätten sie nutzen können, um ihre Sachen zu regeln, um Abschied zu nehmen. Ich fürchte, wenn man bis 85 noch nicht erledigt hat, was man sich vorgenommen hat, werden einige Monate mehr leider auch nicht mehr reichen.

      «Sternstunden

      der Medizin»

      Als Kinder, in den 1950er-, 1960er-Jahren, stürzten wir uns regelmäßig mit Begeisterung auf eine Zeitschrift, die uns ins Haus flatterte. Jedes Mal suchten wir nach der Bilderseite «Great Moments in Medicine». Als Imagewerbung für einen Pharma-Konzern wurden hier große Momente der Medizingeschichte zelebriert: Pasteur, der mit Reagenzgläsern hantiert, oder die erste Pockenimpfung durch Edward Jenner, Wilhelm Röntgen und die unsichtbaren Strahlen. Typischerweise waren die Szenen idyllisch, mittendrin das Drama und der Held, der Leben rettet und die Medizin durch seine Entdeckung oder Erfindung weiterbringt. Natürlich waren die Männer alle weiß. Die Begleiterinnen glichen Grace Kelly oder vielleicht der Gattin eines Pharma-Managers. Uns Kinder kümmerte das nicht. Wir waren hin und weg vom Fortschritt in der Medizin.

      Vor meinem geistigen Auge sehe ich ein solches Bild, das es in der Serie nie gab, ein weniger strahlendes. Sterben hat nie als Sternstunde der Medizin gegolten. Ich stelle mir vor: Ein feudales Schlafzimmer. In einem herrschaftlichen Bett liegt ein alter Mann. Offensichtlich hat er in den letzten Momenten seines Lebens die Tochter rufen lassen. Diese kommt gehetzt an, verschwitzt, mit Herzklopfen. Sie hat soeben ihr Ohr an die Lippen des sterbenden Vaters gelegt, um besser zu hören … Und was hört sie? Nur ein unverständliches Flüstern, dann spürt sie den Hauch des letzten Atemzugs. Die Bildunterschrift: «Was ich dir noch sagen wollte …»

      In meiner aktuellen gesundheitlichen Lage in der Nähe des Todes – ergänzt durch meine langjährige ärztliche Tätigkeit – gibt es viel, was ich noch sagen will. Vor allem zu Entscheidungen am Lebensende.

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