50 Jahre Frauenstimmrecht. Группа авторов
geben alltagspraktische Tipps im Umgang mit Vorurteilen und Geschlechterklischees. Sie zeigen, wie wichtig und machtvoll Kooperationen über Parteigrenzen und Branchen hinweg sind, aktuell erneut bewiesen durch «Helvetia ruft!» und «CH2021». Einige Beiträge führen vor Augen, was sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten alles getan hat – und wie viel es immer noch zu tun gibt. Darüber hinaus – auch auf diese Vielfalt sind wir stolz! – enthält das Buch einen Comic und ein eigens für das 50. Frauenstimmrechts-Jubiläum geschriebenes und komponiertes Lied.
Die jüngste der 25 Beiträgerinnen ist zum Zeitpunkt der Drucklegung 18 Jahre alt, die älteste 87. Doch eigentlich sind es noch zwei Frauen mehr: Der Text von Adrienne Corboud Fumagalli ist nämlich ein Dialog mit ihrer Tochter Clelia Fumagalli – und für das Cover unseres Buches hat sich die erst 16-jährige Illustratorin Jelscha Ganter mit der Figur der Helvetia auseinandergesetzt. Allen Beiträgerinnen unseren herzlichsten Dank für ihr Engagement, ihre Zeit, ihre Kreativität, ihre Ideen und Gedanken! Gemeinsam machen wir deutlich, dass Frauenrechte alle angehen – unabhängig vom Alter, von der Ausbildung, von der Lebenssituation oder der politischen Ausrichtung.
Gemeinsam wollen wir die Leserinnen und Leser inspirieren, sich weiter für Gleichberechtigung und Frauenrechte einzusetzen. Und wir wollen gemeinsam für unsere junge Demokratie begeistern, denn diese ist nur so stark wie die Bürgerinnen und Bürger, die sich für sie engagieren.
«We are the composers of our own lives.»
Foto Franco Tettamanti
Lea Lu, geboren 1984, hat im Alter von sechs Jahren damit begonnen, eigene Stücke zu schreiben – bereits mit ihrer ersten Band trat sie beim Montreux Jazz Festival auf. 2010 erhielt sie für ihren verträumt-wehmütigen Musikstil («Lea Lus Musik ist zum Heulen schön», so der «Tages-Anzeiger») den Prix Walo in der Kategorie Newcomer. Nach drei veröffentlichten Alben auf SONY Music und einer Veröffentlichung auf ihrem eigenen Label LL Records arbeitet die Zürcherin an ihrem fünften Album, mit dem sie 2021 auf Tournee sein wird.
We Have A Voice
Lea Lu, Sängerin und Songwriterin
Born in the same place,
Same mother
We came alone,
But belong to each other.
Our hearts beat
To the same song.
Put in a prison of silence for way too long
But the desire to break out became too strong
As our voices
Echoed through the sky.
We have a voice,
We have a choice
Now.
At the end of your answers
Lie our questions,
Asking for our own truth
And in the calm before the storm
We learned how to listen.
Our thoughts become words,
Opinions, stories,
Bricks for houses and homes.
We are the composers
Of our own lives.
We have a voice,
We have a choice
Now.
All we need is to speak out loud,
Because we can
And we will.
We have a voice,
We have a choice
Now.
Die Single «We Have A Voice» hat Lea Lu exklusiv für diesen Sammelband geschrieben. Sie ist hier zu
Lea Lu Words, Composition, Vocals, Guitars, Piano, Bass
Claudio Strüby Drums, Percussion
Nils Wogram Trombone
Production LUST Production
«Trotz aller Beteuerungen, der Begriff ‹Schweizer› sei neutral und stehe für alle, zeigt gerade der Kampf ums (Frauen-)Stimmrecht: Mit ‹Schweizer› waren nur die Männer gemeint.»
Foto: Privatarchiv
Prof. Dr. Andrea Maihofer, geboren 1953, studierte Philosophie, Germanistik und Pädagogik in Mainz, Tübingen und Frankfurt am Main. Sie promovierte in Philosophie und habilitierte in Soziologie. Seit 2001 ist sie Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies an der Universität Basel. Sie leitet den Think Tank Gender and Diversity sowie das Graduiertenkolleg Gender Studies Basel. Maihofer engagiert sich zudem im Vorstand der Initiative CH2021, die sie mitgegründet hat.
Die Geschichte des Frauenstimmrechts – verdrängtes Unrecht?
Andrea Maihofer, Professorin für Geschlechterforschung
Zur Geschichte des Frauenstimmrechts in der Schweiz gibt es inzwischen eine Fülle an Forschungen, die detailliert den langen Kampf der Frauen für das Stimmrecht darstellen.1 Ebenso gibt es zahlreiche Arbeiten, in denen die verschiedenen Gründe für die späte Einführung in der Schweiz herausgearbeitet werden. Im Folgenden möchte ich diese beiden Perspektiven miteinander verbinden. Dadurch rücken die Widerstände, mit denen die Akteur*innen in ihrem Kampf um das Stimmrecht zu tun hatten, stärker in den Blick. Und schliesslich werde ich nach den Folgen fragen, die die späte Einführung des Frauenstimmrechts für die Schweiz heute hat. Und was bedeutet es, dass die wiederholte Weigerung, den Frauen den Status gleichberechtigter Staatsbürgerinnen zuzugestehen, bislang weder Teil des kollektiven Gedächtnisses der Schweiz noch als historisches Unrecht anerkannt ist?
Beginn des Kampfes ums Frauenstimmrecht Mitte des 19. Jahrhunderts
In einer bekannten Formulierung betont Meta von Salis: «Mein erster Fehltritt in der Welt bestand in dem Erscheinen in weiblicher Gestalt»2. Geschlecht regelt in westlich geprägten Gesellschaften den Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen und verweist Männer und Frauen in unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche. Allein als Frau gelesen zu werden führt dazu, dass ihr das Recht auf gleiche Rechte verweigert wird. Die Geschichte des Kampfes um das Stimmrecht sowie die Rekonstruktion der Gründe seiner späten Einführung verweisen auf diese heteropatriarchale Struktur westlicher Gesellschaften. Diese ist zwar inzwischen in Bewegung, jedoch noch immer wirksam.
Von Salis benennt hier den «eigentlichen» Grund, warum Frauen gezwungen waren, die Anerkennung als gleichberechtigte Staatsbürgerinnen einzuklagen: Sie haben das falsche Geschlecht. Für die sich im 18./19. Jahrhundert etablierende bürgerlich-heteropatriarchale Gesellschafts- und Geschlechterordnung ist der Ausschluss der Frauen aus den Menschen- und Bürgerrechten konstitutiv. Während die Männer sich erstmals (zumindest potenziell) das Recht auf gleiche Rechte zuerkennen, werden die Frauen prinzipieller denn je aus diesen ausgeschlossen. Dies ist, wie es die Frauenrechtsaktivistin Julie von May von Rued bereits 1869 bezeichnet, die «auffallende Anomalie, welche alle europäischen und europäisch civilisierten Länder aufweisen, dass in demselben Verhältnis, wie der Mann seine politischen Rechte erweitert hat, die Frau in ihren bürgerlichen Rechten eng beschränkt geblieben ist»3.