A votre santé. Karl L. Holtz

A votre santé - Karl L. Holtz


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       EPILOG

       LITERATUR

       ÜBER DEN AUTOR

       Prolog

      Es gibt nichts, was es nicht gibt!

      Diese Aussage meiner Tante Klara kam mir wieder in den Sinn, als ich über das Thema Wein und Coaching nachzudenken begann. Damals, ich war noch klein, haben mir die Aussagen meiner Großtante nicht so imponiert. Ich war noch zu jung, um die tiefere Bedeutung ihrer Sprüche angemessen zu würdigen.

      »Wer die Form beherrscht, darf sich darüber hinwegsetzen«, sagte sie beispielsweise. Ich war damals genervt, meinte sie doch vor allem meine Tischgewohnheiten. Aber heute zitiere ich diese Aussage gerne – vor allem, wenn ich unseren Ausbildungsteilnehmern nahelegen möchte, dass ein gewisses strukturiertes Vorgehen im Beratungs-, Supervisions- oder Coachingprozess hilfreich dafür sein kann, den Kopf für wichtigere Kommunikationsaspekte frei zu haben. Ja, ich zitiere sie so häufig, dass ich wiederholt gefragt werde, ob es die Tante Klara denn wirklich gegeben habe.

      Also, ich war zu jung, um damals auf das erstgenannte Zitat angemessen einzugehen. Wie gerne hätte ich aus heutiger Position mit ihr darüber diskutiert, ob es nun erkenntnistheoretisch alles oder gar nichts gibt. Ich finde wenige Gesprächspartner, die mir heute darüber erschöpfend Auskunft geben können. Aber wenn sie den Titel dieses Buchs lesen, haben sicher viele seufzend diesen Spruch auf den Lippen: »Es gibt nichts, was es nicht gibt!« Und sie würden noch deutlicher ein »Auch das noch« anhängen, wenn sie durch den Titel angeregt mal das Internet zum Thema Wein und Coaching bemühen. Und wenn sie daraufhin die Definitionen von Coaching aufrufen würden, hätten sie schon eine Erklärung: »Kein Wunder, bei der Vielzahl an Definitionen – mit Coaching geht ja wohl auch alles.« Das ist erkenntnistheoretisch natürlich eine andere Frage als die, ob es alles gibt.

      Und ich muss erklären, dass ich mit der Auswahl dieses Themas nicht der Beliebigkeit das Wort reden, sondern auf ein paar interessante Zusammenhänge hinweisen möchte.

      Ich muss vorausschicken: Ebenso lange, wie mich Coaching fasziniert, bin ich in meinem Weinberg in Südfrankreich unterwegs. Ich musste, so will es das europäische Gesetz, vor einigen Jahren einen Sachkundenachweis für meine Qualifikation als Winzer vorlegen. Für meine Ausbildung zum Coach gab und gibt es noch kein Gesetz. Ferner will ich hier nicht diskutieren, welche Weiterbildung und Zertifizierung anspruchsvoller war. Da beides aber nahezu parallel verlief, war ich mir manchmal nicht sicher, aus welchem Tätigkeitsbereich die Erkenntnisse stammten, die mich professionell und privat weiterbrachten. In der Nachbetrachtung stellte ich Analogien her, häufiger jedoch wurden durch den einen Bereich Suchprozesse ausgelöst, die sich im anderen niederschlugen. Häufig musste ich ob einer neuen Zusammenschau schmunzeln.

      Es war, als ob ich einen guten Witz verstanden hatte bzw. in bestem Metaphernverständnis ein Aha-Erlebnis gehabt hatte, indem zwei Gegenstandsbereiche, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten, sich zu einer neuen Erkenntnis zusammenfanden. Mir schien, als ob mir je nach Schwerpunktsetzung mal Sachverhalte über den Prozess der Weinbereitung, mal über die des Coachingprozesses vertrauter wurden. Es waren manchmal triviale, manchmal skurrile Zusammenhänge, aber wenn sie mir in Erinnerung blieben, waren sie für mich immer bedeutsam.

      Meine Hoffnung ist, dass Sie als Leserin und Leser zumindest einige der Parallelen nachzeichnen und damit sowohl ihr Wissen über den Wein als auch über das Coaching vertiefen können. Ich hoffe, dass Sie sich darauf einlassen können. Was mir Zuversicht gibt, ist die Vermutung, dass sich wohl kaum einer ein Buch über »Kartoffeln und Supervision« zugelegt hätte. So sehr ich den Landwirt und seine schwere Arbeit achte und manchmal mit ihm leiden kann, hätte ich mir nie einen Kartoffelacker zugelegt. Vielleicht liegt es daran, dass die Arbeit im Weinberg ja eh schon metaphorisch vorbelastet ist. Und Coaching macht mir aufgrund seiner vielfältigen Variationen und Kontexte schlichtweg mehr Spaß als Supervision. Aber der Kartoffelacker ist schon der schwerwiegendere Grund.

      Es wäre mir nun nicht recht, wenn man mir nach dem Gesagten die Auffassung unterstellte: Supervision verhält sich zum Coaching wie der Kartoffelacker zum Weinberg. Das habe ich nicht gemeint – obwohl man andererseits auch über diese Aussage nachgrübeln kann und ich schon deutlich unpassendere Vergleiche gehört habe.

       Wie alles anfing: Der Baum der Erkenntnis

      Die Geschichte, die Lucas Cranach hier illustriert, ist eigentlich bekannt. Aber es scheint einige neue Erkenntnisse zu geben, dass sie sich nicht unbedingt so wie gemeinhin überliefert zugetragen haben muss. Es ist nach neueren Erkenntnissen nicht unwahrscheinlich, dass Adam und Eva über die paradiesischen Streuobstwiesen gegangen sind und Obst aufgelesen haben, das sich schon in einem fortgeschrittenen Gärungsprozess befunden hat. Die Erkenntnis lag auf der Hand: Wenn uns ein höheres Wesen schon so ausgestattet hat, dass wir Neues ausprobieren und uns daran ergötzen können, dann lass uns doch sesshaft werden und die damit verbundenen Bewusstseinsprozesse kultivieren. (Dass auf dem Bild schon ein erster Coach auftaucht, wird uns weiter unten beschäftigen.)

      Eine solche Interpretation legt der US-Archäologe McGovern nahe. Unsere Vorfahren verspürten die ungewöhnliche und wohl nicht unangenehme Wirkung des Alkohols im Blut und kamen zur Erkenntnis: Mehr davon! Sie antizipierten somit einen der zentralen Grundsätze des lösungsfokussierten Ansatzes von Steve de Shazer: »Wenn etwas funktioniert, mach mehr davon!« Dies war die Triebfeder – so McGovern, ein Nachfahre trinkfester Iren –, dass die ersten Menschen sesshaft wurden, um so besser für Nachschub sorgen zu können:

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      Abb. 1: Adam und Eva im Paradies (Ausschnitt), Lucas Cranach d. Ä., 1530, Kunsthistorisches Museum, Wien

      »Energiereichen Zucker und Alkohol in sich hineinlaufen zu lassen war eine fabelhafte Lösung, um in einer feindlichen und rohstoffarmen Umgebung zu überleben. (…) Die vorhandenen Indizien deuten darauf hin, dass unsere Vorfahren in Asien, Mexiko und in Afrika Weizen, Reis, Mais, Gerste und Hirse vor allem kultivierten, um alkoholische Getränke zu produzieren«

      (McGovern 2007, S. 14).

      Dies war die neolithische Revolution, die rund 11.000 v. Chr. begann. Und da die Herstellung von Getreide und von Bier doch ein recht komplizierter Vorgang war und sich gärendes Obst einfacher aufbereiten ließ, spricht einiges dafür, dass weinähnliche Getränke schon relativ früh zur Verfügung standen. McGovern fand in der neolithischen Ausgrabungsstätte Hadschdschi Firus Tepe im Zagros-Gebirge im Nordwesten Irans vorzeitliche Weinregale mit luftdicht verschlossenen Karaffen. Bereits damals wurde dem Getränk das Harz der Pistazie zugesetzt. Dies dürfte eine antibiotische Wirkung gehabt haben und wurde somit auch zu medizinischen Zwecken eingesetzt. Schon früh haben Menschen also die präventive wie kurative Bedeutung alkoholischer Getränke erkannt, und so verwundert es nicht, dass Ausbau wie Distribution von Schamanen und Dorfalchimisten verfeinert wurden.

      Und da Letztere neben ihrer medizinischen Kompetenz auch ihre beraterischen Angebote gemacht haben dürften, können wir weiter spekulieren, dass auch damals schon im Kontext berauschender Getränke die ersten Coachs ihre professionellen Nischen suchten. Deren Intention lautete möglicherweise: Probiert doch mal was Neues aus, wenn das Bisherige unbefriedigend oder schädlich war (s. de Shazers weitere Maxime); traut euch doch, euch eures eigenen Verstandes zu bedienen. Diese Intention schien in ihrer Ambivalenz und mit dem innewohnenden Risiko ja auch das Vor-Bild der Schlange im cranachschen Paradiesgarten zu bestätigen. Schamanen, Medizinmänner und Coachs waren in der Folgezeit dafür verantwortlich, einen geschützten Rahmen anzubieten, in dem sich das Risiko des Neuen moderieren ließ. Das Erbe paradiesischer Streuobstwiesen lastet auf der Menschheit. Es ist zumeist


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