Neulateinische Metrik. Группа авторов
Stefan Tilg / Benjamin Harter
Neulateinische Metrik
Formen und Kontexte zwischen Rezeption und Innovation
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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© 2019 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
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ISBN 978-3-8233-8266-9 (Print)
ISBN 978-3-8233-0186-8 (ePub)
Vorwort
Während es zahlreiche Publikationen zur Prosodie und Metrik der antiken und mittelalterlichen lateinischen Dichtung gibt, sind einschlägige Arbeiten zur Frühen Neuzeit äußerst rar. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die neulateinische Dichtung gemeinhin als klassizistisch gilt und dass man oft wie selbstverständlich annimmt, sie reproduziere lediglich antike Formen. Gleichzeitig wissen alle, die sich eingehender mit der lateinischen Literatur der Frühen Neuzeit beschäftigt haben, dass das so nicht stimmt. Dieser Band, der aus der 18. NeoLatina-Tagung (Freiburg i.Br., 17.–18. Juni 2016) hervorgegangen ist, soll exemplarisch Möglichkeiten und Wege neulateinischer Metrikforschung aufzeigen und so im Idealfall weitere Arbeiten auf diesem Gebiet anstoßen. Der Schwerpunkt liegt dabei gerade nicht auf der direkten Adaptation antik-klassischer Muster, sondern auf den vielfältigen Innovationen und Experimenten in der Theorie und Praxis lateinischer Dichtung von ca. 1400 bis 1800.
Der Band beginnt mit drei Beiträgen, die oberflächlich noch relativ unscheinbare, im Detail aber signifikante Abweichungen von klassischen Mustern im Versbau und dem Zusammenspiel von Form und Inhalt dokumentieren. Jean-Louis Charlet widmet sich in diesem Sinn dem Hexameter des italienischen Humanisten Francesco Filelfo (1398–1481), Dennis Pulina der metrisch bunt gemischten Lyrik des deutschen Arztes und Dichters Caspar Cunrad (1571–1633); Jürgen Blänsdorf geht der Entwicklung der neulateinischen Dramenverse mit besonderer Berücksichtigung der Tragödie nach.
In scharfem Gegensatz dazu folgen zwei Beiträge, die mit radikalen und verspielten Experimenten aufwarten: Beate Hintzen behandelt mit dem Hyporchema die Erfindung und kurze Rezeptionsgeschichte einer manieristisch-virtuosen metrischen Gattung; Stefano Cassini vermittelt mit den ‚Schlangengedichten‘ (carmina anguinea) des Lidio Catto (15./16. Jahrhundert) eine Vorstellung vom Potenzial neulateinischer Rätsel- und Figurengedichte.
Wenn diese Beispiele eher vereinzelte Launen repräsentieren, so stehen die Themen der nächsten beiden Beiträge für breitere und erfolgreiche Phänomene, die auch stark in die Volkssprachen ausstrahlen. Jochen Schultheiß beschreibt die Geburt der lateinischen pindarischen Dichtung aus dem Geist der zeitgenössischen metrischen Theorie, und Stefan Tilg macht auf die vormoderne Existenz eines freien Verses in den sogenannten ‚arguten‘ oder ‚literarischen‘ Inschriften aufmerksam.
Erfolgreich, wenn auch nicht unbedingt im Sinn antiker Metrik, war zweifellos auch die Verbindung lateinischer Verse mit Musik. Wilfried Stroh gibt einen groß angelegten Überblick über diese Verbindung im lateinischen Drama Deutschlands, wobei naturgemäß die Chöre besonderes Interesse beanspruchen. Christian Guerra weist am Beispiel der Juditha triumphans (1716) von Antonio Vivaldi und Giacomo Cassetti eine bisher kaum gewürdigte Wechselwirkung zwischen volkssprachlich-italienischer und klassizistisch-lateinischer Metrik im lateinischen Oratorium nach.
In das weite Feld von Metrik und Bildungsgeschichte könnte man schließlich die drei letzten Beiträge des Bandes einordnen. Sarah Knight untersucht die Stellung von Prosodie und Metrik im Bildungsgang von Studenten an englischen Universitäten. Victoria Moul bietet eine erste Auswertung handschriftlicher Gedichtsammlungen in England und zeigt so die Lücken auf, die in einer Literatur- und Bildungsgeschichte ohne Berücksichtigung lateinischer Texte klaffen. In metrischer Hinsicht identifiziert sie Polymetrie, Reim und freien Vers als besonders auffällige und innovative Phänomene, die im Übrigen auch in anderen Beiträgen begegnen (zu Polymetrie z.B. Schultheiß; zum Reim Stroh; zum freien Vers Tilg). Thorsten Burkard beendet den Band mit einem längeren Beitrag zur Geschichte des insbesondere im deutschen Sprachraum erfolgreichen iktierenden Lesens lateinischer Verse und argumentiert auf einer umfangreichen Materialbasis, dass diese Aussprachepraxis kaum vor Gottfried Hermanns De metris poetarum Graecorum et Romanorum von 1796 verbreitet gewesen sein kann.
Vieles kann im Rahmen eines Sammelbandes nur angedeutet werden. Um dennoch zumindest zwei Beispiele für breiter angelegte Studien einzuschließen, haben wir Wilfried Stroh und Thorsten Burkard eingeladen, ihre Beiträge, deren Argument nur durch eine fundierte Darstellung des Materials trägt, ohne das sonst übliche Seitenlimit auszuführen. Wir denken, das Ergebnis hat sich gelohnt, und hoffen, auch auf diese Weise zu einer eingehenderen Beschäftigung mit neulateinischer Metrik zu ermuntern.
Wir danken dem Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien, der Philologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Stiftung Pegasus Limited für ihre finanzielle Unterstützung der Tagung und des daraus hervorgegangenen Bandes. Diese Tagung war die letzte NeoLatina-Tagung, an der Eckart Schäfer († 17. März 2018) teilgenommen hat. Schäfer hat die NeoLatina-Tagungen (damals noch unter dem Titel „Freiburger Neulateinisches Symposion“) 1999 zusammen mit Eckard Lefèvre gegründet und blieb der Tagung und der damit verbundenen Buchreihe bis zuletzt verbunden. Unvergessen wird er nicht zuletzt durch seine Arbeiten zum ‚deutschen Horaz‘ bleiben, die ihn auch auf das Feld der neulateinischen Metrik führten. Ihm sei dieser Band deshalb gewidmet.
Freiburg i.Br., September 2019 Stefan Tilg / Benjamin Harter
L’hexamètreDactylusHexameterDactylusSpondeus de Francesco FilelfoFilelfo, FrancescoSphortias, Satyrae, De Genuensium deditione dans la Sphortias et dans les Satyrae
Jean-Louis Charlet
Dans le cycle de mes études sur la métrique latine et néolatine, j’ai déjà eu plusieurs occasions d’étudier de façon comparative l’hexamètre dactylique dans différentes œuvres de plusieurs poètes latins humanistes: Enea Silvio Piccolomini, Marulle et les deux Strozzi, père et fils, Tito et Ercole.1 Complétant ce panorama de l’hexamètre néolatin, je voudrais aujourd’hui comparer l’hexamètre épique et l’hexamètre satirique de Francesco Filelfo. Mon étude se fera sur un échantillon de 1000 vers pour chacune des deux œuvres: les cent premiers vers de chacun des dix chants de la Sphortias qui le permettent2 et dix satires (1.6; 2.10 en tenant compte des deux versions; 3.1; 4.9; 5.2; 7.9 deux versions; 8.5 deux versions; 9.7 deux versions; 10.4 et Satira 7 inédite).3 Pour élargir cette comparaison à l’hexamètre élégiaque de Filelfo, j’ai dépouillé tous les hexamètres (seulement 275) du poème De Genuensium deditione.4 Comme dans mes études précédentes, j’ai choisi quatre points à mon avis stratégiques pour la facture de l’hexamètre: les schémas métriques avec la répartition des dactyles et des spondées, les césures, les élisions au sens large et les clausules. Toutes mes analyses s’appuieront sur les tableaux donnés en fin d’étude.
En ce qui concerne les schémas métriques, l’hexamètre épique de la Sphortiade suit d’assez près le canon virgilien:5
nette primauté du schéma DSSS (16,2%), importance du type SDSS (9,1%; 9,54 dans l’Énéide) derrière DDSS et DSDS, respectivement à 13,7 et 12,8%;
décroissance continue du nombre des dactyles du premier au quatrième pied (70,7; 49; 42,5 et finalement 26,70%), comme dans les satires d’Horace et de Juvénal;
prépondérance