Kreativität und Hermeneutik in der Translation. Группа авторов

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gerade nicht auf das jeweilige titelgebende Verfahren beschränkt bleibt, sondern sich darüber hinaus auf einer zweiten oder dritten Bedeutungsebene niederschlägt, die sich bei der Lektüre womöglich erst nach und nach erschließt. Im ersten Teil der Olfactif-Stilübung erzeugt die Aufzählung der im Bus präsenten Gerüche klanglich die Buchstabenfolge des ABC:

       Olfactif

      Dans cet S méridien il y avait en dehors de l’odeur habituelle, odeur d’abbés, de décédés, d’œufs, de geais, de haches, de ci-gîts, de cas, d’ailes, d’aime haine au pet de culs, d’airs détestés, de nus vers, de doubles vés cés, de hies que scient aides grecs, il y avait une certaine senteur de long cou juvénile, une certaine perspiration de galon tressé, une certaine âcreté de rogne, une certaine puanteur lâche et constipée tellement marquées que lorsque deux heures plus tard je passai devant la gare Saint-Lazare je les reconnus et les identifiai dans le parfum cosmétique, fashionable et tailoresque qui émanait d’un bouton mal placé.

      (Queneau 2012: 104)

      Die Vielschichtigkeit von Queneaus Exercice, die in der Simultaneität von olfaktorischer Autobus-Variation und homophonem Alphabet besteht, ist eng mit der französischen Sprache und ihrer Vielzahl gleichklingender Worte verbunden. Im Anmerkungsapparat zu ihrer Übersetzung haben Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel Queneaus Alphabet aufgeschlüsselt: „abbés (A, B), décédés (C, D), œuf (E, F), geais (G), haches (H), ci-gîts (I, J), cas (K), ailes (L), aime haine au pet de culs (M, N, O, P, Q), hies que scient aides grecs (X, Y, Z – das Z nur sehr verschlüsselt)“ (Heibert/Schmidt-Henkel 2016b: 182). Wie der Vergleich zwischen den beiden deutschen Olfactif-Fassungen zeigt, realisiert die Neuübersetzung von Heibert/Schmidt-Henkel erstmals dieses homophone ABC. Harig und Helmlé haben ihrerseits eine relativ wörtliche Umsetzung vorgelegt, in der das Klang-ABC nicht hörbar wird:

       Geruchlich

      In diesem mittägigen S gab es außer dem gewöhnlichen Geruch: Geruch nach Äbten, nach Gestorbenen, nach Eiern, nach Eichelhähern, nach Äxten, nach Verblichenen, nach Kot, nach Flügeln, nach Haßliebe mit Arschfürzen, nach abscheulichen Gasen, nach nackten Maden, nach doppelten WC’s, nach alten Jungfern, es gab den gewissen Duft eines langen, jugendlichen Halses, die gewisse unmerkliche Ausdünstung einer geflochtenen Kordel, die gewisse Herbe schlechter Laune, den gewissen flauen und verstopften Gestank, der so stark war, daß ich ihn, als ich zwei Stunden später vor der Gare Saint-Lazare vorbeikam, sofort wiedererkannte und ihn am kosmetischen, fashionablen und tailoresken Parfum, das von einem falschplatzierten Knopf ausging, identifizierte.

      (Harig/Helmlé 1961/2007: 88)

       Olfaktorisch

      In diesem mittäglichen S wehte einen der übliche Geruch – mal Ah!, mal Bäh!, nach Zeh, nach Deo, nach Äffchen, ach geh! Ha! Ihh! Jottojott! Ka-ka!, nach Elli, Emmi und Enno, nach Pest, Kuh, Ähren, Essen, Tee, Uhu, Pfau, o weh, hicks, üpsel – an, dazu so ein Aroma von langem Junghals, so ein Hauch von geflochtener Borte, so ein beißender Stinkwutgestank, so ein feiger, verklemmter Mief, derart ausgeprägt, dass ich ihn, als ich zwei Stunden später an der Gare Saint-Lazare vorbeikam, wiedererkannte und sogar aus dem kosmetischen, fashionablen Schneiderduft, den ein falsch platzierter Knopf verströmte, noch herausroch.

      (Heibert/Schmidt-Henkel 2016a: 69)

      Das ‚Verschweigen’ des homophonen ABC in der Erstübersetzung sollte jedoch nicht vorschnell mit einem mangelnden Verständnis seitens der Übersetzer erklärt werden. Ein Blick in Ludwigs Harigs Artikel Raymond Queneau – übersetzt im Saarland. Die Stilübungen und ihre Schwierigkeiten vom 13. Mai 1961 zeigt, dass ihm die klanglich-semantische Komplexität der vorliegenden Stilübung offenbar nicht entgangen ist. Seine vorläufige „Leseart der alphabetischen Laute“ (Harig 1961: 85) heißt:

AB C D E F G
Abbé Zeh De(gen) E(sel) Äff(chen) Ge(n)
HIJ KLM N OPR Q S
Hj. Kah lem En(te) Oper Kuh Ess(en)
T U V W X Z
Tee U(hu) (P)fau Weh (W)ichs Zett(el)

      Offen bleibt die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieses ABC-Gerüst, dem lediglich das Y fehlt, entstanden ist, ob noch vor oder erst nach der Drucklegung des Übersetzungsmanuskripts. Das Erscheinen der ersten Rezensionen zu den Stilübungen Autobus S. Ende Juni 19613 legt die Annahme nahe, dass die Übersetzung selbst in den vorausgehenden Wochen publiziert sein worden muss, also in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Harigs Beitrag in der Saarbrücker Zeitung. Insofern ist es nicht auszuschließen, dass Eugen Helmlé und Ludwig Harig erst auf das homophone Alphabet aufmerksam geworden sind, als der Druckprozess schon im Gange und eine weitere Fahnenkorrektur ausgeschlossen war. In diesem Fall wäre es denkbar, dass der Beitrag aus der Saarbrücker Zeitung möglichen Kritikern zuvorkommen sollte. Möglich ist aber auch, dass die beiden Übersetzer mit ihren bis dato erarbeiteten deutschsprachigen Lösungen unzufrieden gewesen sind und deshalb darauf verzichtet haben, das homophone Alphabet in die Buchfassung aufzunehmen. Denn was dem Klang-ABC im vorliegenden Stadium in der Tat noch fehlt, ist die Bindung der mit den einzelnen Buchstaben verknüpften Wörter an das Motto „mögliche Gerüche in einem Autobus“. Dazu fehlt mehreren der gewählten Wörter die klanglich-semantische Doppelfunktion: Während Begriffe wie „Zeh“, „Esel“ und „Äffchen“ oder auch „Essen“, „Tee“ und „Uhu“ beim Leser recht klare Geruchsassoziationen wecken, lassen sich andere Motive wie z.B. „Degen“ oder „Zettel“ entweder allenfalls vage geruchlich zuordnen (Degen – metallischer Geruch; Zettel – muffiger Geruch alter Papiere) oder auch gar nicht, wie im Fall des Worts „Gen“. Andere Begriffe wie z. B. „Oper“ lassen sich zwar unter Umständen mit bestimmten Gerüchen wie z. B. einem aufdringlichen Parfüm in Verbindung bringen, sind aber im Kontext eines mittäglichen Autobusses wenig plausibel.

      Zwei Aspekte seien hier festgehalten: Zum einen ist offensichtlich, dass Ludwig Harig sich während der gemeinsamen Übersetzungsarbeit mit Eugen Helmlé bzw. bald nach Drucklegung des Manuskripts im Sommer 1961 intensiv mit Queneaus olfaktorischem Alphabet auseinandergesetzt und ein erstes ABC-Klanggerüst im Deutschen erarbeitet hat – auch wenn sich der genaue Zeitpunkt, an dem der oder die Übersetzer das Alphabet bemerkt haben, nicht mehr rekonstruieren lässt. Zum anderen wäre es mit Blick auf die zitierten Ausführungen Ludwig


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