Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur. Manuel Caballero González

Der Mythos des Athamas in der griechischen und lateinischen Literatur - Manuel Caballero González


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not only with the Euripidean Ino, but with this myth in general“85. Man hat tatsächlich keinen anderen ikonographischen Beleg des Todes der Kinder von Themisto86.

      Zurück zu Euripides’ Ino, muss man mit Jouan / Van Looy einräumen, dass „si on ne possédait que les fragments, pourtant au nombre de vingt-cinq totalisant 79 vers, on ne pourrait jamais deviner l’intrigue d’Ino“87. Nauck schreibt Ähnliches: „de Inone scriptores alii alia perhibent: quam mythi formam Euripides secutus sit nescimus“88. Mattes jedoch glaubt, „die ,Ino’ ist ohne den Wahnsinn beider (Ino und Athamas) oder des einen kaum denkbar“89.

      Diese Tragödie war in der Antike wohl bekannt. Ihr Ruf reicht, nach dem Beleg von Philostr. VA., VII 5PhilostratosVA. VII 590, bis ins 1. Jh. n. Chr.: Zur Zeit Kaiser Domitians sollen in Ephesus entweder das ganze Drama oder Teile davon aufgeführt worden sein.

      Kannicht, der angeblich Hygins Fabel als zuverlässig betrachtet, bietet die wesentlichen Inhalte dieser Tragödie schematisch an. Die Szene findet in ThessalienThessalien vor Athamas’ Palast statt. Die handelnden Figuren sind wahrscheinlich Ino, Themisto und Athamas. Jouan / Van Looy fügt einen Boten und vielleicht Dionysos hinzu. In Bezug auf den Chor sagt Kannicht, dass er „fortasse ancillis domus regiae“91 bestehen konnte; Mette argumentiert aber mehr generisch: „Chor: Thessalische Frauen“92. Jouan / Van Looy denken, „si le fragment 399 appartient à Ino, le chœur était composé de femmes, amies d’Ino (φίλαι γυναῖκες)“93.

      Zur Aktion der Aufführung ist sehr wahrscheinlich nur Frg. 398 KannichtEuripidesIno:Frg. 398 Kannicht zuzuschreiben. Schmid / Stählin aber meinen, „eine Reihe von Versen beziehen sich offenbar auf Inos Verhalten in ihrer dienenden Stellung (fr. 410–413EuripidesIno:Frg. 410–413 Kannicht)“94.

      In Hinblick auf die Datierung dieser Tragödie sieht es vermutlich so aus, dass Aristophanes’ Komödie Die Acharner, die 425 v. Chr. aufgeführt wurde, ein terminus ante quem bleibt; denn im Vers 434 werden Inos Lumpen angedeutet, wobei dieser Hinweis immer dem euripideischen Werk zugeschrieben wurde. Nach Jouan / Van Looy, „M. Cropp-G. Fick élargissent légèrement les marges indiquées par T.B.L. Webster: 455–425 au lieu de 455–428“95. Cropp / Fick96 sagen ja, dass hinsichtlich der Komposition durch Jambi keine sichere Schlussfolgerung zu ziehen ist; Goosens aber behauptet, „l’Ino pourrait bien être contemporaine des Péliades ou de peu postérieure à la date de 455“97.

      Kannicht stellt die Tragödie in den ‚thessalischen‘ mythologischen Rahmen, woraus „hausta sunt argumenta Phrixorum… et Athamantum“98. Starkie99 berichtet, dass sie nach Hartung100 zur Tetralogie Ino, Erectheus, Ion und Skiron gehören sollte.

      Wie die erwähnten Frg. 100–101 Kannicht / SnellEuripidesIno:Frg. 100–101 Kannicht / Snell wurden dieser Tragödie auch die Frg. 953m und 972 KannichtEuripidesIno:Frg. 972 KannichtEuripidesIno:Frg. 953m Kannicht zugerechnet. Es gibt aber einige Fragmente101, die genauer analysiert zu werden verdienen: P.Stras. W.G. 304–307 (Pack2 426). Fassino zufolge, „[si tratta dei] resti di un’antologia di brani lirici dalle Fenicie, dalla Medea e da una terza tragedia, ascrivibile anch’essa con ogni probabilità ad Euripide“102. Interessant sind für dieses Buch nur die Fragmente dieser Tragödie (W.G. 306 Sp. IV)103, deren Titel104 nicht erhalten ist.

      Fassino fasst neun wesentliche Angaben für die Identifizierung der Tragödie zusammen:

       1) Eine Frau wünscht sich selbst, ein Kind oder mehrere Kinder zu töten.

       2) KadmosKadmos wird möglicherweise als ein mythischer Vorfahr angedeutet.

       3) Die Achäer werden erwähnt.

       4) Die Leiche eines Kindes erscheint auf der Bühne.

       5) Wahrscheinlich kommt auch eine andere Frau, die sich gänzlich von 1)105 unterscheidet.

       6) Es geschehen möglicherweise zwei Kindermorde.

       7) Ein Kind wird mit einer ἔγχη getötet.

       8) Es sieht so aus, als komme auch ein Mann vor, der wahrscheinlich βασιλεύς ist.

       9) Der Mann einer Frau wünscht anscheinend den Tod für sich herbei.

      Fassino schließt die Zuschreibung zu Die eingekerkerte Melanippe und zu Die kluge Melanippe aus; er denkt eher so: „La probabile presenza di una successione negli infanticidi consente forse di restringere la scelta tra le trame note al finale dell’Ino“106. Laut diesem Gelehrten wird der erste Mord von einem Boten, zu dessen rhesis Frg. 421 und 422 KannichtEuripidesIno:Frg. 421 KannichtEuripidesIno:Frg. 422 Kannicht gehören, berichtet. Dann soll Ino ihre Absicht, das andere Kind zu töten und Selbstmord (Z. 4–7) zu begehen, angekündingt haben. Der Chor erwidert ihr, indem er sich auf den Mord des anderen Kindes konzentriert und die Nachricht vom Selbstmord außer Acht lässt. Das Lied (Z. 16–19) ruft die mythischen Präzedenzfälle des damals geschehenen Unglücks ins Gedächtnis; in diesem Moment wird KadmosKadmos angedeutet, weswegen ‚die dionysische Motivierung‘ (HeraHera bestraft Athamas und Ino, weil sie Dionysos erzogen haben) sehr wahrscheinlich ist. Learchos’ Leiche erscheint auf der Bühne (Z. 21–24.27); möglich ist, dass die Speerstiche erst dann ausgeführt werden (Z. 24). Dies versetzt die Anwesenden in Schrecken (Z 19ff). Darauf folgt eine zweite Rhesis mit dem zweiten Kindesmord und Inos Selbstmord. Der Chor (Z. 32–34) und Athamas (Z. 36) bedauern sein verlorenes Glück. Schließlich erscheint Dionysos als deus-ex-machina und berichtet Inos und Melikertes’ Divinisierung. Fassino glaubt, dass die Tragödie in ThessalienThessalien, und zwar im Achaia der Phthia stattfindet, und dass „il βασιλεύς del r. 30 e l’ ἀνέρα del r. 31 dovrebbero essere Atamante“107.

      Es ist klar, dass sich diese Rekonstruktion von der in Hyg. Fab. IVHyginusFab. IV erzählten I-T-Version trennt und sich auf den letzten Teil dieser Fabel konzentriert. Obwohl diese These nicht dem Standpunkt des Buches entspricht, sollte Fassinos Artikel in einer ausführlichen Untersuchung von Euripides’ Ino immer beachtet werden.

      Zuletzt ist eine Behauptung von Aélion interessant, die sich auf die verlorene Tragödie der Peliaden bezieht, deren Bedeutung aber auch auf die Fragmente von Euripides’ Ino anwendbar ist: „Comme, d’autre part, les fragments sont peu nombreux et que leur contenu est essentiellement gnomique, cette reconstitution ne peut avoir aucune précision“108. Diese Vorsicht gilt auch für die hier unterbreiteten Vorschläge.

      III.4 PhrixosPhrixos: Einleitung

      Im Katalog von Tragödien des Euripides (II 481 und III 172) sind die Titel der Tragödien gesammelt; in diesem Verzeichnis wird auf den Titel Phrixos hingewiesen. Lange haben viele Gelehrte bezweifelt, dass es zwei Tragödien mit diesem Titel gab: Wagner3, Hartung4, Wilamowitz5, Robert6, Schmitt7, Schadewaldt8, usw.; in der Tat erwähnt die Inschrift von Piräus (IG II/IIIEinschriftenIG. II/III2 2363, 482 2363, 48) nur einen Phrixos9.

      Mit Ausnahme von Robert, der sich auf Apollodor beruft, haben alle anderen Gelehrten versucht, die Handlung ‚dieses Werkes‘ aus Hyg. Fab. IIHyginusFab. II und III zu rekonstruieren, wie Kannicht behauptete: „Phrixum antea quasi una esset tragoedia et fragmenta quasi ex una fabula (eaque ex Hygino restituenda) essent orta tractare solebant“10. Aus diesem Grund entsteht das berühmte und umstrittene Thema des freiwilligfreiwilligen OpferOpfertodes, der unten ausführlich analysiert wird11. Interessant ist, diesbezüglich die brillante Überlegung von Jouan / Van Looy einzubringen: „Aucune des deux versions ne mentionne le sacrifice volontaire de Phrixos (attesté seulement par Phérécyde et Hygin), qui nous semble pourtant un élément sûr pour au moins une des deux pièces, malgré le silence des fragments“12.

      Dank zweier Papyri von Oxyrhynchos aber weiß man heutzutage mit Sicherheit, dass Euripides zwei Tragödien mit diesem Titel geschrieben hat. Lloyd-Jones lässt sich die Chance nicht entgehen, Wilamowitz’ Fehler „in denying that there were two plays called Phrixus“13


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