Wortbildung im Deutschen. Группа авторов

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      Der Einfluss von SprachkontaktSprachkontakt und SilbenstrukturSilbenstruktur auf die WortbildungWortbildung

      Roland Hofer

       Abstract

      The following paper deals with the influence of language contact and syllable structure on word formation. It focuses on the different influences on word formation in language contact, as shown by suffix formation in Swiss German.

      The best known interference in language contact is that on the lexical level: Loanwords. Besides this, suffixes and word formation patterns can also be borrowed: For example the collective suffix -ere in Swiss German, a loan suffix from the Latin suffix -āria.

      Finally, borrowings are also possible on the phonetic-phonological level: Language contact can have effects on the syllable structure of languages: The large amount of different diminutive suffixes in Swiss German can be explained in this way.

      1 Einleitung

      Thema des vorliegenden Aufsatzes sind die verschiedenen Einflüsse auf die WortbildungWortbildung in Sprachkontaktsituation, dargestellt anhand der SuffixbildungSuffixbildung im SchweizerdeutschenSchweizerdeutsch.

      Treffen zwei verschiedene Sprachen aufeinander, werden diese gewissen Interferenzen ausgesetzt. Am bekanntesten sind solche gegenseitigen Einwirkungen wohl auf lexikaler Ebene (Stichwort LehnwortLehnwort), daneben sind aber auch solche auf morphologischer (Stichworte LehnsuffixLehnsuffix, Lehn-WortbildungsmusterWortbildungsmuster) und auf phonetisch-phonologischer Ebene zu verzeichnen: Treffen nämlich verschiedene Sprachtypen mit unterschiedlicher SilbenstrukturSilbenstruktur zusammen (z.B. eine Wortsprache auf eine Silbensprache oder die Silbensprache X auf die Silbensprache Y), so kann auch die Silbenstruktur (der einen Sprache) Einfluss auf die WortbildungWortbildung (der anderen Sprache) haben.

      Die Interferenzen auf den letzten zwei Ebenen sollen im Folgenden anhand von ein paar verschiedenen schweizerdeutschen Suffixen dargelegt werden.

      2 Neue Suffixe durch EntlehnungEntlehnung

      Exemplarisch soll hier das LehnsuffixLehnsuffix schwzd. -ere < mhd. -erra, -er(r)e < ahd. -arra < lat./roman. -āria vorstellt werden (vgl. Hofer 2012: 92; Sonderegger 1958: 471f.; Szadrowsky 1938: 31; Bach 1952–1956, II/1: 198). Das Suffix schwzd. -ere hat, entsprechend seinem lateinisch/romanischen Vorbild, kollektive Funktion und die Bildungen damit sind ausschliesslich desubstantiv, d.h. ihre Basis ist eine Sache. Das Suffix verbindet sich in der Regel mit Pflanzenbezeichnungen, Tierbezeichnungen, Bezeichnungen für Mineralien oder für sonstiges Erdmaterial (Hofer 2012: 92; vgl. Beispiele unten).

      Das Suffix -ere ist in der schweizerdeutschen, insbesondere in der westschweizerdeutschen Toponymie weit verbreitet: Damit gebildete FlurnamenFlurname sind vor allem sogenannte Standortkollektiva, d.h. sie zeigen den räumlichen Bereich an, wo die in der Derivationsbasis genannte Sache von Natur aus in großer Menge vorhanden ist, angepflanzt oder abgebaut wird (Hofer 2012: 92, 208; Sonderegger 1958: 471; Bach II/1, 198). Beispiele dafür aus dem bernischen Namengut sind Nesslere ‚Stelle, wo viele Nesseln wachsen‘, Dinklere ‚Stelle, wo Dinkel angebaut wird‘, Fröschere ‚Ort, wo viele Frösche sind‘, Dräckere ‚Stelle, wo viel Dreck, Morast ist‘, Chalchere ‚Ort, wo viel Kalk vorhanden ist/gebrannt wird‘, Leimere ‚Stelle, wo viel Lehm ist, Lehmgrube‘ (Hofer 2012: 97, 100f., 103, 105–108).

      Mit den lateinischen Suffixen -ārius m., -āria f. und -ārium n. wurden ursprünglich Zugehörigkeitsadjektive von Sachbezeichnungen gebildet (z.B. ferrārius ‚zum Eisen gehörig‘). Schon im Lateinischen entstanden durch Ellipse von Bezugswörtern wie z.B. faber ‚Verfertiger‘ zahlreiche Substantivierungen: faber ferrārius ‚Schmied‘ > ferrārius ‚Schmied‘ (vgl. Lühr 2008: 44f., 120).

      Substantivierte Bildungen im Femininum und Neutrum dienten dann im späteren Lateinischen bzw. im Romanischen v.a. als Bezeichnungen für Örtlichkeiten, wo z.B. ein Gegenstand vorkommt, hergestellt, verkauft wird, Orte für Tieraufzucht usw., z.B. arēnāria ‚Sandgrube‘, calcāria ‚Kalksteinbruch, Kalkofen‘, ficćria ‚Feigenpflanzung‘ oder oviāria ‚Schafzuchtbetrieb‘ (Lühr 2008: 52f.; Meyer-Lübke 1894: 509–512). Überaus produktiv wird das Suffix -āria im Romanischen, insbesondere in Verbindung mit Pflanzenbezeichnungen (Meyer-Lübke 1894: 511f.).

      Zum Entlehnungsprozess (Hubschmied 1940: 29f.; Szadrowsky 1938: 37–41): Das lateinish-romanische Suffix -āria wurde von den Alemannen nicht als isoliertes Suffix übernommen, sondern in Verbindung mit verschiedenen Wörtern. Vorbilder von auf -ere ausgehenden schweizerdeutschen FlurnamenFlurname sind lateinische/romanische Bildungen wie z.B. lat. calcāria ‚Kalksteinbruch, Kalkofen‘ bzw. darauf basierende romanische Flurnamen. Die Alemannen übernahmen so auch die Funktion des Suffixes und wandten es nach dem romanischen Muster auch an eigenem Wortgut an. Schweizerdeutsche Flurnamen wie Chalchere können also entweder direkt auf eine rein romanische Bildung calcāria zurückgehen (roman. calcāria > schwzd. Chalchere mit Reduktion von roman. -āria zu schwzd. -ere aufgrund des deutschen Initialakzents und durchgeführter zweiter Lautverschiebung von roman. c > schwzd. ch), oder können, was in den meisten Fällen wahrscheinlicher ist, auch jüngere, rein schweizerdeutsche Bildungen sein: Calch + -ere > Chalchere (Hofer 2012: 94).

      3 EntlehnungEntlehnung von WortbildungsmusternEntlehnung von Wortbildungsmustern

      Durch SprachkontaktSprachkontakt können wie eingangs angetönt neben Wörtern und Suffixen auch WortbildungsmusterWortbildungsmuster entlehnt werden. Konkret geht es hier um das in der schweizerdeutschen Toponymie weit verbreitete Wortbildungsmuster, mittels Movierung den Besitz oder Wohnsitz einer Person/Familie (auch einer Gemeinschaft oder Institution) anzuzeigen, z.B. Müllere f. ‚Besitz (Wiese, Hof usw.) der Familie Müller‘. Die Basis bildet hierbei meist ein Familienname, der auf -er ausgeht (Hofer 2012: 119).

      Movierung mittels Suffixableitung wird im appellativen Bereich bekannterweise dafür verwendet, um aus persönlichen maskulinen Bildungen feminine Bildungen zu machen (Bußmann 2008: 458). Im SchweizerdeutschenSchweizerdeutsch wird neben dem (mit nhd. -in identischen) Suffix -i(n), z.B. Lehreri(n) f., auch mit dem Suffix -(er)e moviert, z.B. Lehrer m. – Lehrere f., FN Kopp m. – Koppere f. ‚Frau (des Herrn) Kopp‘ (Hofer 2012: 119; SDS III, 159f.).

      Es ist nun nichts Außergewöhnliches, dass Bildungen in der Toponymie neue oder andere Funktionen erhalten können, die sie im normalen Sprachgebrauch nicht haben. Beispielsweise werden Diminutivbildungen in der SchweizerdeutschenSchweizerdeutsch Toponymie oft nicht dafür benutzt, um die Kleinheit einer Flur hervorzuheben, sondern um damit die geographische Lage bzw. Zugehörigkeit zu einer anderen Flur anzuzeigen, z.B. in Langnau im Emmental Büelti neben Büel, in Brienzwiler Schlusselti neben Schlussel usw., wobei das Grundstück mit dem DiminutivsuffixDiminutivsuffix im Namen flächenmäßig nicht unbedingt kleiner sein muss als das andere (Hofer 2012: 31, 55; cf. auch Odermatt 1903: 59). Weiter können auch unveränderte und unflektierte Personennamen bzw. Familiennamen als besitzanzeigende oder wohnsitzanzeigende FlurnamenFlurname stehen, v.a. bekannt im Berner Oberland: Flurname Wäfler (4 Häuser in Frutigen; zum Familiennamen Wäfler), Flurname Schuler (Heimwesen in Adelboden; zum Familiennamen Schuler) oder Flurname Balsiger (Weide in Reichenbach; zum Familiennamen Balsiger) (Hofer 2012: 120; Hubschmied 1940: 49f.).

      Eine neue Funktion hat nun auch die Movierung in der schweizerdeutschen Toponymie angenommen, nämlich die Funktion der Besitzanzeige. Solche movierte feminine Bildungen sind v.a. im Westschweizerdeutschen, insbesondere in den Kantonen Bern und Freiburg, also in Sprachgrenzregionen, sehr häufig


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