Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania. Группа авторов

Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania - Группа авторов


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die Geschichte des Katalanischen in Alghero. Hierbei stehen die territorial-politische und sprachliche Zugehörigkeit der Stadt seit ihrer Gründung und insbesondere externe Faktoren der Sprachgeschichte im Vordergrund. Es folgt eine Kurzcharakteristik des Algherese, dessen Besonderheit darin liegt, „dass hier eine Sprachvariante ohne starken Einfluss des Spanischen (oder Französischen) existiert […] [, die] spätestens seit der Mitte des 17. Jahrhunderts […] eine rein mündlich weiter vermittelte Sprache wurde“ (S. 209 im vorliegenden Band). Die folgenden Kapitel umreißen erste Bemühungen um eine Kodifizierung des Algherese an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und gehen auf das 1988 entstandene erste Wörterbuch von Josep Sanna ein. Abschließend benennt der Vf. „Probleme bei der Applikation der katalanischen Normsprache auf den Dialekt von Alghero“ (S. 214 im vorliegenden Band): Hierzu zählt er u.a. die Tendenz zum Gebrauch einer nicht-normierten, ‘personalisierten’, italienisierenden Orthographie und zum Gebrauch des Italienischen in der alltäglichen Jugendsprache.

      Hanna Merk (Trier) widmet sich in „Die Sprachratgeber der Academia Argentina de Letras – eine diachrone Analyse“ Fragen der Sprachpflege und -beratung in Argentinien unter dem Vorzeichen einer zunehmenden plurizentrischen Normorientierung im hispanophonen Varietätenraum. Die Vf. betrachtet vier unterschiedliche Werke bzw. Erscheinungsformen der akademischen Sprachberatung im Hinblick auf ihren Umgang mit Besonderheiten des argentinischen Sprachgebrauchs und ihre Normorientierung (Dudas idiomáticas frecuentes, Diccionario argentino de dudas idiomáticas, Panorama de nuestra lengua und in neuerer Zeit die akademische Sprachberatung auf Twitter) und formuliert Überlegungen zur nationalen Sprachberatung im Kontext einer panhispanischen Norm.

      Ausgangspunkt des Beitrags von Carolin Patzelt (Bremen), „Die Emergenz neuer sprachlicher Standards im peruanischen Spanisch: laienlinguistische vs. fachwissenschaftliche Perspektiven“ ist ein durch zunehmende Migration entstehender Varietätenkontakt zwischen der norma peruana andina und dem limeño costeño, das traditionell als die norma culta peruana gilt. In der linguistischen Fachliteratur ist diese Herausbildung eines neo-limeño gut erfasst; Patzelts Fokus liegt auf der Sprechersicht. Anhand laienlinguistischer Beiträge aus Internetforen wird die Wahrnehmung und Bewertung der Normfrage seitens der Sprecher analysiert. Der Beitrag arbeitet die Konvergenzen und Divergenzen zwischen der fachwissenschaftlichen und der laienlinguistischen Perspektive auf den Sprachwandel heraus.

      Kathrin Pfadenhauer (Bayreuth) beleuchtet in ihrem Beitrag „No digas chido porque se escucha gacho – Sprachkritik in Mexiko“ Formen der öffentlichen Sprachkritik im multilingualen Sprachraum Mexiko und deren Einfluss auf die Sprechereinstellungen. Nach einer Auseinandersetzung mit verschiedenen Definitionen von Sprachkritik zeigt Pfadenhauer anhand von Beispielen aus drei Ebenen die Heterogenität und Komplexität von Sprachkritik im mexikanischen Kontext. Es wird deutlich, dass sprachkritische Aktivitäten in der Öffentlichkeit in einem Staat wie Mexiko ein zusätzliches Konfliktpotenzial entfalten können, das auf Sprachbewertungen rekurriert, die in der Kolonialzeit verwurzelt sind.

      Luca Melchior (Graz) setzt sich in seiner Studie „Zwischen Norm und Gebrauch: die Online-Sprachberatungsdienste der Accademia della Crusca und von Treccani“ ebenfalls mit den Erscheinungsformen laienlinguistischer und fachwissenschaftlicher Sprachberatungsanfragen auseinander. Nach einem einführenden Überblick über Struktur, Erreichbarkeit und Themenbereiche der beiden Sprachberatungsdienste konzentriert sich sein Vergleich auf die Fragen- und Antworttypologien. Melchior liefert hierbei sowohl empirische Dokumentation („il o lo jihadista?“) als auch synthetische Analysen. Der Wirkung des Spannungsfelds Norm-Gebrauch und der Charakterisierung von Sprachberatungsnutzern und -experten sowie deren Sprachbewusstsein wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Tendenziell sind eine Öffnung hin zur Gebrauchsnorm auf der Seite der Experten und eine ausgeprägte language awareness, großes Sprachinteresse und der Wunsch nach verbindlichen Regeln für einen korrekten Sprachgebrauch auf der Seite der Sprachberatungssuchenden festzustellen.

      Falk Seiler (Gießen) untersucht in seinem Beitrag „Sprachkritik und Sprachberatung im Kontext der italienischen Lokalisierung freier und offener Software“ [= FOSS] die nicht-professionalisierte und nicht-institutionalisierte und somit unbezahlte und freiwillige „Übersetzung graphischer Benutzungsoberflächen von Computerprogrammen aus dem Englischen ins Italienische“ (S. 330 im vorliegenden Band). Nach einem Überblick über Charakteristika von FOSS, deren italienische Lokalisierung und bereits bestehende sprachnormative Vorgaben, konzentriert sich der Vf. auf sprachkritische und sprachberaterische Beiträge der Verteilerliste zur Übersetzung des Desktop-Systems KDE. Diese Form der kollaborativen Übersetzung prägt den Bereich der computervermittelten Sprache nachhaltig, ohne sich als präskriptive Instanz zu verstehen oder zu äußern: Es dominiert eine offene, nicht von Ideologie geprägte pragmatische Haltung. Angemessene Übersetzungen werden diskursiv ausgehandelt, wobei Kriterien wie Gebrauchsfrequenz, Verständlichkeit und sprachliche Korrektheit ins Feld geführt werden. Seltene präskriptive Beiträge zeichnen sich durch eine ausgeprägte Netikette aus. Sprachnormierende Tendenzen lassen sich vornehmlich im Befürworten einmal gewählter Übersetzungsäquivalente im Sinne der Nutzerfreundlichkeit nachweisen.

      Gerald Bernhard (Bochum) vergleicht in seiner Untersuchung zum Thema „Normvorstellungen und Normtoleranz bei Italienischsprechern im Ruhrgebiet und in Catania“ metasprachliche Äußerungen von Catanesen, die in erster oder zweiter Generation im Ruhrgebiet leben, mit denjenigen von Catanesen ohne Migrationshintergrund. Im Fokus stehen dabei ästhetische Wahrnehmungen bezogen auf das Themenfeld „regionales Standarditalienisch und Dialekte Italiens“. Als Ergebnis hält der Vf. fest, dass beide Sprechergruppen ihren sizilianischen Heimatdialekt als positiv bewerten. Die Haltung der in Deutschland lebenden Catanesen zeigt allerdings markante Unterschiede im Vergleich zu denen in Italien: sie stehen Dialekten grundsätzlich ablehnender gegenüber, sie weisen im Hinblick auf die Plurizentrik des Standarditalienischen eine leicht höhere Normtoleranz auf, sie bewerten die „historisch-literarische[…] toskanisch-römische Norm“ (S. 361 im vorliegenden Band) etwas positiver, und sie fällen keine Negativurteile über norditalienische Varietäten.

      Judith Kittler (Bochum), „Gesprochenes Italienisch im Ruhrgebiet und in Catania aus laienlinguistischer und fachwissenschaftlicher Perspektive: Ergebnisse eines Perzeptionsexperiments“, vergleicht die tatsächlichen phonetisch-prosodischen Merkmale des RuhrCat-Korpus mit den Wahrnehmungen von „Laienlinguisten“ (insgesamt 17 italophone Studierende eines Proseminars zur Perzeptiven Varietätenlinguistik, wobei die Wahrnehmungen von acht aus Süditalien stammenden Studierenden in die Auswertung aufgenommen wurden). Den Studierenden wurden Sprachproben von ebenfalls acht nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Migrationsgeneration (I/II) und Wohnort (Catania/Ruhrgebiet) gewählten Sprechern aus Catania vorgespielt. Im Fokus der linguistischen Beschreibung stehen die Realisierung von /E/ und /O/ sowie der Okklusive, darüber hinaus prosodische Aspekte wie Sprechgeschwindigkeit und Sprechflüssigkeit. Im Perzeptionsexperiment werden ästhetische Bewertungen, Sprachkorrektheit, Variation auf den Ebenen Phonie, Lexie, Syntax und Prosodie sowie die Herkunft der Sprecher abgefragt.

      Victoria Popovici (Jena) geht in ihrem Beitrag „Mă-ta are cratimă. Die rumänische Orthographie als Objekt von Sprachkritik und Sprachberatung“ zunächst auf die Herausbildung der rumänischen Sprachnorm im 19. und 20. Jahrhundert sowie auf Erscheinungsformen von Sprachpflege und Sprachkritik nach 1945 ein. Im Weiteren steht insbesondere das Thema der Sprachberatung im Internet im Zentrum des Interesses. Die Vf. untersucht klassische Problemfälle der Orthographie: -i , -ii oder -iii im Auslaut, die Verwendung des Bindestrichs (rum. cratimă), den Einsatz der graphischen Varianten î/â für [ɨ], bzw. sunt/suntem/sunteţi für sînt/sîntem/sînteţi, und Worttrennungen des Typs nici un ‘nicht ein’ vs. niciun ‘kein’. Für diese Problemfälle beschreibt die Vf. das einschlägige Regelwerk und geht auf die Frage der Akzeptanz in Fachkreisen und öffentlichen Medien und auf laienlinguistische Hilfestellungen in Onlineforen ein. Mit Hilfe von Google-Suchanfragen werden quantitative Daten zu korrekten bzw. fehlerhaften Schreibweisen ermittelt. Abschließend moniert die Vf. das weitgehende Fehlen von Online-Sprachberatungsangeboten aus linguistischen Kreisen.

      Die Herausgeber danken Lisa Rosprim, Kerstin Sterkel und Dr. Lisa Šumski


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