Kontextsensibler Fremdsprachenunterricht. David Gerlach
maßgeblich auch die Einführung von unterstützenden Sprachlabors, in denen die Lernenden üben konnten.
Grammatik- Übersetzungs- Methode | Direkte Methode | Audiolinguale und Audiovisuelle Methode | |
Fertigkeiten | Lesen, Schreiben | Hörverstehen, Sprechen | Hörverstehen, Sprechen |
Grammatik | regelbasiert | implizit | strukturbasiert |
Wortschatz | Wortlisten | wichtiger als Grammatik | in Form von Dialogen |
Regelableitung | deduktiv | induktiv | induktiv |
Technik | Übersetzung | Frage – Antwort | Drills |
Lehr-Lern-Prozess | lehrerzentriert | Lehrer-Schüler-Interaktion | lehrerzentriert (audiolingual) oder medienzentriert (audiovisuell) |
Tab. 1: Übersicht der traditionellen Methoden in der Fremdsprachendidaktik.
Moment der Reflexion
Nehmen Sie sich ein beliebiges Fremdsprachenlehrwerk vor – wenn möglich ein älteres und vielleicht eine neuere Auflage. Können Sie bestimmte methodische Schwerpunkte der drei oben beschriebenen Methoden identifizieren?
Diese umfassenderen Methoden – Helene Decke-Cornill und Lutz Küster (2015) nennen sie in ihrer Fremdsprachendidaktik auch „geschlossene Konzeptionen des Fremdsprachenunterrichts“ –, die häufig als „historisch“ herausgestellt werden, sind keineswegs „alt“ in dem Sinne, dass sie nicht mehr eingesetzt werden würden. Tatsächlich werden Aspekte oder grundsätzliche Ideen dieser traditionellen Methoden weiterhin in Klassenzimmern auf der ganzen Welt verwendet, sind methodischer Bestandteil von Lehrwerken und Arbeitsmaterialien oder bedienen (teils auch kulturell) geprägte Glaubenssätze (BeliefsBeliefs) über das Fremdsprachenlernen in institutionalisierten Kontexten. Die Methoden sind in gewissem Maße Produkte ihrer Zeit, bestimmte Formen des Fremdsprachenunterrichts können damit aber auch – wie auch in der Modewelt – wiederentdeckt werden. Louis G. Kelly hat dies bereits Ende der 60er Jahre konstatiert: “Old approaches return, but as their social and intellectual context are changed, they seem entirely new.” (Kelly 1969: 396)
Gut zu wissen: Die Lerntheorien hinter den Methoden
Direkte sowie Audiolinguale Methode folgten im lerntheoretischen Sinne dem Fortschritt ihrer Zeit: Der BehaviorismusBehaviorismus setzte auf pattern drills mit entsprechender positiver oder negativer Konditionierung (Feedback) der Lernenden, ohne jedoch Grammatik überzubetonen. Ähnliches gilt für die NativismusNativismus-Strömung, maßgeblich von Chomsky und Krashen beeinflusst, welche das Fremdsprachenlernen an das muttersprachliche Lernen im Kleinkindalter annähern und sich angeborene Sprachlernmechanismen (Language Acquisition Device und Universalgrammatik) zunutze machen möchte. Dem KognitivismusKognitivismus ist zuzurechnen, dass beim Sprachenlernen entstehende Fehler seitens der Lernenden im kompetenzorientierten Sinne Aufschluss über den aktuellen Lernstand geben können. Dieser als Interimssprache (Interlanguage) bezeichnete Ist-Zustand an sprachlicher Performanz (Bsp. im Englischen: I *goed home.) kann der Lehrkraft zeigen, welche Prinzipien der Zielsprache bereits verinnerlicht wurden und für welche nächsten Schritte entsprechende Unterstützungsmaßnahmen bereitgestellt werden müssen. Andererseits kann eine mangelnde Unterstützung und falsches Feedback zu Fossilisation, d.h. dauerhaft fehlerhaftem Einsatz bestimmter sprachlicher Strukturen führen.
Parallel zu den Entwicklungen instruktionaler Ansätze von Behaviorismus über Nativismus und Kognitivismus entwickelte sich der KonstruktivismusKonstruktivismus als ein lerntheoretischer Ansatz, der die Verantwortung für den Lernprozess in die Hände der Lernenden legt: Sie rekonstruieren hier ihr eigenes Welt- bzw. Sprachverstehen, konstruieren und erfinden selbst Sprache bzw. Äußerungen/Strukturen und gehen mit diesem Wissen kritisch um (dekonstruieren). Während sich dieser Ansatz mittlerweile z.B. in zunehmend offeneren Unterrichtssettings auch methodisch niederschlägt, ist der Konstruktivismus als Idee keineswegs neu: Reformpädagogische Ansätze wie insbesondere die von Freinet und Montessori vertretenen Freiarbeitsformen bedienen sich dieser selbstgesteuerten Lernprinzipien schon lange. An Grenzen stoßen konstruktivistische Lernsettings häufig aufgrund altersgemäß eingeschränkter interaktionaler, entwicklungspsychologischer und kognitiver Leistungsfähigkeit gerade von jungen Lernenden. Hier zeigt sich implizit dann wiederum die Bedeutung der Lehrkraft für den Lernprozess, was auch Lew Wygotski in seinem Konstrukt der Zone proximaler Entwicklung entworfen hat: Es gibt Dinge, die Lernende autonom leisten können, in denen sie kompetent sind bzw. werden können, sowie Bereiche, die außerhalb ihrer unmittelbaren Leistungsfähigkeit liegen. Den jeweils im Sinne von Kompetenzorientierung nächsten logischen Schritt in der Entwicklung bezeichnet Wygotski als Zone proximaler Entwicklung (s. Abbildung 2), die jedoch nur mit Unterstützung (also mithilfe einer dritten Person wie einer Lehrkraft oder auch einem „kompetenteren“ Mitlernenden) gemeistert werden kann.
Diese methodischen wie lerntheoretischen Entwicklungen und Annahmen führten letztlich dazu, dass in der Fremdsprachendidaktik des ausgehenden vergangenen Jahrhunderts zunehmend von Ansätzen und Prinzipien gesprochen wurde, weniger von in sich geschlossenen Methoden.
Abb. 2: Die Zone proximaler Entwicklung nach Wygotski.
Von Methoden über Ansätze zu Prinzipien
„Bis in die 1980er Jahre hinein dominierte die Vorstellung, das Erlernen einer Fremdsprache ließe sich kontextunabhängig auf der Grundlage einer wissenschaftlich begründeten Methode organisieren.“ (Legutke/Schart 2016: 21) Mit dem Scheitern dieser Vorstellung dominiert der sogenannte Kommunikative Ansatz das Denken in der Fremdsprachendidaktik bis heute. Er steht damit als weithin akzeptierte und gültige Idee, nach der die kommunikativen Kompetenzen der Lernenden im Zentrum eines modernen Fremdsprachenunterrichts stehen. Seitdem man diesen Ansatz stringent verfolgt, sind einige Prinzipien oder Orientierungen diskutiert und aufgestellt worden, mittels derer man diesem Ziel näher kommt. Dazu gehört zum einen die Orientierung an der Lebenswelt und den Fähig- und Fertigkeiten der Schülerinnen und Schüler (LernerorientierungLernerorientierung und KompetenzorientierungKompetenzorientierung), welche in einem möglichst ganzheitlichen, aktiv-handelnden und damit kommunikativen Fremdsprachenunterricht (HandlungsorientierungHandlungsorientierung) im besten Fall durch bedeutungsvolle und authentische Aufgaben gefördert werden sollen (AufgabenorientierungAufgabenorientierung).
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