Kunstprojekt (Mumin-)Buch. Kathrin Hubli

Kunstprojekt (Mumin-)Buch - Kathrin Hubli


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verschiedenster Handlungen gesehen, das den Akt des Schreibens performativ beschreibt, beziehungsweise rahmt. Somit wird das Schreiben in seiner Materialität betont. In einem engen Zusammenhang mit den Schreibszenen stehen Konzeptionen von Autorschaft, die als Spiegelungen unterschiedlicher Künstleridentitäten interessant sind (vgl. Behschnitt (1999), Amstutz (2004), Bohnenkamp (2001)) und in der Analyse daher ebenfalls Beachtung finden. Bezüglich der Prozesse der Werkentstehung und der Künstlerrolle bildet dieses Kapitel also eine Erweiterung zum vorausgehenden.

      Von den Reflexionen über das Machen von Literatur, von Literatur als Kunst und dem Rollenbild des Künstlers wendet sich der Blick im darauf folgenden Analysekapitel Richtung Buch. Dem Buch wird oftmals eine düstere Zukunft prophezeit. Michel Butor sieht jedoch gerade in der wachsenden Konkurrenz durch andere Medien eine Chance für das Buch, seine „Würde als Monument“zurückzubekommen.7 „Zeitung, Funk, Fernsehen und Film werden das Buch zwingen, immer ,schöner‘, immer ,dichter‘ zu werden.“8, postuliert er. In diesem Sinne widmet sich das dritte Analysekapitel dem Buch als Artefakt. Um sich dieser Thematik anzunähern, muss in einem ersten Schritt geklärt werden, was ein Buch ausmacht und wie sich die Begriffe „Buch“ und „Text“ auseinanderhalten lassen. Diesbezüglich sind etwa folgende Arbeiten relevant: Jürgen Nelles Bücher über Bücher. Das Medium Buch in Romanen des 18. und 19. Jahrhunderts (2002), Bill Brown A sense of things. The object matter of American literature (2003), Erika Fischer-Lichte Ästhetik des Performativen (2004). Grundlegend für die Analyse ist jedoch das Konzept des Paratexts nach Gérard Genette. Denn durch den Paratext, so Genette, wird ein Buch erst zum Buch.9 Genauer wird erörtert, welche paratextuellen Elemente eingesetzt werden, um das Buch als solches in Szene zu setzen. Mit anderen Worten, es geht um eine fundamentale Rahmung des Textes, sodass dieser als Buch wahrgenommen wird, und nicht in erster Linie um physische Merkmale des Buchs.

      Die Thematik des vorherigen Kapitels weiterführend, steht im vierten und letzten Analysekapitel die Buchgestaltung im Mittelpunkt. Untersucht werden klassische paratextuelle Elemente wie etwa das Cover oder die Titelseiten. Dabei steht jedoch deren visuelles Erscheinungsbild im Vordergrund. Ebenfalls analysiert wird das Seitenlayout, genauer die Relation von Text und Bild, Typografie und Farbgebung. Wohl attestiert Genette dem Visuellen ebenfalls eine Bedeutung, wie folgendes Zitat beweist:

      Doch muss man zumindest den paratextuellen Wert bedenken, den andere Erscheinungsformen annehmen können: bildliche (Illustrationen), materielle (alles, was zu den typographischen Entscheidungen gehört, die bei der Herstellung eines Buches mitunter sehr bedeutsam sind) […].10

      Trotzdem bezieht er diese Aspekte nicht in seine Untersuchung mit ein. Ferner wird in der Untersuchung ein besonderes Augenmerk auf die dritte Dimension des Buchs, auf dessen Physis gelegt, um deren Bedeutung im Gestaltungskonzept zu beleuchten. Carlos Spoerhase liefert für diese Überlegung mit Linie, Fläche, Raum. Die dritte Dimension des Buches in der Diskussion der Gegenwart und der Moderne (2016) einen Grundlagentext. Das Kapitel widmet sich also dem Buch als gestalterisches Kunstwerk und somit auch Tove Jansson nicht als Malerin oder Autorin, sondern Buchkünstlerin.

      Den grössten Teil des Korpus’ stellen die Muminbücher. Im Gegensatz zu den meisten früheren Arbeiten werden darunter nachfolgend nicht die Originalausgaben verstanden, sondern in Anlehnung an Agneta Rehal-Johansson die acht Muminbücher, die zwischen 1968 und 1970 in schwedischer Sprache erschienen. Das Debüt Småtrollen och den stora översvämningen (1945) ist nicht Teil dieser Reihe, da es im Unterschied zu den übrigen Muminbüchern von den Umarbeitungen ausgeschlossen war. Nicht berücksichtigt in der vorliegenden Arbeit wird weiter die Novellensammlung Det osynliga barnet (1969). Lediglich im Falle von Kometen kommer werden zwecks einer Detailanalyse alle drei edierten Versionen in die Untersuchung miteinbezogen. Da die Grundlage der Analyse die schwedischen Ausgaben der Muminreihe bilden, werden entsprechend die schwedischen Titel wie auch die schwedischen Figurennamen verwendet. Zusammenfassend ergibt sich folgende Liste: Kometen kommer (1968) (dt. Titel „Komet im Mumintal“), dazu gehören die früheren Versionen Kometjakten (1946) und Mumintrollet på kometjakt (1956), Trollkarlens hatt (1968) (dt. Titel „Die Mumins. Eine drollige Gesellschaft“), Muminpappans memoarer (1968) (dt. Titel „Muminvaters wildbewegte Jugend“), Farlig midsommar (1969) (dt. Titel „Sturm im Mumintal“), Trollvinter (1970) (dt. Titel „Winter im Mumintal“), Pappan och havet (1969) (dt. Titel „Mumins wundersame Inselabenteuer“) sowie Sent i november (1970) (dt. Titel „Herbst im Mumintal“).

      Neben den erwähnten Muminbüchern umfasst das Korpus ebenfalls folgende Bilderbücher Janssons: Hur gick det sen? (1952) (dt. Titel „Mumin, wie wird’s weiter gehen?) Ein Buch mit Mymla, Mumin und der kleinen My”), Vem ska trösta knyttet? (1960) (dt. Titel „Wer tröstet Toffel?“) und Den farliga resan (1977) (dt. Titel „Die gefährliche Reise“). Die Muminbücher und die Bilderbücher wurden noch kaum gemeinsam in einer Arbeit untersucht. In der geplanten Diskussion der Materialitätsaspekte scheint dies jedoch fruchtbar, da so auch ein eventuelles gattungsspezifisches Arbeiten festgestellt werden kann.

      Schliesslich ist auch das ungedruckte Material, welches in der Åbo Akademi in Finnland der Öffentlichkeit zugänglich ist, wesentlicher Bestandteil des Korpus’. Bei den Transkriptionen wird keine diplomatische, sondern eine linearisierte Transkription angestrebt. Die diplomatische Transkription bewahrt den materiell-visuellen Aspekt. Bei einer linearisierten Umschrift wird dieser zum Vorteil einer besseren Lesbarkeit teilweise aufgegeben.11

      2. Zur Inszenierung des „Machens“

      „Ein Gedicht entsteht überhaupt nur selten – ein Gedicht wird gemacht.“1

      In diesem Zitat zementiert Gottfried Benn die Lyrik als Kunstprodukt und die Relevanz der Verfertigung derselben. Dabei geht er auf Autoren ein, denen er gar ein weitaus grösseres Interesse an der Gestaltung eines Werks unterstellt als am Werk selbst. Mehr noch, Benn konstatiert: „Die modernen Lyriker bieten uns geradezu eine Philosophie der Komposition und eine Systematik des Schöpferischen.“2

      In Bezug auf Tove Janssons Schaffen scheint ein solcher Ausgangspunkt vor allem aus zwei Gründen vielversprechend. Erstens lenkt die Tatsache, dass Janssons Bilderbücher von der Forschung unisono als Artefakte gelobt werden, den Blick unweigerlich ebenfalls auf deren Genese. Dabei ist die Frage leitend, inwiefern sich neben der (Bilder)Buchästhetik, die Jansson zugeschrieben wird, in den Vorarbeiten ebenfalls eine Produktionsästhetik nachweisen lässt. Damit wird der Fokus im Sinne Benns auf das Kreieren von Kunst als künstlerischen Akt gerichtet. Dies wiederum bedeutet, dass ebenfalls Vorarbeiten unterschiedlichster Art bereits als Kunst zu betrachten sind. Denn die Produktion, die Poesis, bildet laut Hans Jauss neben Aisthesis und Katharsis eine der drei Funktionen, in denen sich ästhetisch geniessendes Verhalten vollziehen kann. Diese drei Kategorien stehen allerdings in keinem hierarchischen Verhältnis, sondern seien als „ein Zusammenhang von selbständigen Funktionen zu denken […].“, die jedoch in einem „Folgeverhältnis“ stehen. Was die Rolle des Künstlers betrifft, äussert er sich folgendermassen: „Der schaffende Künstler kann seinem eigenen Werk gegenüber in die Rolle des Betrachters oder Lesers eintreten […].“3 Eine Betrachtungsweise dieser Art rückt Jansson nicht als Malerin oder Autorin, sondern dezidiert als Buchkünstlerin in den Fokus.

      Damit ist ein Rollenbild verbunden, welches dem marxistischen Verständnis des Produktionsbegriffs entspringt. Nach Karl Marx ist die Wissenschaft Produkt der geistigen Arbeit, und Kunst und Poesie gelten als geistige Produktionszweige.4 „Kunst selbst als Produktion zu betrachten bedeutet demnach, den Künstler nicht so sehr als Schöpfer, sondern vielmehr als Arbeiter zu sehen.“5, oder als Produzenten, wie dies Walter Benjamin in Der Autor als Produzent (1977) postuliert.6 Solche Herangehensweisen stehen für eine negative Haltung gegenüber der formalistischen Werkästhetik, „welche das Kunstwerk als starre, kontextlose und überzeitlich valide Gegebenheit analysiert.“7 Entsprechend wird Jansson als äusserst bibliophile Künstlerin verstanden, die nicht nur das Artefakt in seiner finalen Version hochhält, sondern als eine Künstlerin, wie es Benn definiert, die den Akt der Kreation zelebriert und in Szene setzt, diesen ausserdem gleichzeitig auch funktionalisiert, um ihr Wirken ständig intensiv zu reflektieren.

      Zweitens


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