Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen. Группа авторов

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und Handlungen im Arbeitsumfeld und damit die Fachsprache. Die sprachliche Entwicklung ist also von den Entwicklungen im Fach abhängig. Nebeneinander existierende oder sich aus anderen Fächern heraus entwickelnde Fächer weisen Gemeinsamkeiten in den Fachsprachen auf, beispielsweise in Überschneidungen der Lexik und ähnlichen syntaktischen Mitteln. Die Entwicklung der Fächer wiederum unterliegt fächergeschichtlichen und fächerpolitischen Bedingungen.

      Fachsprachen sind eng an das Fach gebunden, in dem sie verwendet werden, verbinden aber auch benachbarte Fächer miteinander. Sie haben den Vorteil, dass sie für Fachleute relativ klar organisiert und motiviert sind. Nur wenige syntaktische Regeln werden im Rahmen einer Fachsprache intensiv genutzt, weshalb nicht so viele verschiedene wie im allgemeinsprachlichen Unterricht zu lernen sind. Sind bei den Lernern fachbegriffliche Kenntnisse, besonders bezogen auf das Verständnis der dahinterliegenden Konzepte, bereits vorhanden, kann das Hauptaugenmerk auf die terminologische Arbeit gerichtet werden (vergleiche Thielmann 2010: 1057). Deshalb müssen Lerner besonders die Abgrenzung der eigenen Fachsprache zu benachbarten kennen.

      Die horizontale Gliederunghorizontale Gliederung sortiert, wie erläutert wurde, Fachsprachen anhand ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Fächern. Problematisch ist dabei, dass nicht jedes Fach eine eigene Fachsprache hat. Manche Fächer liegen inhaltlich so nah beieinander, dass die Behandlung der Gegenstände sich sehr ähnelt. Da Fachsprache eine sprachliche Form der Behandlung fachlicher Gegenstände ist, ergibt sich daraus, dass sich auch die Fachsprachen einander sehr ähnlicher Fächer kaum unterscheiden. Eine zu feine Einteilung ergibt in solchen Fällen wenig Sinn. Eine horizontale Betrachtung lohnt sich immer dann besonders, wenn es sich um voneinander entfernte Fächer handelt. Die Gegenstände und Arbeit der Philosophie unterscheiden sich von denen des Maschinenbaus, und ebenso unterscheiden sich deren Fachsprachen. Diesen unterschiedlichen Ausprägungen wollen wir uns in den Kapiteln 6, 7 und 8 diesem Band zuwenden.

      1.2.2 Vertikale Gliederung von Fachsprachen

      Neben der horizontalen Gliederung, die Fachsprachen anhand ihrer Zuordnung zu einzelnen Fächern unterscheidet, gibt es auch die Möglichkeit einer vertikalenvertikale Gliederung von Fachsprachen Schichtung von Fachsprache. Diese folgt nicht der Fächereinteilung, sondern betrachtet die unterschiedlichen kommunikativen Ebenen innerhalb eines einzelnen Faches. Das wollen wir uns an einem Beispiel ansehen.

      Abbildung 1.7:

      Beispiel aus einem universitären Chemie-Lehrwerk (Kurzweil 2015: 185f)

      Abbildung 1.8:

      Beispiel aus einem schulischen Chemie-Lehrwerk (Kanz & Moll 2013: 85)

      Fachliche Texte lassen sich anhand ihres Wortschatzes und ihren speziellen Redewendungen und Strukturen klar von anderen Sprachformen unterscheiden (vergleiche Roche 2008a: 162). Der erste Text ist in der universitären Lehre angesiedelt. Er ist abstrakt formuliert und verwendet in hohem Maße Fachvokabular. Außerdem nutzt er Symbole, die stellvertretend für Zusammenhänge stehen. Die Sätze sind komplex und beinhalten kompakte Strukturen. Des Weiteren setzt der Text für das Verständnis der Inhalte Wissen voraus. Der zweite Text hingegen richtet sich an Schüler und Schülerinnen mit geringen Vorkenntnissen. Er verwendet Begriffe, die auch in der Alltagsprache vorkommen, und schließt damit an die Alltagserfahrung an. Außerdem ist er weit weniger komplex und verdichtet formuliert als Abbildung 1.7. Würde man beide Texte auf einem Kontinuum mit steigender Abstraktion und Komplexität anordnen, wäre der zweite Text sehr viel weiter unten anzusiedeln. Wie die beiden Textbeispiele zeigen, treten Fachsprachen in verschiedenen Komplexitätsstufen auf, je nach Sprecher- und Adressatengruppe, Kommunikationsfunktion oder Inhaltsdichte. Fachsprache in Schule und Ausbildung ist notwendigerweise immer weniger komplex und verdichtet als der DiskursDiskurs der betreffenden Wissenschaftsdisziplin (vergleiche Roche 2008a: 162).

      Wie sich an diesem Beispiel erkennen lässt, bewegt sich die Unterteilung innerhalb einer einzelnen Fachsprache zwischen den Polen konkret und abstrakt beziehungsweise spezifisch und allgemein. Mit zunehmender Abstraktion und Allgemeingültigkeit des Gegenstands nimmt die sprachliche Abstraktion und Dichte zu. Sprache wird mit steigender Ebene komplexer, kontextenthobener und für Laien schwieriger verständlich. Die unterschiedlichen Abstraktionsstufen unterscheiden sich auch in der Verwendung der Begriffe. Je fachlicher ein Text, desto festgelegter sind die verwendeten Begriffe. Dies findet seinen Höhepunkt in der Wissenschaftskommunikation: Wissenschaftssprache hat zum Ziel, Tatsachen festzustellen und Aussagen zu prüfen, woraus sich die Notwendigkeit zu starker Normierung ergibt (vergleiche Roche 2008a: 161). Hinter Fachsprachen steht das Ziel der möglichst ökonomischen und reibungslosen Kommunikation (siehe auch Lerneinheit 1.3). In dieser Hinsicht lässt sich also ein steigender Abstraktionsgrad zwischen unterschiedlichen Fachsprachen beobachten.

      Es liegen in der Fachsprachenlinguistik unterschiedliche Vorschläge zur vertikalen Gliederung vor. Im Folgenden wird die von Hoffmann (1985) entwickelte Einteilung vorgestellt, da sie für unsere Zwecke am besten nutzbar ist. Hoffmann unterscheidet fünf mögliche Abstraktionsstufen innerhalb einer Fachsprache.

      Abbildung 1.9:

      Abstraktionsgrade der Fachkommunikation nach Hoffmann (1985)

      Die Sprache der theoretischen Grundlagenwissenschaften nimmt die höchste Abstraktionsstufe ein. Sie beinhaltet alltägliche sprachliche Mittel nur in geringer Frequenz, dafür macht sie umfangreichen Gebrauch von künstlichen Symbolen für Elemente wie beispielsweise Relationen. Verwendet wird sie hauptsächlich von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um wissenschaftliche Thesen und Erkenntnisse auf theoretischer Ebene zu debattieren.

      Die nächste, ebenfalls hoch abstrakte Ebene bezeichnet Hoffmann (1985) als Sprache der experimentellen Wissenschaften. Auch hier finden sich künstliche Symbole für die Bezeichnung von Elementen, die Relationen werden aber in natürlicher Sprache ausgedrückt. Kommunikative Verwendung findet diese Sprache zwischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen und Technikern. Ziel ist es, theoretische Erkenntnisse in Experimenten zu bestätigen, wozu Hypothesen in konkrete Aufbauten überführt werden müssen.

      Als dritte, ebenfalls hoch abstrakte Stufe ist die Sprache der angewandten Wissenschaften und der Technik zu bezeichnen. Die Sprache ist in weiten Teilen natürlich mit starker Tendenz zur Terminologisierung und einer spezifischen Syntax (zum Beispiel Passivkonstruktionen, Funktionsverbgefügen und so weiter). Sie dient der Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, Technikerinnen und Technikern und Produktionsleitenden. Die praktische Anwendbarkeit erreicht hier ein neues Niveau, da nun wissenschaftliche Erkenntnisse für praktische Zwecke nutzbar gemacht werden sollen, was veränderte Ansprüche an Fachkommunikation stellt.

      Die vierte Abstraktionsstufe wird von Hoffmann (1985) als niedrige charakterisiert und als Sprache der materiellen Produktion bezeichnet. Es handelt sich dabei um natürliche Sprache mit verhältnismäßig starker Terminologisierung und vergleichsweise unverbindlicher Syntax. Verwendung findet diese Fachsprache zwischen Produktionsleitenden und ausgebildeten Fachkräften der Produktion. Sie dient der Kommunikation über technische Abläufe und Bedingung zur Herstellung, Aufarbeitung, Reparatur und so weiter.

      Die fünfte und niedrigste Abstraktionsstufe ist die Sprache der Konsumption. Natürliche Sprache mit wenigen (Fach-)Termini und weitgehend unverbindlicher Syntax sind für sie kennzeichnend. Sie wird von Mitgliedern der Produktion, des Handels und schließlich den Konsumenten und Konsumentinnen selbst verwendet. Ihr Zweck ist die Kommunikation über Gegenstände, die in arbeitsteiligen Prozessen hergestellt oder anderweitig behandelt worden sind und nun verkauft werden.

      Fachbegriffe diffundieren durch die einzelnen Schichten nach unten und gehen in die alltägliche Sprache über. Was vor 20 Jahren von einer spezialisierten Gruppe von Theoretikern und Theoretikerinnen entwickelt wurde, ist heute Allgemeingut – und das gilt ebenso für die Fachsprache. Das


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