Didaktik und Neurowissenschaften. Michaela Sambanis

Didaktik und Neurowissenschaften - Michaela Sambanis


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wird es als Orienting-NetzwerkOrienting-Netzwerk bezeichnet. Der NeurotransmitterNeurotransmitter AcetylcholinAcetylcholin spielt eine wichtige Rolle in diesem NetzwerkNetzwerk (vgl. Posner & Fan 2008). Beteiligt an diesem System sind das frontale Augenfeld und der intraparietale Sulcus. Das frontale Augenfeld steuert willkürliche Augenbewegungen und die räumliche Orientierung und repräsentiert die Position aktuell interessierender Objekte und Blickziele. Der intraparietale Sulcus ist sozusagen ein Interface zwischen Wahrnehmung und Motorik: Informationen aus verschiedenen Sinnessystemen laufen hier zusammen, aber auch komplexere, bereits verarbeitete und abgeleitete Informationen sind abgebildet, z.B. die Anzahl von Objekten oder die soziale Bedeutsamkeit von Reizen (vgl. Grefkes & Fink 2005, Sui et al. 2015). Zugleich werden von hier aus Bewegungen, etwa der Augen und des Kopfes, aber auch Arm- und Handbewegungen gesteuert. All diese Bewegungen beziehen sich auf äußere Objekte und sind eng mit Aspekten der Wahrnehmung verknüpft.

      Je nach Situation richten wir mit Hilfe dieser AssoziationsarealeAssoziationsareale unsere AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt im Raum oder ein bestimmtes Objekt (selektive oder fokussierte Aufmerksamkeit) oder „verteilen“ sie. Dabei können wir die sensorische Aufmerksamkeit aufteilen, etwa beim Autofahren auf die Straße achten und gleichzeitig unserem Beifahrer zuhören. Wir können sie sogar gleichmäßig verteilen, z.B. über das gesamte Sehfeld, wenn wir etwas suchen oder nicht wissen, aus welcher Richtung etwas auf uns zukommt.

      Die bewusste Fokussierung der AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf bestimmte Objekteigenschaften ebenso wie die auf bestimmte Bereiche im Raum und damit auf bestimmte Objekte, die sich in diesem Bereich befinden, hat eine neurologische Basis. Die NervenzellenNervenzellen in den WahrnehmungsarealenWahrnehmungsareale, die Sinneseindrücke an einer bestimmten Position im Raum oder bestimmte Objekteigenschaften (Tonhöhe, Farbe, Schärfe einer Speise usw.) verarbeiten, zeigen eine erhöhte Antwortbereitschaft, wenn man diesen Eigenschaften Aufmerksamkeit zuwendet. Grundlage dafür ist die sog. BahnungBahnung, die die Bereitschaft der Nervenzellen auf einen Reiz zu reagieren, verbessert. Die Nervenzellen, die auf andere Bereiche im Raum oder andere Objekteigenschaften reagieren, werden dagegen über Inhibitionsmechanismen gehemmt. Bei der Bahnung erhalten Nervenzellen über einen Teil ihrer DendritenDendriten, sozusagen die Antennen oder Impulsempfänger der Nervenzelle (vgl. 2.2), Signale in Form von Neurotransmittern, die die elektrischen Eigenschaften der Nervenzellen etwas verändern. Die Änderung ist nicht so groß, dass die Nervenzellen diesen Impuls als Sinneseindruck interpretieren, AktionspotentialeAktionspotential ausbilden und damit Signale an andere Nervenzellen weitergeben (zur Kommunikation zwischen Nervenzellen vgl. 2.2). Aber sie stehen kurz davor, ein Aktionspotential zu generieren. Sie sind sozusagen darauf vorbereitet, sofort zu reagieren, wenn ein passendes Signal von dem jeweiligen Sinnessystem kommt. Bei der InhibitionInhibition erhalten die Nervenzellen dagegen über andere Dendriten solche NeurotransmitterNeurotransmitter, die die Antwortbereitschaft der Nervenzellen vermindern: Die Zellmembran der Neurone wird so beeinflusst, dass sie schwächer und langsamer auf Impulse reagieren, die sie von anderen Nervenzellen erhalten. Dadurch reagieren sie oft gar nicht auf einen schwachen oder mittelstarken Sinnesreiz, auf den sie ohne diese Inhibition antworten würden. Für diese Prozesse der Bahnung und Inhibition gibt es spezielle Verbindungen zwischen den die Aufmerksamkeit steuernden Hirnarealen und den Wahrnehmungsarealen.

      Die bewusst auf Objekte oder bestimmte Ausschnitte der Umgebung gelenkte AufmerksamkeitAufmerksamkeit ist ein Teil dessen, was man unter KonzentrationKonzentration versteht: Wir entscheiden uns dafür, in eine bestimmte Richtung zu schauen, um etwa ein Buch zu lesen. Zugleich entscheiden wir uns dagegen, uns anderen Objekten zuzuwenden oder uns von anderen visuellen, akustischen oder sonstigen Reizen in der Umgebung ablenken zu lassen. Wie exemplarisch in der Formulierung „um ein Buch zu lesen“ deutlich wird, gehört neben der willentlichen Fokussierung der Wahrnehmung eine Zielsetzung, z.B. im Sinne eines Handlungsziels, zu dem, was unter Konzentration verstanden wird. Hier kommt eine weitere Form der Aufmerksamkeit ins Spiel.

      3.3.2 Aufmerksamkeits- und Handlungskontrolle

      Die sogenannte exekutive1 AufmerksamkeitAufmerksamkeit bezieht sich auf die Auswahl und Kontrolle bewusster Handlungen, also die Frage: „Was tue ich und wie?“ Diese Form der Aufmerksamkeit unterscheidet sich von der sensorischen Aufmerksamkeit, denn sie beinhaltet die Steuerung einer bestimmten Abfolge von Hirnaktivitäten. Zunächst einmal bedarf es der Intention, also der bewussten Absicht, eine bestimmte Handlung auszuführen. Handelt es sich um eine selbstgesteuerte Intention, so ist diese im medialen präfrontalen Cortexpräfrontaler Cortex repräsentiert, also einer Region mittig und recht weit vorne im FrontallappenFrontallappen, in dem Bereich, in dem die Hirnhälften einander gegenüberliegen (vgl. Haynes et al. 2007). Folgt man dagegen Anweisungen, sind diese in eher seitlich liegenden Bereichen des präfrontalen CortexCortex repräsentiert (vgl. Abb. 4). In beiden Fällen muss, ausgehend von der Intention, die Umsetzung der gewünschten Handlung geplant und initiiert werden. Dazu entwirft das prämotorische Areal einen Bewegungsplan in Abstimmung mit dem KleinhirnKleinhirn und den BasalganglienBasalganglien und unter Berücksichtigung der Informationen aus den sensorischen Hirngebieten, die ihm Auskunft über die Umwelt sowie über die Position und Haltung des Körpers geben. Bei komplexeren Bewegungsmustern und Handlungsabfolgen wird es dabei vom supplementärmotorischen Areal unterstützt. Das Kleinhirn übernimmt die Feinplanung des im prämotorischen Cortex entworfenen Bewegungsplans in Abhängigkeit von der Position des Körpers und der Gliedmaßen im Raum. Es berechnet den benötigten Kraftaufwand und die genaue Abfolge der Ansteuerung der einzelnen Muskelgruppen. Das sekundäre motorische Areal initiiert die Handlung, gibt also den „Startschuss“. Das primäre motorische Areal schließlich steuert die Bewegung, indem es entsprechende Nervensignale in der richtigen Reihenfolge und Stärke an die Muskulatur sendet. Aber damit nicht genug: Während der Ausführung der Handlung wird diese eng überwacht. Auch hierfür ist Aufmerksamkeit notwendig. Das weiß jeder, der schon einmal aus Unachtsamkeit etwas fallen gelassen oder umgestoßen hat. Bei der Kontrolle und Bewertung der Handlungsausführung aber auch hinsichtlich motivationaler und emotionaler Faktoren ist das anteriore2 CingulumCingulum (vgl. Abb. 6) von großer Bedeutung. Zusätzlich ist diese Region, die in einem der entwicklungsgeschichtlich ältesten Cortexbereiche liegt, an der Abschirmung von Ablenkung und damit an der KonzentrationKonzentration beteiligt. Auch bei der Unterdrückung möglicher konkurrierender Handlungen spielt das anteriore Cingulumanteriores Cingulum eine Rolle. Dabei greift ein ähnlicher Mechanismus von BahnungBahnung und InhibitionInhibition, wie er oben für die sensorische Aufmerksamkeit beschrieben wurde, aber eben nicht in den sensorischen Arealen, sondern in den Hirnarealen, die für die Initiation, Kontrolle und Steuerung der Bewegung zuständig sind. Neben den präfrontalen Arealen spielen bei diesem Prozess die subcorticalsubcortical liegenden Basalganglien eine wichtige Rolle, die Filterfunktionen übernehmen und ein wichtiges Zentrum für motorische Inhibition und Bahnung sind.

      Ähnlich wie bei der Wahrnehmung können wir auch bei Handlungen unsere AufmerksamkeitAufmerksamkeit scheinbar aufteilen. Tatsächlich möglich sind parallele Handlungen dann, wenn eine oder mehrere der zeitgleich ausgeführten Handlungen automatisiert sind, wenn sie also lange eingeübt und so vertraut sind, dass sie nicht permanent unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Bei automatisierten Handlungen ist unsere Aufmerksamkeit nur zur Initiation und bei Störungen nötig. Damit ist genügend Aufmerksamkeitskapazität frei, um eine weitere, nicht automatisierte Handlung zu steuern. Diese Trennung zwischen automatisierten und nicht automatisierten Handlungen bzw. Bewegungen spiegelt sich auch im primären motorischen Cortexmotorischer Cortex wider: Bei automatisierten Prozessen werden die Muskeln von weiter vorne liegenden Teilen des primären motorischen CortexCortex angesteuert, bei nicht automatisierten Handlungen und Bewegungen von den weiter hinten liegenden Anteilen. Dadurch stören automatisierte und nicht automatisierte Handlungen einander nicht.

      Mehrere nicht automatisierte Prozesse, die zu verschiedenen Aufgaben gehören, stören sich dagegen gegenseitig, und zwar umso mehr, je ähnlicher sich die Aufgaben sind. Es gibt viele Hinweise darauf, dass wir beim Multitasking unsere AufmerksamkeitAufmerksamkeit nicht tatsächlich teilen, sondern vielmehr mit unserer Aufmerksamkeit immer wieder zwischen den Aufgaben hin und her springen. Das führt dazu, dass bei Multitasking die Leistung in jeder Einzelaufgabe geringer ist als bei sukzessiver Bearbeitung, wobei alleine schon das Wechseln zwischen den Aufgaben


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