Bruder Tier. Karl König
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Karl König
Bruder Tier
Mensch und Tier in Mythos und Evolution
Herausgegeben von Richard Steel
Illustriert von Stephen Walton
Verlag Freies Geistesleben
Inhalt
Editorische Vorbemerkung
von Richard Steel
Einleitende Gedanken zur Neuauflage
von Imanuel Klotz
Karl König – Bruder Tier – Aufsätze
Geleitwort zur Erstausgabe 1967 von Fritz Götte
Vom Ursprung der Robben
Vom Leben der Pinguine
Die Wanderungen der Aale und Lachse
Die Elefanten
Das Bärengeschlecht und sein Mythos
Schwäne und Störche
Die Taube als heiliger Vogel
Die Spatzen der Erde
Delphine – Kinder der Meere
Hunde und Katzen – Begleiter des Menschen
Bruder Pferd
Epilog (Fritz Götte)
Anmerkungen
Editorische Vorbemerkung
von Richard Steel
Das Staunenlernen vor der Weisheit der Welt ist eine gute Haltung in unserem intellektuellen Zeitalter. So ist es auch erstaunlich, wie bestimmte Ereignisse – ohne dass man sie so geplant hat – zur rechten Zeit in Erscheinung treten. So ist es mit Bruder Tier gegangen. Eine Neuherausgabe und -bearbeitung war schon zu Beginn der neuen Karl König Werkausgabe 2007 geplant, sogar mit einer gewissen Dringlichkeit, weil das Buch vielfach nachgefragt wurde. Die Arbeiten verzögerten sich, weil andere Titel den Vorrang bekamen. Nun fällt der Band wie «zufällig» in die Zeit der Pandemie, aber auch in eine Zeit, in der Klima, Umwelt und Artenschutz in aller Munde sind. War es beim ersten Erscheinen der Aufsätze die Zeit von Silent Spring1, so ist es jetzt der Ruf nach Extinction Rebellion. So sollte es am Ende wohl sein, dass die Neuausgabe zu diesem Zeitpunkt erscheint und das Buch so einen Beitrag zu den Existenzfragen unserer Zeit leisten kann.
Die Menschheit scheint wie ohnmächtig vor den wachsenden Umweltproblemen, globalen Katastrophen und dem Artensterben zu stehen. Dem Ruf zum Umdenken und Handeln wird sich über kurz oder lang kein Zeitgenosse mehr entziehen können. Plötzlich ist jeder existenziell betroffen. Der Intellekt eines materialistisch-wirtschaftlichen Zeitalters hat eine Ausbeutung aller Ressourcen unserer Welt zu Wege gebracht: z. B. die in der Erde schlummernden Stoffe, die Fruchtbarkeit des Bodens, die Pflanzen- und Baumwelt, die tierische Vielfalt bis hin zum Menschen selbst.
Wenn die Abstammung des Menschen vom Tier lang und intensiv genug gedacht wird – wie dies seit dem 19. Jahrhundert der Fall ist –, dann prägt diese gedachte Verwandtschaft in einer bestimmten und zugleich tragischen Weise den Menschen. Es ist wie das «Andorra-Prinzip» – frei nach Max Frisch. Der Mensch ist tatsächlich in mancher Hinsicht sehr nahe an das Tier herangekommen – aber eben in anderer Haltung, als dies von König mit der «Bruderschaft» des Tieres gemeint ist. Es ist der «Kampf ums Dasein», der immer mehr in die Mitte rückt und die menschliche Gesellschaft prägt, die immer deutlichere Zeichen von dem trägt, was Rudolf Steiner mit dem auf uns zukommenden «Krieg aller gegen aller» bezeichnet hat. König möchte mit seinen Tier-Darstellungen ein Gefühl für unseren gemeinsamen Ursprung und dem gemeinsamen Ziel erwecken; von einem Weg, den wir brüderlich teilen können.
So nahe ist das Menschengeschlecht an das Reich der Tiere herangerückt, ihren natürlichen Lebensraum zerstörend und für sich verbrauchend, gleichzeitig ihre Verhaltensweisen in sein Weltbild einführend, dass die Empathie, das Gefühl eines «Wir» der Menschen zu wenig auf das Tier überspringen kann, sondern eher die Viren der Tiere auf die Menschen. Somit sind wir in der Gegenwart angekommen.
Sind die düsteren Prognosen ein Grund aufzugeben? Wird es in naher Zukunft einen Auszug der Millionäre geben, um Lebensräume auf anderen Planeten zu suchen? Lassen sich Ansatzpunkte für eine positive Veränderung der Lebenslage des Menschen finden?
Malcolm Gladwell prägte den Begriff Tipping Point.2 Er beschreibt soziale Epidemien und meint damit, dass auch sozial positiv wirkende Impulse – einem Virus vergleichbar – hoch ansteckend wirken können und folgert: Schauen Sie sich die Welt um Sie herum an: Sie mag aussehen wie unveränderbar und unversöhnlich. Das ist sie nicht. Mit der kleinsten Bewegung – am rechten Ort angesetzt – kann sie «umgeschoben» werden: «Tipping Point»!
Ein solcher rechter Ort der weltverändernden Bewegung ist mit Sicherheit das eigene Denken eines jeden Menschen. Eine der wesentlichsten Forderungen der Gegenwart ist gewiss die Frage nach der Entwicklung von Lebendigkeit und Bildhaftigkeit im Denken. Karl König war einer der großen Lehrer eines lebendigen, imaginativen Denkens; eine Kraft, die bislang künstlich aufgebaute Grenzen durchstoßen kann; Lebenskräfte fördernd und wahre Moralität suchend. Die Aufsatzreihe Bruder Tier mag hier stellvertretend als würdiges Beispiel dienen, wenn man sie unvoreingenommen auf sich wirken lässt.
Somit erkennen wir unmittelbar, dass es gegenwärtig der rechte Zeitpunkt ist, Bruder Tier erneut einer breiten Leserschaft zur Verfügung zu stellen. Der volle Titel Bruder Tier – Mensch und Tier in Mythos und Evolution kann im Vorfeld bereits Fragen anregen, spiegelt letztlich aber auch genau Königs Absicht sowie seine Arbeitsmethode wider: Wir lernen aus seinen Ausführungen, wie in der Mythologie nicht ein alter, sondern geradezu ein neuer Zugang des selbstständig denkenden Menschen zur Evolutionsfrage verborgen ist, der uns über die darwinistische Denkweise hinweghelfen kann. So entsteht – Stück für Stück – eine Anschauung der gemeinsamen Evolution von Mensch und Tier, die unsere wahre Verwandtschaft mit dem Tierreich unmittelbar erlebbar macht. So könnte ein «geschwisterliches» Verhalten durch genau jene «Herzenserkenntnis» entstehen, die König als Grundvoraussetzung für die Zukunft des Menschseins fordert.3
Diese Aufsätze, die weit über das Spektrum naturwissenschaftlicher Fachbeiträge hinausragen, können einen neuen Bezug zu den Naturreichen – insbesondere dem Tierreich – ermöglichen.
Im Gespräch mit Fritz Götte, so berichtet dieser in seinem Geleitwort zur ersten Buchausgabe 1967, sprach Karl König von einer «künftigen Zoologie».
Götte, Freund und Verleger Königs, war selbst so berührt von den Tierdarstellungen, dass er ihn immer wieder aufforderte, weiterzuschreiben, was König bis zu seinem Tode 1966 auch buchstäblich tat. Den zuletzt fragmentarisch gebliebenen Aufsatz «Bruder Pferd» vollendete Götte dann als Herausgeber selbst. In diesem «Epilog» schrieb er über die künftige «Evolution» des Denkens:
Von der Qualität des Denkens wird es abhängen, welche Technik die Zukunft hervorbringen wird, eine menschen- und naturmörderische oder eine wesentragende und heilende, welche vor dem Christus bestehen kann. Und es hängt weiter von der Qualität des Denkens ab, welche sozialen und politischen Ordnungen oder Missordnungen die Menschheit ferner finden wird.
König hat, insbesondere in den letzten zehn Jahren seines Lebens, neben seinen Aufgaben in der weltweit gewachsenen Camphill-Bewegung und seiner Tätigkeit als Redner und Berater – auch international – unermüdlich geschrieben. Der Zeitgeist hat ihm wohl zu verstehen gegeben, dass seine Ansätze, seine Ziele, seine Art, die Herzen zu bewegen, schon damals wichtig waren, doch in der Zukunft erst recht von Belang sein werden. – Vielleicht erst zu einer viel späteren Zeit, in der sie aufgrund ihrer Signifikanz und unmittelbaren Praxisorientiertheit sowie sozialen Wirksamkeit den rechten Ackerboden finden werden. Genau in diesen letzten zehn Jahren (1956 – 1966) kamen diese elf Aufsätze mit vierzehn Tierbildern zustande.
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