Internal Investigations. Dennis Bock
bis es zu einer Inanspruchnahme eines Organmitgliedes kommt. Dies wirft zwangsläufig die Frage auf, ob und wie der Versicherer in solche Prozesse einzubinden ist.
1. Die Situation vor und anlässlich des Abschlusses einer D&O-Versicherung
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Ist das Unternehmen gerade damit befasst, Versicherungsschutz (neu) abzuschließen, während eine „Internal Investigation“ durchgeführt wird oder steht jedenfalls die Durchführung solcher Untersuchungen bereits fest, dann stellt sich die Frage, ob dieser Umstand dem Versicherer im Rahmen des Vertragsschlusses anzuzeigen ist.
a) Vorvertragliche Anzeigepflichten – § 19 VVG
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Insoweit könnte zunächst eine Anzeigepflicht nach § 19 VVG etabliert werden. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherungsnehmer dazu verpflichtet, dem Versicherer etwaige für den Vertragsschluss erhebliche Gefahrumstände mitzuteilen. Die Verletzung von vorvertraglichen Anzeigepflichten kann Gestaltungsrechte des Versicherers (Kündigung, Anfechtung, Rücktritt) auslösen, die später zu einem Wegfall des Versicherungsschutzes führen können.
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Grundsätzlich hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des VVG vom 23.11.2007 allerdings eine für den Versicherungsnehmer freundliche Änderung umgesetzt: Im Rahmen von § 19 VVG sind nur noch solche Umstände anzeigepflichtig, nach denen der Versicherer schriftlich in Textform gefragt hat.[6] Dabei muss die Frage hinreichend konkret ausgestaltet sein.[7] Pauschale Fragen reichen nicht aus. Folglich wird die bloße Tatsache, dass interne Untersuchungen angeordnet worden sind oder bevorstehen, als solche regelmäßig nicht anzeigepflichtig sein. Denn eine darauf konkret zielende Anfrage des Versicherers wird häufig nicht vorliegen.
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Anders verhält es sich jedoch möglicherweise dann, wenn bereits konkrete Verdachtsmomente gegeben sind, die zu der Anordnung der internen Untersuchung geführt haben, oder wenn bereits ein Untersuchungsergebnis vorliegt. In diesen Fällen ist es möglich, dass eine Anzeigepflicht statuiert wird. Denn der Versicherer fragt häufig danach, ob Umstände[8] bekannt sind, die zu einer Inanspruchnahme führen können, so dass eine Nichtanzeige der Verdachtsmomente oder der im Rahmen einer „Internal Investigation“ zu Tage getretenen Ergebnisse sich später als fehlerhafte Beantwortung dieser Frage darstellen kann. Dies ist selbstverständlich von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Entscheidend ist jedoch, dass jedenfalls ein Risiko dafür besteht, dass der Versicherer später den Versicherungsschutz verweigern könnte, wenn er erfährt, dass bereits vor dem Vertragsabschluss Verdachtsmomente oder gar konkrete Umstände bekannt waren, die eine Inanspruchnahme eines Organmitgliedes in der Zukunft wahrscheinlich machen.
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Das Unternehmen trägt in dieser Situation eine immense Verantwortung. Denn die D&O-Versicherung sichert die Haftung sämtlicher Organmitglieder des Unternehmens sowie seiner Tochtergesellschaften ab.[9] Wenn durch eine fehlerhafte Beantwortung der von dem Versicherer gestellten Fragen der Versicherungsschutz gefährdet wird, dann sind davon auch die Organmitglieder betroffen, die von dem Ergebnis der Untersuchungen keine Kenntnisse haben. Diese haben aufgrund arbeitsrechtlicher Bestimmungen jedoch häufig die Zusage, dass das Unternehmen Versicherungsschutz im Rahmen einer D&O-Versicherung bereithält. Folglich können sie verlangen, so gestellt zu werden, als sei Versicherungsschutz gegeben. Die Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten kann also im Ergebnis dazu führen, dass das Unternehmen nicht nur den Versicherungsschutz gefährdet, sondern auch Schadensersatzpflichten von Organmitgliedern ausgesetzt wird, wenn es später zu einer Inanspruchnahme kommen sollte.
b) Mögliche Anfechtungsrechte – § 22 VVG
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Diese Situation wird noch durch den Umstand verschärft, dass neben einer Verletzung von Anzeigepflichten grundsätzlich auch ein Anfechtungsrecht des Versicherers wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB bestehen kann. Nach § 22 VVG bleibt nämlich das Recht des Versicherers, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, ausdrücklich unberührt. Umstritten ist allerdings, ob nicht auch eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung eine ausdrückliche Nachfrage des Versicherers erfordert.[10] Dies wird teilweise deshalb gefordert, weil das Unternehmen in Anbetracht der Nachfragepflichten des Versicherers, die mit der Neufassung des § 19 VVG in das Gesetz inkorporiert wurden, darauf vertrauen können soll, dass eine spontane Anzeigepflicht nicht besteht.[11] Indessen wird von maßgeblichen Stimmen der Literatur[12] zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Gesetzesbegründung[13] die Möglichkeit einer spontanen Anzeigepflicht ausdrücklich betont wird. Die Vorschrift des § 22 VVG würde im Ergebnis auch kaum noch Relevanz aufweisen, wenn man eine Arglistanfechtung nur dann zulassen würde, wenn der Versicherer vorher schriftliche Fragen nach den verschwiegenen Umständen gestellt hat.[14]
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Es ist deshalb im Einklang mit der wohl als herrschend zu bezeichnenden Ansicht davon auszugehen, dass eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung auch bei Verschweigen von Umständen, nach denen der Versicherer nicht ausdrücklich gefragt hat, in Betracht zu ziehen ist.[15]
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Der dargestellte Meinungsstreit ist allerdings im Bereich der „Internal Investigations“ aus folgenden Gründen kaum von Relevanz:
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Ein Anfechtungsrecht entsteht nur dann, wenn die Kriterien der Arglist erfüllt sind. Dies setzt eine Täuschungshandlung des Unternehmens gegenüber dem Versicherer voraus.[16] Diese kann in der angesprochenen Fallkonstellation lediglich durch ein Verschweigen von Tatsachen – nämlich den im Rahmen der Untersuchungen aufgedeckten Erkenntnissen – begangen werden. Eine Täuschung durch Verschweigen wiederum erfordert, dass der andere Teil – das ist vorliegend der Versicherer – nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise eine Aufklärung erwarten durfte.[17] Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass im Grundsatz jede Partei ihre Interessen selbst wahrzunehmen hat und keine allgemeine Pflicht besteht, jeden Umstand offenzulegen.[18]
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An dieser Stelle wird sofort eine weitere Besonderheit deutlich, die mit der Durchführung von internen Untersuchungsergebnissen verbunden und zu berücksichtigen ist:
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Die gewonnenen Untersuchungsergebnisse sind keineswegs ausschließlich unter dem Blickwinkel ihrer Auswirkungen für den Versicherungsschutz zu betrachten. Oftmals muss das Unternehmen sehr genau abwägen, welche Schritte im Unternehmenswohl geboten sind, und ob man bereits das Risiko eingehen kann, außenstehende Dritte – und dazu zählt aus Sicht des Unternehmens auch der Versicherer – von dem Ergebnis zu unterrichten. Dies kann insbesondere dann relevant werden, wenn festgestellt wird, dass einzelne Mitarbeiter Strafvorschriften verletzt haben. Ein professionelles Krisenmanagement ist dann unabdingbar.[19] Es ist also durchaus denkbar, dass unter Abwägungsgesichtspunkten – § 242 BGB bildet den Maßstab – eine unmittelbare Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse an den Versicherer nicht vorgenommen werden muss. Eine Anfechtung wegen Arglist scheidet dann aus. Zu beachten ist im Rahmen einer solchen Abwägung des Weiteren, dass der Versicherer sich durch entsprechende Ausgestaltung des Fragebogens in die Lage versetzen kann, eine Offenbarungspflicht zu statuieren. Insoweit verliert der oben angedeutete Streit erheblich an Bedeutung. Denn die Möglichkeit bzw. die Pflicht des Versicherers, Fragen vor Vertragsschluss zu stellen, grenzt jedenfalls die Fälle erheblich ein, in denen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung eine spontane Anzeigepflicht des Unternehmens statuiert wird. Es kommt jedoch immer auf die Umstände des Einzelfalles an.
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Festzuhalten ist damit, dass grundsätzlich eine spontane Pflicht des Unternehmens statuiert werden kann, die Ergebnisse interner