Das Wunder der Heilung. Patric Pedrazzoli

Das Wunder der Heilung - Patric Pedrazzoli


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      Unterwegs machten wir einen kleinen Abstecher zu einer Höhle, in der seit Jahrzehnten ein Yogi im Schnee sitzend meditiert, keiner weiß so genau, wie lange er da schon sitzt, es müssen aber sicherlich schon ein paar Jahrzehnte sein, da einige ihn als Kinder besuchten und später dann mit ihren Kinder wiederkamen. Schon verrückt, dass es so etwas gibt, und ich sage euch, es gibt in Indien Hunderte solcher Phänomene mit Yogis und Babas. (Übrigens gibt es sie auf der ganzen Welt, auch bei uns in der Schweiz.) Hier ist aber auch anzumerken, dass es auf diesem Gebiet viele Scharlatane gibt, die die Leute nur um ihr Geld bringen möchten und damit ihre Macht ausnützen. Es ist immer gut, auf seine Intuition zu hören und sich nicht von gewissen Äußerlichkeiten blenden zu lassen.

      Zurück in Kedernath trafen wir unsere Freunde wieder. Wir übernachteten noch einmal im Hare Krishna Ashram und begaben uns am folgenden Morgen auf die Rückreise nach Rishikesh. Mittlerweile pilgerten von der Kumbh Mela Hunderttausende Leute durch den Himalaya zu vielen verschiedenen Kraftplätzen und heiligen Orten. Es war daher schwierig, eine Möglichkeit für die Rückfahrt zu finden, also entschlossen wir uns zu einem neuen großen Abenteuer: auf dem Dach eines Busses die schmalen Straßen hinunterzufahren. Wir mussten sehr aufpassen, da oft Leitungen oder sonstige Kabel quer über die Straße hingen. Zumeist legte ich mich einfach hin und genoss die frische Luft, die Aussicht und das gigantische Ambiente der kraftvollen und hohen Berge. Plötzlich flog ein riesiger Adler über unseren Bus und begleitete uns eine Weile. Seine Spannweite war sehr groß, es war ein prachtvolles Lebewesen, so etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen. Seit dem Bad im Ganges in Haridwar vor einigen Tagen war die Welt für mich nicht mehr so wie vorher. Ich sah alles mit den Augen eines Kindes im Körper eines jungen Mannes. Jeder Moment war neu und alles sah so wunderbar aus, jede Pflanze und jeder Baum leuchtete. Ich spürte auch bei allem – seien es Pflanzen, Tiere oder Steine und auch bei Menschen, dass sie ein Teil von mir waren, ich spürte sie tief in meinem Herzen.

      Am späten Abend kamen wir dann am Fuße des Himalayas in Rishikesh an. In meinem Zimmer fand ich eine kleine Kugel. Auch diese spürte ich tief in mir, das war irgendwie ein komisches Gefühl. So, als fühlte ich die Kugel als Teil von mir. Ich nahm sie in die Hand, sie hing an einem Faden. Ich hielt sie am Faden in die Luft und rein durchs Atmen oder durch die Verbundenheit mit mir, begann die Kugel zu schwingen, ohne dass ich meine Hand bewegte. Immer schneller drehte sie sich im Kreis, dann ließ ich die Schnur los und die Kugel schwebte und drehte sich weiter. Die Physik und alles in der Schule Gelernte, was möglich sei – auch in Bezug auf die Schwerkraft – löste sich in einem Moment auf. Ich erschrak und die Kugel fiel zu Boden. Kurz darauf versuchte ich es gleich noch einmal, aber es funktionierte nicht mehr. Gut, ich brachte die Kugel am Faden zum Schwingen, konnte sie jedoch nicht loslassen, ohne dass sie zu Boden fiel. Daher stellte ich fest, dass ich sie nicht mit meinem Willen steuern kann, sondern dieses Phänomen in einem Moment der Gedankenfreiheit und Willenlosigkeit geschieht. Es geschieht, weil es ganz einfach geschieht. Mit dieser Erkenntnis ließ ich mich todmüde in mein Bett fallen und schlief bald ein.

      Nach nunmehr dreieinhalb Monaten innerer und äußerer Reise durch Indien und durch mich selbst begab ich mich auf die Heimreise in die Schweiz. Im Flugzeug durchlief ich in Gedanken noch einmal meine Reise und stellte erstaunt fest, dass sich, ohne es zu wollen, meine in der Zwischenzeit längst vergessenen fünf Vorsätze für die Reise alle erfüllt hatten: Erstens hatte ich mich wiedergefunden, denn ich und Gott wurden wieder eins. Er war immer bei mir, ich hatte ihn jedoch vergessen und verdrängt. Zudem hatte ich eine Medizin gefunden für alle Krankheiten (mehr dazu später in diesem Buch und an meinen Abenden und Seminaren). Ich wurde Vegetarier und aß nichts mehr, was Augen hatte und mich ansehen konnte. Und ich versöhnte mich mit meinem Leben und meinem Umfeld. Obendrein sah und fühlte ich meine Aura um mich herum, sie war wie eine große Sonne mit einer riesigen Leuchtkraft. Ich nahm mir vor, zu Hause jedem ein Stück von dieser Sonne abzugeben. Mein Wesen war egofrei geworden, jedenfalls für eine gewisse Zeit.

      Ich spürte Lippen auf meinem Herzen. Wenn ich sprach, dachte ich nicht nach, ob ich dieses oder jenes sagen darf, sollte oder müsste, sondern sprach ohne im Kopf zu filtern direkt aus meinem Herzen. Das war sehr ungewöhnlich in meiner Umgebung. Man sagt oft, dass Kinder ehrlich und direkt sind und kein Blatt vor den Mund nehmen; bei Kindern ist das nicht so schlimm, aber stell dir einmal vor, das macht ein Erwachsener.

      Jeder erzählt einem, wie groß der Kulturschock sei, wenn man nach Indien fährt. Einen noch viel größeren Kulturschock spürte ich jedoch, als ich zurück in mein Land kam, das ich doch eigentlich so gut kannte. Kannte ich es wirklich so gut oder hatte ich vorher einfach eine rosarote Brille aufgehabt? Ich hatte niemandem gesagt, dass ich nach Hause kommen würde. Ich wollte alle damit überraschen, vor allem meine Mutter, da sie sich sicherlich am meisten Sorgen um mich machte. Ich freute mich sehr, nach Hause zu kommen und meinen Eltern, meinem Bruder und meinen Freunden zu zeigen, wie sehr ich mich verändert hatte, und dass ich den Sinn des Lebens gefunden habe.

      Allerdings fanden meine Eltern und meine Freunde mein neues Ich nicht so toll, alle wollten am liebsten den alten Patric zurück. Heute kann ich das verstehen, doch damals verstand ich sie nicht, ich war viel zu glücklich über die Veränderungen. Ich verstand nicht, dass sie mich und meine Philosophie über Gott und die Welt nicht mit mir teilen wollten. Nun gut, auch äußerlich hatte ich mich ziemlich verändert in diesen dreieinhalb Monaten. Ich hatte in Indien Probleme mit meinem Magen gehabt und brachte Salmonellen und anderes Gewürm mit, dadurch hatte ich sehr viel Gewicht verloren, sodass sich meine Mutter und auch die Nonna große Sorgen um meine Gesundheit machten. Ich sah aus wie ein indischer Fakir, man sah jedes Rippchen und ich war eine dünne Bohnenstange geworden. Jedoch war das nur mein Körper, ich fühlte mich getrennt von ihm, ich bewohnte ihn, er war aber nicht ich und das fühlte sich energievoller und gesünder an, denn je.

      Das erste, was alle Freunde, Verwandten und Bekannten zu mir sagten, war: »Bist du krank? Du siehst krank aus.« Nachdem ich das bereits fast tausend Mal gehört hatte, sagte ich zur tausendundeinten Person: »Nein, ich bin nicht krank, doch du und die anderen machen mich krank!« So fühlte es sich für mich auch an. Diese ganzen Worte und Gedanken der anderen saugten mir Energie ab. Heute muss ich dazu sagen, ich ließ es selbst zu. Ich schenkte diesen Worten Glauben, obwohl es für mich nicht so war, und je öfter ich es hörte, umso weniger hörte ich in mich hinein.

      Bald wollten nicht nur meine besten Freunde, mit denen ich in den letzten Jahren sehr viel Zeit verbracht hatte, nichts mehr von mir wissen, auch mein erweiterter Freundeskreis zog sich von mir zurück. Überall galt ich als verrückt gewordener spiritueller Freak, der durch alle hindurchschaute, und das machte den Leuten Angst. Das war kein Hellsehen, ich fand mich nur in allen wieder, mit ihren Problemen und Knörzen, ich sah keinen Unterschied mehr zwischen mir und ihnen. Also wechselte ich meinen Freundeskreis und hing mit anderen Leuten ab, die mich ein bisschen verstanden oder zumindest so taten. Meine Eltern jedoch, vor allem mein Vater, hatten sehr große Mühe mit meinem neuen Verhalten und meinen Lebensphilosophien. Heute kann ich diese Mühe verstehen, an ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlich ähnlich reagiert. Es ist alles menschlich und normal.

      Kurz nachdem ich wieder zu Hause war, verliebte ich mich in eine Frau, die ich bereits aus Goa kannte und die eine ähnliche spirituelle Erfahrung gemacht hatte, wir konnten uns gut austauschen. Sie hatte eigentlich vorgehabt, mit ihrem langjährigen Freund zusammenzuziehen, sie hatten auch schon eine Wohnung, die sie in einigen Tagen beziehen wollten. Plötzlich kam alles anders, denn auf einmal wollte sie mit mir zusammen sein, machte Schluss mit ihrem Freund, und statt ihm zog ich mit ihr in die neue Wohnung. Das war damals alles sehr viel für meine Mutter, kaum war ich wieder zu Hause und schon wollte ich von einem Tag auf den anderen ausziehen. Gesagt, getan, ich packte meine sieben Sachen und zog zu Hause aus.

      Als ich eines Tages mit einem Freund auf dem Weg zu einer Party war, schaute ich zum Himmel und sah plötzlich einen funkelnden Stern, es war die Venus, die wie eine rote Lampe leuchtete. Ich sagte zu meinem Kumpel: »Sieh doch mal da oben, da leuchtet ein roter Stern.« Er aber schaute mich ganz komisch an und meinte: »Welchen denn? Ich sehe keinen.« Ich versuchte, ihm zu beschreiben, welchen Stern ich meinte, bis ich merkte, für ihn war der Stern nicht rot. Ich möchte hier anmerken, dass ich vollkommen


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