Scheiss Bullen. Andreas Widmer
Die Vielschichtigkeit
Legitimierung eines anonymen Demonstranten
Die Pufferfunktion
Der berüchtigte »schwarze Block«
Eine RAS-Anführerin über den »Schwarzen Block«
Der Linksextremismus wird unterschätzt
Merkblätter mit Verhaltensregeln bei Demonstrationen
Nachwuchsförderung im Linksextremismus
Eine ehemalige Linkextremistin erzählt (anonym)
Wie wird agiert?
Straßenkampf und seine Themen
Globalisierung und Kapitalismus
Arbeitskampf
Tierschutz
Chaoten
Der Anarcho-Kreis in Zürich
Es fehlen autonome Räume, so die Ansicht der Revolutionäre
Platzaktion »Wir bleiben alle«
Autonome Schule
Kontroverse in Basel
Rechtsextremismus
Schlagzeilen an Fasnacht
Fußballfans und Gewalt
Rayonverbote
Rechtsanwältin für Fananliegen
Mein persönlicher Umgang mit dem Thema Feindbild
Kindheit bis eintritt Polizei
Gefühlswelt in der Militärzeit
Fazit
Einstecken als Bediensteter des Staates
Alltagssituationen
Amoklauf im bauamt
Das leiden an der limmat bei der letten
Rollenwechsel
Niemand ist schuld
Unter Beschuss
Persönliche Präferenzen
Sympathie zeigen und abwägen
Der surreale Modus
Todesangst
Neue Wege im Jahr 2020
Vernetzung und Hobby
Gedicht zum Buch
Einleitung
Warum schreibe ich dieses Buch?
Üble Beschimpfungen und tätliche Angriffe auf Polizisten nehmen zu. In meinen 37 Dienstjahren als Polizist stellte ich fest, dass sich die beiden Fronten, wir nennen sie »Polizei und Gegenseite«, bei Konfliktsituationen in spezifische Verhaltensmuster verstricken. Daraus entstehen Unstimmigkeiten. Die Fronten sind weit voneinander entfernt, so scheint es. Das Buch ist kein »Polizei-Knigge«, sondern will das Verständnis fördern und Gedanken anregen. Warum sich Feindbilder entwickeln, wird ausgiebig analysiert und erörtert. In diesem Kontext sehe ich mich als Mediator und Ratgeber. Eigene Erfahrungen und Schilderungen aus der Gegenseite befeuern die Kluft zwischen Gesetz und Hass. Das Feindbild »All Cops Are Bastards« (ACAB) und das Schlagwort »Scheißbullen« bilden den roten Faden im Buch.
Ich resümiere und analysiere die Auswüchse und Anfeindungen. Zwischen der Gegenseite und der Polizei arbeitete ich bis Frühjahr 2020 als eine Art Puffer zwischen den Fronten. Als Fachspezialist geriet ich immer wieder ins Kreuzfeuer der extremen Linken, von denen die Polizei als Feindbild wahrgenommen wird. Wobei das nicht nur auf die Linken und Freiraumaktivisten zutrifft. Im Buch erfahren Sie, wie vielfältig sich dieses Feindbild manifestiert. Hinter jedem Bullenhasser steht eine individuelle Prägung. Wenn wir diese Prägung besser verstehen, ist - wie ich meine - ein respektvolles Nebeneinander eher möglich. Denn ein Polizist ist ja kein Wesen ohne Gefühle und das Gegenüber per se kein Rüpel.
Betrachten wir die Ideologie der Gegenseite genauer. In diesem Buch wird gefragt, wieso vorwiegend Jugendliche gegenüber der Polizei Kontroversen auslösen, und warum häufig Frustration in Aggression überschwappt und die Situationen damit eskalieren. Kann ein besseres Verständnis zu einer allgemeinen Verbesserung beitragen? Wie wird der gesteigerte Frustpegel in Hass verwandelt? Was können wir aus all den Erfahrungen lernen? Diese und mehr Fragen werden uns in diesem Buch beschäftigen und begleiten. Seien Sie gespannt! Dieses Buch wendet sich an alle, die ganze Gesellschaft, seien es Schüler, Lehrlinge, Politiker, Lehrer, Demonstranten oder Polizisten. Gehen wir also gemeinsam auf die Brücke und schauen wir auf die andere Seite.
Zu meiner Person
Ich wuchs zusammen mit zehn Geschwistern in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Bauern im Kanton St. Gallen auf. Nach der Schule wollte ich die Kunstgewerbeschule besuchen. Das war jedoch aus finanziellen Gründen nicht möglich. Daher lernte ich Maler und Tapezierer, da es in diesem Beruf auch um das Gestalten geht. 1982 legte ich diesen Beruf nieder, um Polizist zu werden. Ich wollte der Gerechtigkeit und dem friedlichen Miteinander dienen. Den Pinsel brauchte ich fortan nur noch für mein Hobby, die Kunstmalerei. Ich begann meinen Polizeidienst bei der Stadtpolizei Zürich. Damit verzichtete ich auf eine militärische Karriere und machte eine zweijährige, anspruchsvolle Ausbildung. Danach folgten zwölf spannende Jahre im Streifendienst. 1996 war eine Stelle beim spezialisierten Sicherheitsdienst (dem ehemaligen, gefürchteten Geheimdienst KK3) ausgeschrieben. Der Übertritt in diese Spezialabteilung, die sich mit politischen Zusammenkünften und gesellschaftlichen Problemen befasst, klappte auf Anhieb. Dort kam ich als Aufklärer und Szenenkenner zum Einsatz. Der Übergang vom Uniform tragenden Streifendienst in den zivil gekleideten Spezialdienst fiel mir anfangs schwer. Es gab weniger »Kundenkontakt«, und wenn, dann mit Leuten, die mit irgendetwas nicht zufrieden waren. Meist ging es um Konflikte mit Migranten und ihre Ursprungsländer oder um ungerechtfertigten Lohnabbau. Dennoch interessierten mich diese Fälle immer mehr. Ich vertiefte mich in die Materie und studierte unzählige organisationsspezifische Elaborate. Oft fragte ich mich, warum sich Menschen versammeln, welche Anliegen sie haben und warum sie sich auf diese Weise artikulieren. Ich spürte zum ersten Mal, wie sehr Menschen Zorn und Hass entwickeln, wenn in ihren Ländern Menschen umgebracht werden oder wenn ein Unternehmen Massenentlassungen ankündigt.
Mein Zugang zum Thema
Die Wandlung vom Maler zum Gerechtigkeit suchenden Polizisten stellte für mich einen großen Spagat dar. Es sind doch alles Menschen mit eigenen Biografien und Geschichten, so ging es mir oft durch den Kopf. Vor knapp zehn Jahren schrieb ich eine Diplomarbeit für die höhere Fachprüfung mit dem Thema: Beschaffung von Informationen bei illegalen Veranstaltungen. In vielen Vorträgen, die ich in den letzten 20 Jahren gehalten habe, spürte ich das große Informationsbedürfnis zum Linksextremismus. Mich interessierte aber auch, wieso, was, warum und wo wie passierte, die Gefühle und Emotionen, die dahintersteckten. Nur wer die Gegenseite zu Wort kommen lässt, versteht ihre Anliegen und Bedürfnisse, so sagte ich mir. Diese Arbeit führte mich aus der Landidylle in die hektische