Aqua Fitness. Gelenkschonende Wassergymnastik für mehr Ausdauer, Beweglichkeit und Kraft. Andrea Röwekamp
des Wassers reduziert sich das Körpergewicht um ein Vielfaches, so dass auch stark übergewichtige Personen von diesem Trendsport profitieren können. Ein großer Teil des Stütz- und Bewegungsapparates, besonders die Wirbelsäule und die Gelenke, werden entlastet. Die Verletzungsgefahr im Wasser ist auf ein Minimum reduziert, selbst wenn Bewegungen falsch ausgeführt werden.
Als ideal, das haben mittlerweile zahlreiche Studien bewiesen, hat sich ein aerobes Ausdauertraining erwiesen. Aerob (sauerstoffabhängig) bedeutet, die Belastung wird so gewählt, dass der Körper für die zu leistende Arbeit immer genügend Sauerstoff zur Verfügung hat. Wichtiger Tipp, bevor sie sich in die Fluten stürzen: Wenn Sie schon seit längerer Zeit oder noch nie Sport getrieben haben, dann sollten Sie sich vor Beginn des Aqua-Fitness-Trainings sportärztlich untersuchen lassen.
Was die Aqua-Fitness so wertvoll macht, ist die dynamische Bewegungsform, bei der große Muskelgruppen (mehr als ¹⁄₇ bis 1⁄₆ der gesamten Skelettmuskulatur) in Bewegung kommen. Weiterer Vorteil: Die Muskulatur steht bei den Bewegungen nicht unter Dauerspannung, sondern es erfolgt ein ständiger Wechsel von Anspannung und Entspannung, wie es für zyklische Bewegungen charakteristisch ist.
Regelmäßiges Training führt schließlich zu wertvollen Anpassungserscheinungen, Experten sprechen von Adaptationen, die sich auf den gesamten Organismus positiv auswirken und zu einer größeren Leistungsfähigkeit führen. Herz-Kreislauf-System, Sehnen, Bänder und Muskeln, die Gelenke und sogar das Nervensystem – alle profitieren von Aqua-Fitness.
Wer sich die folgende Grafik einmal genauer anschaut, sieht allerdings, dass sich die einzelnen Bereiche unterschiedlich schnell anpassen. Was geht im Körper vor? Durch die sportliche Belastung kommt es zu einer Störung des biologischen Gleichgewichts, die auch Homöostasestörung genannt wird. In der Erholungsphase passt sich der Körper der wachsenden Belastung an und entwickelt so eine höhere Leistungsfähigkeit durch einen erhöhten Funktionszustand.
Reihenfolge der Anpassungserscheinungen des Organismus
Trainingszustandsverbesserung
Diese biologische Kette wird aber erst in Gang gesetzt, wenn der Reiz eine bestimmte Schwelle überschreitet, die individuell unterschiedlich hoch liegt.
In der Sportwissenschaft wird die Anpassungserscheinung nach einer Trainingsbelastung mit dem Begriff der »Superkompensation« beschrieben. Abhängig von der Trainingsbelastung kann es in der Erholungsphase zu einer überschießenden Reaktion kommen, d. h., die sportliche Leistungsfähigkeit wird erhöht. Auf dem Punkt der höchsten Leistungsfähigkeit sollte dann die nächste Belastung folgen. So ist es möglich, sich kontinuierlich zu verbessern.
Die Phase der Superkompensation ist die erste Anpassung des Sportlers an sportliche Belastungen. In der Abbildung links unten werden die einzelnen Stufen der Superkompensation noch einmal grafisch dargestellt. Die Abbildung rechts oben zeigt den ansteigenden Trainingszustand.
Vorteile für das Herz-Kreislauf-System
Wie beim Training an Land, so ist auch im Wasser die Senkung der Herzfrequenz erstes Zeichen einer Anpassungserscheinung. Durch sportliche Belastung stellt sich der Körper von einem auf Leistung ausgerichteten Typ (sympathikotoner Typ) zu einem auf Erholung ausgerichteten Typ (vagotoner Typ) um. Für diesen Effekt sind zwei Faktoren verantwortlich:
1.die Senkung der Erregerstoffe, die auch Sympathikusstoffe genannt werden
2.die Erhöhung der für die Erholung zuständigen Vagusstoffe (Acetylcholin)
Der bekannteste Sympathikusstoff ist Adrenalin. Er gehört zur Gruppe der Katecholamine, deren Freisetzung zu einer Steigerung der Herzfrequenz führt. Katecholamine verbrauchen sehr viel Sauerstoff und können im Herzen einen Sauerstoffmangel hervorrufen. Durch ein Ausdauertraining kann die Freisetzung von Katecholaminen um über 30 % gesenkt werden, wodurch das Herz weniger empfindlich auf Erregerstoffe reagiert.
All diese Vorteile haben wir dem so genannten hydrostatischen Druck zu verdanken: Wenn man ins Wasser steigt, geraten die Blutgefäße unter positiven Druck. So strömt mehr Blut zum Herzen zurück und mit jedem Schlag pumpt der Herzmuskel mehr Blut in den Kreislauf. Es muss also weniger arbeiten, um den Körper mit sauerstoffreichem Blut zu versorgen. Das senkt die Pulsfrequenz, und ohne den geringsten Aufwand wird das Herz-Kreislauf-System gestärkt. Die Vordehnung des Herzmuskels wird erhöht, das Herzschlagvolumen vergrößert und die Herzfrequenz gesenkt.
Ausdauerbelastungen führen zudem zu einer Vergrößerung des Herzmuskels (Myokard), der wie eine Saug-Druck-Pumpe arbeitet. Bei vergrößertem Herzen ist sowohl die Saug- als auch die Druckphase erheblich verlängert. Das Herz benötigt weniger Sauerstoff und wird länger und besser durchblutet.
Im Rahmen der Kreislaufregulation ist das Venensystem dafür zuständig, das Blutangebot dem aktuellen Bedarf anzupassen. Durch ein Ausdauertraining wird die venöse Kapazität erhöht.
Der erhöhte Wasserdruck unterstützt auch das Ausatmen und erschwert das Einatmen, weil das Wasser den Brustkorb zusammendrückt. Das kräftigt die Atemmuskeln, und bei jedem Atemzug gelangt mehr Luft in die Lungen. Optimal für ältere Menschen, denn ohne Training nehmen die Lungen mit zunehmendem Alter immer weniger Luft auf.
Starke Muskeln
Sage und schreibe 650 Motoren sorgen für ein reibungsloses Funktionieren unseres einzigartigen Organismus. Bei diesen Motoren handelt es sich um äußerst komplexe Gebilde, die wir als Muskeln bezeichnen. Ohne sie könnten wir nicht atmen, nicht sprechen, nicht scharf sehen und uns natürlich auch nicht bewegen. Muskelfasern zählen zu den längsten Zellen des Körpers, und sie veranstalten eine Art mikroskopischen Tauziehen, um chemische Energie in Bewegung umzusetzen. Bei der Muskulatur werden drei verschiedene Fasertypen unterschieden:
•langsam reagierende Fasern (slow-twitch)
•schnell reagierende Fasern (fast-twitch)
•Intermediärtyp (Gleichgewicht zwischen Slow-twitch- und Fast-twitch-Fasern)
Bei der Aqua-Fitness werden hauptsächlich die Slow-twitch-Fasern beansprucht. Da das Wasser eine viel höhere Dichte aufweist als Luft, werden die Bewegungen im Wasser stark gebremst. Für eine Leistung muss viel mehr Kraft aufgewendet werden als an Land, so dass hauptsächlich die langsam reagierenden und auf Ausdauer spezialisierten Muskelfasern arbeiten müssen.
Damit ein Muskel überhaupt arbeiten kann, benötigt er Energie. Der Skelettmuskulatur stehen dabei eine ganze Reihe von Energieträgern zur Verfügung, die je nach Länge und Art der Belastung zum Einsatz kommen. Bei Schnellkraftbelastungen bis zu 50 Sekunden sind es die energiereichen Eiweißstoffe Kreatinphosphat (KP) und Adenosintriphosphat (ATP).
Bei einer Belastungsdauer von 2–10 Minuten wird die Energie überwiegend aus Kohlenhydraten gewonnen. Bei längeren Ausdauerbelastungen wird die Energie aus der Glykolyse oder der Fettverbrennung gewonnen. Ist die Belastung intensiv und lang genug und werden so die Energiedepots stärker beansprucht, wird der Körper zu einer Mitochondrienvergrößerung und -vermehrung veranlasst.
Dadurch ist es den Zellen möglich, eine größere Energiemenge zu speichern und bei Bedarf freizusetzen. Mitochondrien gelten als die Kraftwerke der Zelle.
Vorteile für Bänder, Sehnen und Knochen
Der große Vorteil eines Bewegungstrainings im Wasser ist die minimale Belastung für Knochen,