Wenn wir 1918 .... Walter Muller

Wenn wir 1918 ... - Walter  Muller


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Grüßt Sun Yat-sen. Dankt ihm für sein Telegramm. Ihr Inder, sagt euren Landsleuten, dass die Stunde der Befreiung näher rückt! In den nächsten Wochen wird der Entscheidungskampf an eurer Grenze entbrennen. Seht nicht untätig zu! Helft mit!

      Ihr Afrikaner, sorgt dafür, dass kein farbiger Soldat mehr Afrika verlässt! Nehmt den Kampf auf der ganzen Front auf! Vereinigt euch mit den Kräften Abd el Krims. Nie war die Gelegenheit so günstig wie jetzt. Bald werden wir euch vom Osten aus zu Hilfe kommen. Lebt wohl, Genossen, wir sind überzeugt, dass ihr eure Aufgabe erfüllen werdet.

      Genosse Harrington erhält jetzt das Wort, um uns über die Situation in den U.S.A. zu berichten."

      Harrington: „Genossen! In den Vereinigten Staaten ist im Augenblick an eine proletarische Erhebung noch nicht zu denken. Trotzdem dürfen wir die revolutionären Möglichkeiten, die gerade jetzt und vielleicht nur jetzt bestehen, nicht zu gering einschätzen. Ihr müsst euch vergegenwärtigen, dass Amerika eine pazifistische, antimilitaristische Tradition besitzt. Diese Tradition wurzelt zu einem Teil in der Religion verschiedener Sekten und Bekenntnisse. Zu einem anderen Teil in den Überlieferungen aus der Gründungszeit und in der Mentalität der Einwanderer. Die wichtigsten Gründe dieser Tradition aber sind die besonderen Bedingungen und Notwendigkeiten während der Epoche des kolonialen Frühkapitalismus. Diese Epoche ist jetzt abgeschlossen. Amerika ist schon vor dem Kriege in die Reihen der imperialistischen Staaten eingetreten. Dem würde eine neue Ideologie, eine neue Mentalität entsprechen. Vorläufig aber lebt noch die alte Ideologie, die alte Mentalität, die alte Tradition. Sie herrscht noch in den Köpfen der Proletarier, sie wurzelt auch noch fest, viel fester als es in der jetzigen Zeit der gewaltsamen Unterdrückung scheint, in weiten Kreisen des Bürgertums, ja sogar in den Köpfen vieler führender Funktionäre des Bürgertums, vielleicht sogar im Kopfe des Präsidenten. Wir müssen diese Tatsache geschickt ausnützen.

      Wir müssen dafür sorgen, dass diese Denkweise in den Köpfen der Proletarier rascher zu einer proletarischen Ideologie wird als die Ideologie des Bürgertums zu einer rein imperialistischen. Wir werden, an die amerikanische Tradition anknüpfend, mit typisch bürgerlichen pazifistischen Argumenten gegen die Fortsetzung des Krieges operieren. Dabei können wir uns stützen auf die besonderen Eigenarten des jugendkräftigen amerikanischen Kapitalismus und Imperialismus, der in vielen Fällen eine ganz andere Zielrichtung hat als die europäischen Imperialismen. Wir werden den amerikanischen Kleinbürgern klarmachen, dass das in Europa angelegte Geld verloren ist, wenn der Krieg bis zur gänzlichen Zerstörung Europas fortgesetzt wird. Wir werden sie darauf hinweisen, dass die Weststaaten nicht nur gewinnen, sondern auch verlieren und der Revolution anheim fallen können.

      Wir müssen ferner folgendes berücksichtigen: Der amerinische Arbeiter und Soldat ist nicht, wie man bisher geglaubt hat, immun gegen sozialistische Einflüsse. Amerikanische Soldaten haben in Archangelsk und Wladiwostok gemeutert, als sie gegen die Revolution kämpfen sollten. Wenn erst einmal die Revolution in Europa gesiegt hat und in Amerika eine gewisse Kerntruppe vorhanden ist, so sind die Aussichten für einen bewaffneten Aufstand bei uns lange nicht so ungünstig, wie allgemein angenommen wird, viel günstiger jedenfalls als für die von den Reformisten gepriesene „Machteroberung auf demokratischem Wege". Demokratisch ist dem amerikanischen Kapitalismus noch viel weniger beizukommen als dem europäischen. Dazu ist er zu stark, zu robust, zu selbstsicher. Dazu sind vor allem die beiden Parteien zu stark und finanzkräftig, die im entscheidenden Augenblick über das ganze amerikanische Kapital und über die ganze Presse verfügen. Selbst wenn der kapitalistische Terror, wenn die organisierten Überfälle auf Arbeiterhäuser und Arbeitereinrichtungen und auf unsere Zeitungen und Vereinshäuser aufhören sollten, selbst wenn der Ku Kux Klan wirklich aufgelöst werden sollte, selbst wenn die Lynchjustiz und die bürgerliche Klassenjustiz ihre Schreckensherrschaft einstellen sollten, selbst wenn alle diese Voraussetzungen, an die im Ernst natürlich gar nicht zu denken ist, einmal gegeben wären, selbst dann würden wir nicht imstande sein, dem mächtigen Apparat der Demokraten und Republikaner etwas auch nur annähernd Gleichwertiges entgegenzusetzen.

      Die Arbeiteraristokratie ist bei uns reformistisch und bürgerlich verseucht. Die anderen Proletarierschichten sind entweder vorläufig, d. h. in normalen Zeiten, noch unorganisierbar (die Bewohner der Slums), oder sie sind von dem typisch amerikanischen Glauben an die große Chance besessen, der sich noch aus der Zeit des Frühkapitalismus, des Pioniertums in Amerika, erhalten hat und durch den Krieg mit seinen vielen Verdienstmöglichkeiten, mit seiner rasend aufgeblähten und vollbeschäftigten Industrie, mit seinen hohen Löhnen wieder neue Nahrung erhalten hat. Der amerikanische Arbeiter hat bisher alle Vorzüge eines jungen, kräftig sich entwickelnden, seine Konkurrenten überflügelnden und sich auf günstigem Gebiet ausdehnenden Kapitalismus kennen gelernt. Wie aber wird es werden, wenn er jetzt einmal seine Schattenseiten richtig kennen lernt, wenn er für diesen Kapitalismus, der ihm dann auf einmal nicht mehr so liebenswert erscheinen wird, längere Zeit kämpfen, leiden und entbehren muss? Wie wird es werden, wenn sich erst einmal eine Kerntruppe der Revolution gebildet hat, wenn nicht nur Arbeiterversammlungen, sondern auch kapitalistische Klubs überfallen werden? Wie wird es werden, wenn sich den amerikanischen Parias, den Millionen Negern, Mexikanern usw. endlich die Bruderhand des weißen Proletariers entgegenstreckt? Deshalb sage ich euch, Genossen: Wenn der Präsident seine Ansicht durchsetzt und die amerikanischen Truppen aus Europa zurückzieht, dann kann ich euch für die nächsten zehn Jahre nicht viel versprechen. Wenn aber der Krieg gegen die europäische Revolution in größerem Ausmaß mit amerikanischen Truppen fortgesetzt wird und unter großen Verlusten monate- oder gar jahrelang dauert, dann, Genossen, kann ich euch versprechen, dass in Amerika Bundesgenossen erstehen, auf die ihr euch verlassen könnt."

      Wieder durchtobt stürmischer Beifall das Haus, das noch immer voll besetzt ist, obwohl bereits der Morgen naht. Rote Matrosen der deutschen und russischen Flotte und Delegierte der havarierten und in deutsche Häfen eingelaufenen Schiffe der englischen Flotte nehmen vor der Rednertribüne Platz.

      Ein Telegramm wird verlesen: „In Potsdam Offiziersaufstand ausgebrochen. Truppen treugeblieben. Post und Rathaus von den Aufständischen besetzt. Eisenbahn in unseren Händen. Sendet sofort Verstärkungen." (Inzwischen liquidiert! D. Red.) Die Sitzung des Generalrats wurde für 24 Stunden vertagt.

      Vorwärts - 30. November 1918

      Der Kampf um die Ostsee

      Vordringen der englischen Flotte im Nordostseekanal

      Brunsbüttelkoog wieder zurückerobert Eutentetruppenlandungen in Jütland und Nordseeland

      Ultimatum an Norwegen Erfolge der Revolution in Schweden

      Die Lage in Schleswig-Holstein

      Die englische Flotte kämpfte sich, allerdings mit großen Verlusten, durch den Minengürtel der Nordsee durch. Der Angriff auf Wilhelmshaven wurde abgeschlagen, obwohl wir außer den Küstenabwehrgeschützen nur noch über Kanonen, Torpedo- und Unterseeboote in der Nordsee verfügten. Cuxhaven ist gefallen. Landungstruppen in Stärke von ungefähr 50000 Mann marschierten auf dem linken Eibufer vorwärts bis vor Brunsbüttelkoog. Darauf wurde Brunsbüttelkoog vom Wasser her eingenommen. Starke Landungstruppen begannen sofort an beiden Seiten des Kanals vorzumarschieren. Die Engländer trafen zuerst nur auf Widerstand von Partisanengruppen, den sie leicht überwanden. Erst in der Linie Albersdorf—Hademarschen wurden sie aufgehalten. Den rechten Flügel bedrängten starke rote Truppen, die aus dem Lockstedter Lager, Hamburg, Neumünster und Lübeck kamen. Ein Teil der auf dem rechten Ufer marschierenden englischen Truppen wurde gefangen genommen oder lief über. Der größte Teil aber konnte sich auf das linke Ufer retten. Inzwischen war das englische Geschwader im Kanal herangekommen, das zehn Stunden durch die Beschädigung der Schleusen in Brunsbüttelkoog aufgehalten worden war. Jetzt änderte sich die Situation vollständig zugunsten der Engländer. Die dritte englische Landungsarmee hatte die ersten Angriffe der roten Hamburger Arbeiterwehr abgewehrt und den Vormarsch über Glückstadt—Elmshorn angetreten. Die Eisenbahnverbindung nach dem Norden war unterbrochen. Gleichzeitig landete die vierte englische Armee in Eiderstedt und fesselte die Kräfte der Rendsburger Garnison durch den Vormarsch auf dem rechten Eiderufer. Unter dem Schutz ihrer Schiffskanonen gelang es den Engländern, ungefähr 10 km beinahe kampflos vorzudringen. Gestern nahmen sie nach hartem Kampf Rendsburg ein. Dadurch erhielt die


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