Einfach alles teilen?. Hofkollektiv Wieserhoisl

Einfach alles teilen? - Hofkollektiv Wieserhoisl


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unsere nächsten Nachbar*innen sind allesamt mehrere hundert Meter von uns entfernt.

      Zu den ganz speziellen Dingen am Wieserhoisl zählt der atemberaubend schöne Blick ins Tal, wie wir eingangs schon erwähnt haben. Abhängig von der aktuellen Wetterlage erleben wir täglich eine etwas andere Atmosphäre, wenn wir unseren Blick in die Ferne schweifen lassen. Die Aussicht ist malerisch und alleine das macht diesen Ort zu etwas ganz Besonderem! Und wer weiß: Vielleicht beeinflusst uns dieser Blick in die Ferne, mit der Rückendeckung der Natur, auch innerlich und positiv in unserem Weitblick auf die gesellschaftlichen Probleme und öffnet unseren Geist.

      Eine weitere Besonderheit des Wieserhoisls ist der Wanderweg, der mitten durch den Hof und somit durch unser Wohnzimmer im Freien führt. Dabei handelt es sich um einen Abschnitt des Mariazeller Weitwanderweges, der auch von sehr vielen Menschen der Umgebung begangen wird. Er führt von Deutschlandsberg zur kleinen Wolfgangikirche, die oberhalb von uns gelegen ist. Von dort hat mensch einen wunderbaren Ausblick in alle Himmelsrichtungen.

      Und was, glaubst du, passiert unweigerlich, wenn sich so ein Wander- und Spazierweg mitten durch unser Gelände windet? Genau: Es kommt immer wieder zu netten Begegnungen und spannenden Gesprächen mit Menschen, die hier unterwegs sind und sich dafür interessieren, was wir machen. Vielen Vorbeiwandernden fällt sofort auf, dass hier etwas anders ist. Seien es die Zirkus- und Bauwägen, der riesige Gemüsegarten, das große Poster mit der Aufschrift „Kein Mensch ist illegal“, das an der alten Scheunenwand hängt und schon für sich ein Statement über unsere Überzeugungen und unsere Denkweise abgibt, oder einfach nur die Tatsache, dass hier junge Menschen am Schaffen sind. Dadurch ergibt sich eine öffentliche Wirkung einfach so als Nebeneffekt.

      Lassen wir die Vielfalt einziehen!

      Wir sind der Meinung, dass das Wieserhoisl und das dazugehörige Stück Land ökologisch sehr vielfältig sind. Auf der einen Seite gibt es große Mengen an Wasser durch eine hofeigene Quelle, einen Bach, der den Wald durchquert, und viele sumpfige und feuchte Stellen hier und da. Andererseits finden sich hier auch trockene Magerwiesen mit vielen Kräutern und vielfältigen Insekten – sogar Gottesanbeterinnen entdecken wir in unseren Wiesen immer wieder. Daneben tummeln sich seltene Schmetterlingsarten, Glühwürmchen, schillernde Käferarten, Feuersalamander und Schlingnattern inmitten von wildem Thymian, Hauhecheln und Teufelskralle. An einigen Stellen lassen wir die Wildnis walten und greifen kaum pflegend ein.

      Neben dem, was die Natur von selbst bietet und uns zur Verfügung stellt, haben auch wir dazu beigetragen, die Artenvielfalt einziehen zu lassen. Da wären einerseits unsere Tiere: Als wir beschlossen haben, Schafe hier am Hof zu halten, haben wir uns bewusst für eine gefährdete Nutztierrasse, die Krainer Steinschafe, entschieden. Zeitweise haben auch verschiedene lustige Hühnerrassen, wie Sulmtaler, Altsteirer und Brahma-Hühner, Gänse und verschiedene Enten hier ein Zuhause gefunden. Seit einiger Zeit geben wir einer ganz klassischen Hühnerrasse noch etwas mehr Lebenszeit. Wir übernehmen Bio-Legehennen, die im kommerziellen Legebetrieb wegen ihres Alters ausrangiert werden. Bei uns dürfen sie bis an ihr Lebensende so viele oder so wenige Eier legen, wie sie wollen.

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      › Im Solardörrer trocknen Kräuter und Blüten – das Steckenpferd von Kräuterliebhaberin Tina.

      Und im Garten geht es, was die Vielfalt betrifft, sowieso drunter und drüber. Von essbaren Wildpflanzen über klassische Vertreterinnen aus Bauerngärten bis zu außergewöhnlicheren Experimenten, wie zum Beispiel Erdnüssen oder Artischocken, haben unsere Beete schon alles gesehen. Von einer Gemüseart gibt es außerdem meistens mehr als nur eine Sorte. Wir pflanzen ausschließlich samenfeste Sorten, die wir mit viel Leidenschaft auch selbst weitervermehren (wenn du genauer wissen möchtest, wen mensch in unseren Beeten so alles antrifft, schau auf Seite 111).

      Woraus wir wachsen und wogegen wir uns starkmachen

      Und dann ist das Hofkollektiv Wieserhoisl noch viel mehr als nur dieser Ort, dessen Bewohner*innen und sein spezieller Geist, den er nach außen hin verströmt. Es umfasst auch seine Wurzeln, die Vergangenheit und damit die vielen Menschen, die das, was jetzt ist, mitgestaltet haben. Mit ihrer Tatkraft in den Anfangszeiten und in den vielen Jahren danach, beim Umsetzen von Projekten, Aktionen, Veranstaltungen und Festen. Durch neue Themen, die sie zu uns getragen haben, die uns sensibilisiert und weitergebildet haben, die unsere Augen und Herzen weiter geöffnet haben für die Vielfalt der Menschen und das, was sie bewegt, sowie die Welt im Allgemeinen. Damit meinen wir all jene, die uns durch Anerkennung und Bestätigung auf unserem Weg bestärkt haben. All jene, die sich auf ihrem Weg von uns inspirieren ließen. Ähnliches selbst ausprobiert haben. An irgendeiner Ecke weitergebaut und um die nächste gedacht haben. Oder sogar neue Hofkollektive gegründet haben.

      Damit meinen wir aber auch all jene, die uns vor Herausforderungen gestellt haben. Unsere Toleranz gegenüber der Vielfältigkeit des menschlichen Seins auf den Prüfstand gestellt haben. Uns im Umgang mit den schwierigen sozialen Seiten von Menschen bis an unsere Grenzen gefordert haben. Uns in Situationen des Krisenmanagements gedrängt haben und uns somit auch zu mehr Klarheit in der Abgrenzung geholfen haben. Einmal sagte ein Freund zu uns: „Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht!“ So manch aufreibende Situation hat uns also die Augen dafür geöffnet und den Blick dafür geschärft, was wir hier am Wieserhoisl wollen und was eben sicher nicht. Rassismus, Homophobie, aggressivem Verhalten, Egozentrismus, toxischer Männlichkeit soll und will hier kein Raum geboten werden. Und dafür heißt es, manchmal auch einen Schlussstrich unter die Toleranz und Offenheit für alle und alles zu setzen. Es bedeutet, manchmal Menschen von diesem Ort auszuschließen, weil wir hier gewisse Einstellungen oder Verhaltensweisen einfach nicht haben wollen.

      Zum Glück sind das in all den Jahren Ausnahmen geblieben und das Hofkollektiv Wieserhoisl versteht sich als offener Ort der Begegnung. Hier treffen sich interessierte, engagierte Menschen, vernetzen sich, informieren sich, stellen ihre Hilfe zur Verfügung. Und gemeinsam basteln wir an einer anderen, friedlicheren und nachhaltigeren Welt.

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       Lassen wir die anderen erzählen: Was langjährige Freund*innen über uns sagen:

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       „Ich habe mich letztes Jahr so gefreut, an eurem kleinen und feinen Fest teilzunehmen und wieder einmal an eurem wunderbaren Ort zu sein, der mir immer wieder Geborgenheit schenkt. Ich habe es miterlebt, wie das Wieserhoisl gewachsen ist und sich verändert hat, und das war auch für mein eigenes Leben bereichernd. Ich bin dankbar, dass ich immer wieder herzlich bei euch aufgenommen wurde, und hoffe, das bald wieder erleben zu können.“

       „Für mich wurde das Wieserhoisl in den letzten 10 Jahren zu einer zweiten Heimat. Es ist ein queerfeministischer Ort. Natur. Zugehörigkeit. Gemeinsamkeit. Lernen. Sein. Liebe.“

      Dürfen wir uns vorstellen? Das sind wir, die Bewohner*innen des Hofkollektivs Wieserhoisl

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      › Hallo! Wir sind: Mael, Elena, Fritz, Noreia, Tobias, Mark, Popeia und Tina.

      Das Hofkollektiv Wieserhoisl

       TINA:

      geboren 1980 in Graz; Studium „Landnutzung und nachhaltige Entwicklung“ an der Universität für Bodenkultur in Wien; Gründerin des Hofkollektivs Wieserhoisl 2006 und somit dessen Urgestein; Mutter von Popeia; praktizierende Wald- und Kräuterpädagogin; sie hat den unüberschaubaren Überblick über alle Pflanzenaktivitäten


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