Experimente mit Supermarktprodukten. Prof. Georg Schwedt
Gasentwicklungen, Bildung neuer Stoffe, Entstehung und Isolierung verschiedenartiger in Wasser oder organischen Lösemitteln wie Spiritus oder Benzin unlöslicher Produkte – kennenlernen. Sie eignen sich auf diese Weise, mit dem Hintergrund ihres speziellen Interesses für ein Produkt und spielerisch, ein an Alltagsprodukten orientiertes Basiswissen der Chemie an.
Im Rahmen des Förderpreises wurde ein Versuchsprogramm entwickelt, das so aufgebaut ist, dass die Einzelversuche sich mit den Hauptinhaltsstoffen und Zusatzstoffen von Produkten aus insgesamt 14 Warengruppen beschäftigen. Die Warengruppen wurden in Anlehnung an den Aufbau von Supermärkten gewählt. Ein ausführlich beschriebenes und in den zu erwartenden Ergebnissen erläutertes beispielhaftes Experiment steht immer für eine Reihe eigener weiterer Entdeckungen mit anderen Produkten, wozu auch Anregungen gegeben werden. Auch die Vergleiche von Produkten im Experiment spielen dabei eine wichtige Rolle. Das genannte Basiswissen umfasst Bereiche der anorganischen, analytischen, organischen, physikalischen Chemie und der Biochemie.
Einige Reagenzien, die am Anfang stehen – Rotkohlsaft, Iodlösung, Eisenlösung, Kalkwasser und Seifenauflösung (auch Kaliumpermanganat und Kupfersulfatlösung) – eignen sich für Untersuchungen sehr unterschiedlicher Produkte. Mit ihnen allein lässt sich schon ein kleines Versuchsprogramm zusammenstellen. Ziel aller Einzelexperimente ist, eine wesentliche Eigenschaft eines Produktinhaltsstoffes so vorzustellen, dass sich dieses Experiment mit dem in den Erläuterungen vermittelten Grundwissen auch auf möglichst viele andere Produkte übertragen (und im Ergebnis auch deuten) lässt. Die zitierten Beispiele von Zutatenlisten bzw. Inhaltsangaben der Bedarfsgegenstände (meist mit englischen Namen) sollen Informationen über Begleitstoffe vermitteln. Zugleich machen sie deutlich, dass die übrigen Inhaltsstoffe die beschriebene Reaktion nicht stören. Und schließlich sollen sie auch zu aufmerksamerem Studium der Informationen auf den Verpackungen beim Einkauf im Supermarkt anregen.
2. Stufe: Brücken zur aktuellen, instrumentellen Analytik
Das Projekt hat nicht nur das Ziel, mit einfachen sowohl in Schulen als auch in der eigenen Küche nachvollziehbaren, d. h. auch gefahrlosen Experimenten Eigenschaften von Alltagsstoffen und deren Reaktionen kennen, verstehen und beurteilen zu lernen. Für die Wege zur aktuellen Forschungsanalytik hier einige Beispiele:
Der Zerfall des Reduktionsmittels Dithionit in Entfärbemitteln in mehrere Schwefelspezies (Anionen wie Sulfit, Sulfid und Thiosulfat) ist im einfachen Experiment nur am Sulfid (schwarze Fällung in einer Kupfersulfatlösung durch Bildung von Kupfersulfid) überzeugend darstellbar. Zur Aufklärung der Zerfallsmechanismen wurden von uns in neueren Arbeiten die Methoden Voltammetrie und Kapillarelektrophorese eingesetzt, deren Prinzip und Leistungsfähigkeit Fortgeschrittenen (wie Fachlehrerinnen und -lehrern) an diesem Beispiel aus dem Alltag demonstriert werden. Damit wird zugleich ein Kapitel der Schwefelchemie und der aktuellen Elementspeziesanalytik behandelt.
Die Frage, warum der altbewährte Rotkohlsaft so viel besser zur pH-Indikation geeignet ist als andere rote Säfte (Kirsch-, Heidelbeer- oder Traubensaft), wird mithilfe der Flüssigkeitschromatografie (HPLC) belegt: Im Rotkohlsaft ist im Unterschied zu den anderen Säften im Wesentlichen nur ein Hauptanthocyan enthalten, wie eine Auftrennung der Anthocyangemische im Vergleich überzeugend zeigt. Außerdem werden UV/Vis-Spektren verschiedener Säfte bei unterschiedlichen pH-Werten aufgezeichnet und verglichen.
Die Chemie des Eisens wird einerseits nach dem Lösen von Eisenfeilspänen in Essigessenz in einfachen Versuchen vorgestellt, andererseits liefert die Voltammetrie eine differenzierte Analyse nach Eisen(II)- und Eisen(III)-Ionen. Die Messergebnisse der Atomabsorptionsspektrometrie (AAS) zeigen, welche Begleitelemente wie Zink, Blei, Mangan, Magnesium in Eisen-/Stahlprodukten des Alltags enthalten sein können.
Über die einfachen, den Möglichkeiten in Schulen angepassten Experimente hinaus werden somit die modernen Methoden der instrumentellen Analytik berücksichtigt und deren Einsatzmöglichkeiten und Leistungsvermögen für spezielle Stoffe aufgezeigt.
Ziel des Versuchsprogramms ist es auch, aufgrund der erworbenen elementaren Stoffkenntnisse einen kritischen Verbraucher heranzubilden. Er soll in die Lage versetzt werden, eine Entscheidung zwischen Produkten mit unterschiedlicher Zusammensetzung, aber ähnlicher Verwendung zu treffen, so z. B. die Frage experimentell beantworten zu können, ob er überhaupt eine Seife mit EDTA und Etidronat oder zur Fleckenentfernung ein Mittel mit schwefelwasserstoffbildendem Dithionit benötigt.
Ein weiteres aktuelles Thema ist die Darstellung des Themas Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen an den Beispielen Calcium und Eisen. Auch für diese Fragestellung werden anhand einfacher Modellversuche Grundlagen vermittelt, die in Verbindung mit der Forschung im Institut stehen.
Das Clausthaler SuperLab
Aus den Mitteln des Stifterverbandes wurde mit dem Logo „wissenschaft im dialog“ im Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Technischen Universität Clausthal auch ein Schüler-/Besucherlabor mit dem Namen Clausthaler Super-Lab eingerichtet. Es besteht aus mehreren Hundert Supermarktprodukten, jeder Arbeitsplatz ist mit einfachen Geräten (Bechergläser, Schnappdeckelgläser, Plastikpipetten, Trichter, Heizplatte – s. Abschn. 1.2 „Die experimentelle Grundausstattung“) ausgestattet. In ihm können Schüler ab dem neunten Jahrgang chemische Experimente mit Haushalts (Supermarkt)-Produkten selbst durchführen, die ein Basiswissen von den Stoffeigenschaften der wichtigsten organischen und anorganischen Inhaltsstoffe vermitteln. Für Fortgeschrittene und Lehrer werden in den Forschungslaboratorien auch Anwendungen der aktuellen instrumentellen Analytik vorgestellt. Ziele dieser Kurse sind die Vermittlung
• einer chemisch orientierten Warenkunde,
• einfacher Techniken des chemischen Experimentierens für eigene Entdeckungen, nur mit Supermarktprodukten ohne spezielle Laborchemikalien, und
• ein Basiswissen zum Grundverständnis der Eigenschaften verbreiteter „Zutaten“ (chemischer Inhaltsstoffe) in Alltagsprodukten.
Das vorliegende Buch hat darüber hinaus die Aufgabe, das bisher insgesamt entwickelte Versuchsprogramm vielen Interessierten zugänglich zu machen und auch die weiterführenden Informationen (mit der Literatur zum Nachlesen und Nachschlagen) zu vermitteln.
Experimente mit den auf den Verpackungen aufgeführten Inhalts- und Zusatzstoffen stehen im Vordergrund dieses Experimentalprogramms.
Da es sich nicht um Reaktionen zwischen Einzelstoffen handelt, sind für die meisten der Experimente auch die vollständigen Angaben über die Inhaltsstoffe (Ingredients bei den Kosmetika) der verwendeten Produkte aufgeführt. Auf diese Weise lassen sich bei abweichenden Versuchsergebnissen durch Vergleich der Listen (Produktkennzeichnungen) häufig auch die Ursachen dafür erkennen.
Die Grundausstattung für die Durchführung der Experimente wird deshalb im Einzelnen aufgeführt, um entsprechend der verwendeten Gefäße zugleich die Mengenverhältnisse (-angaben) für die einzelnen Experimente festlegen zu können.
Bei den beschriebenen Farbreaktionen können geringfügig abweichende Farbtöne beobachtet werden. Auch im Clausthaler SuperLab haben verschiedene Schüler den Farbeindruck bei ein und demselben Experiment unterschiedlich bezeichnet.
Die Anregungen für weitere Versuche sollen immer wieder deutlich machen, dass bei der Vielfalt an Produkten eines Supermarktes sich viele weitere „chemische Entdeckungen“ machen lassen.
1.2 Die experimentelle Grundausstattung
Die meisten der Reaktionen werden in Schnappdeckelgläsern (Volumen 20 ml) durchgeführt. Die Reagenzlösungen werden in 30 oder 50 ml-Glasflaschen mit Schraubverschluss aufbewahrt. Für Experimente, bei denen die Proben erhitzt