Blut für Gold. Billy Remie
Du kannst uns nicht einfach allein lassen!« Er sprang vom Stuhl auf, der lautstark über den Boden geschoben wurde. »Sag so etwas nie wieder! Du gehst nicht weg!«
Magda presste sich die Hand auf den Mund, aber Darcars Vater blieb einfach nur unglücklich auf seinem Stuhl sitzen und starrte in seinen Brandy. »Versprich es mir, Darc.«
»Einen Scheiß werde ich.« Tränen der Wut brannten in Darcars Augen, er ballte die Hände zu Fäusten und war kurz davor, wütend aufzutreten.
»Setzt dich hin, Sohn, du machst dich lächerlich«, erwiderte sein Vater nur ruhig, was Darcar nur noch mehr aufbrachte.
Seine Nasenflügel bebten, als er dessen Aufforderung trotzdem nachkommen wollte, da ihm bewusstwurde, dass er sich wie ein Kind verhielt.
Es klopfte an der Haustür, ehe er wieder Platz genommen hatte.
Verwundert drehten die drei in der Küche die Köpfe zur Diele herum.
»Wer kann denn das so spät noch sein?«, fragte Magda und trocknete ihre feuchten Hände an ihrer Schürze. Sie wollte die Tür öffnen gehen, wie sie es schon immer für die van Bricks getan hatte, doch dieses Mal hielt Darcars Vater sie auf.
»Warte, Magda, ich gehe.«
Darcar folgte seinem Vater, ein Knoten bildete sich in seinem Magen.
Die Türscharniere knarrten, es war finstere, kalte Nacht draußen, und drei uniformierte Männer mit Filzhüten standen auf der Türschwelle, wie die Boten des Todes. Zwei von ihnen hatten Gewehre um die Schultern geschlungen. Darcar starrte sie mit aufkommenden Bauchschmerzen an.
»Sheriff Vic?« Sein Vater streckte aus Gewohnheit seinem alten Freund die Hand entgegen, die beiden kannten sich aus Kindertagen, das wusste Darcar. Vic war ein Freund der Familie, der trotz, dass er nicht von Stand war, von seinem Vater immer gut behandelt wurde.
Für einen Moment atmete Darcar auf. Die beiden Männer gaben sich die Hände, doch das Lächeln unter dem dichten Schnurbart des Sheriffs wirkte bedauernd.
»Kommt rein, ihr holt euch noch den Tod.« Darcars Vater winkte sie ins Haus und schob dabei ungewollt seinen Sohn zurück in die Küche. Noch bevor sie wussten, was der späte und ungebetene Besuch zu bedeuten hatte, wollte Darcars Vater – ganz der Gentlemen, der er war – seine Gäste bewirten und trug der tüchtigen Magda umgehend auf: »Bereite Tee für die Herrschaften.«
»Nur keine Umstände«, lehnte Vic wie gewohnt ab.
Die Küche wirkte plötzlich viel zu klein durch all die Menschen im Raum. Darcar blieb dicht hinter seinem Vater, weil dieser ihn hinter sich schob. Der Sheriff und die beiden stummen Uniformierten der Stadtwacht versperrten die Tür. Darcar hatte das ungute Gefühl, dass sie nicht aus reinem Zufall dort stehen blieben.
Fragend sah er zu Magda, die ihm jedoch wie immer nur diesen auffordernden Blick zuwarf, damit er sich anständig benahm.
»Bitte, setzt euch doch, meine Herren«, Darcars Vater deutete zum Tisch, »kann ich Euch etwas anderes anbieten…«
»Bearnulf«, begann Vic, und sein bedauernder Tonfall gefiel Darcar überhaupt nicht.
Er tastete nach dem Messer an seinem Gürtel, doch es war nicht dort. Magda hatte es vor drei Tagen gefunden und es ihm weggenommen, weil ein gebildeter, junger Mann in ihren Augen nicht mit einer versteckten Stichwaffe herumlief wie ein Attentäter. Der Sheriff zog seinen Hut ab, bevor er fortfuhr: »Ich befürchte, wir müssen dich zu einer Befragung mitnehmen, alter Freund.«
Magda schnappte nach Luft.
»Befragung?«, platzte Darcar heraus. »Folter, wollt Ihr sagen! Mein Vater geht nirgendwohin-«
»Darc!«, warnte sein Vater ruhig, aber bestimmt, und schob Darcar wieder hinter sich. Dann wandte er sich an den Sheriff. »Ist das wirklich notwendig, Vic?«
»Ich befürchte, ja. Es tut mir sehr leid. Komm friedlich mit, dann muss ich dir keine Eisen anlegen.«
»Aber er hat nichts verbrochen!«, rief Darcar und wollte sich wieder schützend vor seinen Vater stellen. Dieser stieß ihn aber sanft wieder zurück und bedeutete Magda, sich um Darcar zu kümmern. Die etwas pummelige, alte Haushälterin legte ihm ihre Hände auf die Schultern und hielt ihn fest. Darcar wandte sich in ihrem Griff, wie ein Aal an der Angel, aber ihre Finger bohrten sich schmerzhaft in sein Fleisch.
»Ich bin sicher, wir können das irgendwie regeln, Vic«, versuchte es sein Vater diplomatisch und zückte ein paar Scheine, insgesamt dreihundert Noten, aus seiner Tasche. »Es versteht sich von selbst, dass ich einen Anwalt benötige, gib mir nur Zeit bis morgen Abend…«
»Das kann ich leider nicht tun, Baernulf, es tut mir leid.« Sein schuldbewusster Blick zeugte von seiner Aufrichtigkeit.
Darcar wurde trotzdem wütend. »Was wird ihm vorgeworfen? Das ist doch nicht rechtens!«
»Gibst du jetzt Ruhe, Junge?«, zischte Magda ihm ins Ohr.
Der Sheriff setzte Darcar mit einem befehlsgewohnten Blick fest. »Mach es für deinen Vater nicht noch unangenehmer, als es ist, Bursche.«
»Vic, das ist doch wirklich nicht nötig, du kennst mich! Du weißt, ich würde nicht davonlaufen. Ladet mich zu einer Befragung vor, ich werde anwesend sein, das verlangt die Ehre, ich bin ein Gentleman. Aber führt mich nicht wie einen Verbrecher ab!«
»Anordnung des Schwarzen Rates, du weißt, wie das läuft, mein Freund. Ich tue mein Bestes, damit du es so angenehm wie möglich hast.« Vic drehte unbehaglich den Hut in der Hand und beugte sich dann im vertrauten Ton ein Stück nach vorne. »Bitte, Baernulf, denk an deine Söhne. Komm friedlich mit, dann kannst du für sie vielleicht noch etwas aushandeln.«
Darcar sah zu, wie sein Vater die schweren Schultern hängen ließ. Er blickte noch einmal zurück, fassungslos starrte Darcar zu ihm auf und schüttelte den Kopf. Frost, der nicht von draußen kam, zog in seinen Nacken.
»Pass auf deine Brüder auf, Darc«, sagte sein Vater, dann drehte er sich um und nickte Vic zu. »In Ordnung, ich komme friedlich mit.«
»Was? Nein!« Darcar aalte sich aus Magdas Geiergriff, als sein Vater von den beiden Uniformierten in die Mitte genommen wurde, und warf sich dazwischen. Magda schrie, als ein Handgemenge in der Diele entstand.
Darcar brüllte: »Nein, er hat nichts verbrochen! Er hat doch nichts verbrochen. Warum bringt ihr ihn fort! Vater, tu doch was! Wehr dich doch!« Sein Herz war vor Angst zu einem Eisklumpen geworden und zerbarst beinahe bei jedem panischen Schlag. Er zerrte an seinem Vater, der versuchte, ihn von sich zu stoßen. Einer der Uniformierten schlug Darcar ins Gesicht, der Schmerz machte ihn blind, er schmeckte Blut, ließ aber nicht den Ärmel seines Vaters los.
Der Sheriff umschlang ihn von hinten und riss ihn schließlich fort.
»Nein! Vater!«
»Ist schon gut, junger Herr«, redete Vic auf ihn ein. »Alles wird wieder gut.« Die Tür wurde geöffnet, die kalte Nachtluft zog herein und peitschte auf seine nassen Wangen. Das Letzte, was Darcar von seinem Vater sah, war der ernste Blick, den er über die Schulter warf. »Pass auf deine Brüder auf«, waren seine letzten Worte an ihn.
Nichts wurde von diesem Moment an je wieder »gut«.
Kapitel 1
Sie kamen drei Tage nach der Verhaftung, kurz vor Morgengrauen.
Darcar lag im Bett und hatte die Arme um seine Brüder gelegt. Ihre Wärme und ihre flache Atmung beruhigten ihn, manchmal fand er sogar ein paar Stunden selbst Schlaf.
»Es wird alles wieder gut, Vater ist bald wieder da«, hatte er ihnen versprochen, jeden Tag, wohlwissend, dass es eine Lüge war.
Magda war bei ihnen, obwohl sie selbst eine kleine Wohnung in der Stadt bewohnte und einen Ehemann und eine Schar Kinder hatte, die darauf warteten, dass sie heimkam. Doch sie sagte immer, die van Bricks wären auch ihre Familie,